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Autorin Kannika erläutert die Ergebnisse einer Umfrage unter den Mitgliedern der interministeriellen Arbeitsgruppe während eines Zusammentreffens

Digitalstrategie – Erkenntnisse und Methoden für inter­minis­terielle Zusammenarbeit

„100 Prozent der Teilnehmer:innen empfinden die interministerielle Arbeitsgruppe als Vertrauensraum, in dem sie sich mit anderen Koordinierungsreferent:innen zu Problemen und Herausforderungen austauschen können“ – das Ergebnis der Befragung der vom DigitalService moderierten interministeriellen Arbeitsgruppe (imAG) im Rahmen der Digitalstrategie hat uns sehr gefreut. Nach neun Monaten Zusammenarbeit, in denen wir zehn Arbeitsgruppentreffen gestaltet haben, übergeben wir die Moderation der Gruppe an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). In diesem Blog schauen wir zurück und teilen Methoden, mit denen es uns gelungen ist, bestehende Hürden der Zusammenarbeit zu überwinden – und erläutern, warum nach dem Lern- und Vertrauens­raum jetzt ein Handlungsraum entstehen muss.

Über die Intention und Zielsetzung unseres Engagements im Rahmen der Digitalstrategie haben wir bereits in unserem vorigen Blogbeitrag: „Digitalstrategie – Ein Lernraum zur Zusammenarbeit entsteht“ berichtet. Ziel des Gesamtprojekts ist es, einen Lernraum für die Zusammenarbeit aller Ministerien im Rahmen der Digitalstrategie zu schaffen. Dafür hat der DigitalService im ersten Schritt in Zusammenarbeit mit dem BMDV die Moderation der interministeriellen Arbeits­gruppe übernommen.

Unser Ziel war es, eine transparente und positive Fehler- und Lernkultur zu etablieren. Das DigitalService-Projektteam mit Expert:innen aus den Bereichen erkenntnisgetriebener Prozessbegleitung, nutzerzentriertes Design und digitale Transformation hat für dieses Ziel vorab einige Hürden identifiziert, die wir in den vergangenen Monaten gemeinsam mit den Beteiligten der imAG bearbeitet haben.

Wichtige Grundlagen: Kennenlernen und Vertrauensraum

Als wichtige Grundlage haben sich die vier Auftaktworkshops gezeigt. Durch Kennenlernformate haben wir die persönliche Bindung der Beteiligten zueinander aufgebaut, damit das Vertrauensverhältnis gestärkt. Auf Grundlage dessen haben wir eine gemeinsame Zielsetzung und Klärung sowie Stärkung der einzelnen Rollen erreichen können. All dies fand im Rahmen einer gemeinsamen Teamvereinbarung sowie der Chatham-House-Regel statt, um einen geschützten Raum für alle einzurichten. Wie genau die einzelnen Maßnahmen eingesetzt wurden und gewirkt haben, haben wir ebenfalls im vorigen Blogbeitrag dargestellt.

Eine Person klebt einen Notizzettel an ein Whiteboard, an dem sich bereits viele bunte Notizzettel befinden

Maßnahmen & Methoden

Weitere Maßnahmen, die wir für die imAG eingeführt haben, haben ebenfalls zur Festi­gung der Zusammenarbeit geführt. Folgende Methoden haben wir dabei als besonders hilfreich empfunden:

  1. Einführung des KEFI-Modells

KEFI steht für „Kollaboration, Entscheidung, Feedback, Information“. Jeden Agendapunkt, den die Teilnehmer:innen in ein Treffen einbringen, sollen sie einem der Aspekte zuord­nen. Damit ist für die anderen Mitglieder klar, was von ihnen erwartet wird: Ein Angebot zur Kollaboration und Vorschläge, wie diese aussehen könnte, Hilfe bei der Entschei­dungs­findung, Feedback zur Idee oder einfach die zur Kenntnisnahme der Information. Das KEFI-Modell war notwendig, da wir zu Beginn festgestellt haben, dass in den Runden viel diskutiert wird, aber die Erwartungshaltung der Teilnehmer:innen an die Arbeits­gruppe nicht eindeutig war, die Gespräche deswegen immer wieder am Ziel vorbeigingen. Mithilfe des Modells wurden Tagesordnungspunkte zielgerichteter behandelt.

  1. Spannungsspeicher

Ein Spannungsspeicher ist eine Methode, mit der zu Beginn jedes Meetings ein Raum gegeben wird, um strukturiert einzuchecken und Spannungen, beispielsweise Fragen, Gefühle oder Ideen, mit denen man in das Meeting kommt, einzubringen. Diese werden in der Sitzung thematisiert – und so der Zusammenhalt gestärkt.

In der interministeriellen Arbeitsgruppe haben wir zu Beginn jedes Treffens einen Span­nungsspeicher eingeführt, den jede:r in der imAG mit Spannungen füllen kann: Teilneh­mende haben eine Zahl zwischen 1 und 10 auf ein Post-it geschrieben, je nach Stärke der Spannung. Außerdem haben sie die Spannung einer von vier Kategorien zugeordnet: Operative Arbeitsebene, Rollen und Prozesse innerhalb der imAG, zwi­schen­menschliche Beziehung, Selbstreflexion. Die Zuordnung, wo sich die Spannungen befinden, macht es viel einfacher, effektiv miteinander zu kommunizieren. Dann wissen alle, worum es gerade geht und welche Themen keinen Platz finden sollten.

Die stärksten Spannungen wurden – sofern die Personen sich bereit erklärt haben, darüber zu sprechen – zu Beginn der Sitzung in der Runde thematisiert und besprochen, wie mit den Spannungen umgegangen werden soll bzw. wie die Spannung gelöst werden soll.

Die Methode erwies sich als besonders sinnvoll, da sie den Teilnehmer:innen die Möglichkeit bietet, belastende Punkte in dem bewusst vertraulich gehaltenen Raum frühzeitig zu thematisieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

  1. Retrospektive

Mithilfe der Retrospektive haben wir mit den Teilnehmer:innen ein Fazit über den Erfolg der interministeriellen Arbeitsgruppe gezogen. In dem moderierten Feedbackprozess soll idealerweise das vergangene Quartal unter die Lupe genommen werden. Darauf aufbau­end können die Sitzungen für das kommende Quartal vorbereitet werden: Was soll besser werden? Welche Formate funktionieren gut? Unter anderem haben wir hier mit dem ROTI (Return of Time Invested)-Score gearbeitet: Wie ergiebig war das Meeting im Vergleich zur Zeit, die dafür aufgewendet wurde? Der durchschnittliche ROTI-Score der imAG lag bei vier von fünf möglichen Punkten.

Erfolge: ein Lern- und Vertrauensraum

Unsere Beobachtung ist, dass durch die Etablierung von festen Formaten, der Einrichtung eines Vertrauensraums und dem Teamgefühl der Teilnehmenden sich die imAG als einge­spielte Gruppe gefunden hat. Eine Hürde der Gruppe war zuvor, dass die Referent:innen nicht stetig und falls doch oft nur in Vertretung teilgenommen haben. Allerdings hat sich seit den Auftaktworkshops eine feste Kerngruppe herausgebildet, die kontinuierlich an den Sitzungen teilnimmt. Zusammen mit den etablierten Formaten der imAG gelingt es so, auch neue Teilnehmer:innen schnell in den gemeinsamen Vertrauensraum einzuführen und für diese Form der Zusammenarbeit zu gewinnen.

Durch die Beständigkeit hat sich die Runde außerdem getraut, mit uns neue Methoden wie den Spannungsspeicher kennenzulernen und für sich zu nutzen. Für eine weitere Auswertung haben wir die Beteiligten in einer Umfrage um ein Fazit gebeten. Dabei kamen folgende Erfolge zum Vorschein:

  • 91 % empfinden die imAG als einen neutralen Lernraum für ressortübergreifenden Austausch.
  • 100 % empfinden die imAG als Vertrauensraum, in dem sie sich mit anderen Koordi­nierungsreferent:innen zu Problemen und Herausforderungen austauschen können.
  • 91 % bestätigen, dass sie, die anderen Koordinierungsreferate und der DigitalService in der imAG eine konstruktive Lernkultur etabliert haben.

Das Etappenziel, einen ersten Lern- und Vertrauensraum ressortübergreifend aufzubauen, haben wir damit erfüllen können. Allerdings haben wir auch Aspekte kennengelernt, in denen noch Potenzial besteht:

  • 66 % konnten das Gelernte (z. B. Arbeitsweisen, inhaltliche Themen …) in ihrer Arbeit im Rahmen der Digitalstrategie anwenden.
  • 58 % haben in der imAG neue/andere Arbeitsweisen kennengelernt, welche die ressortübergreifende Zusammenarbeit verbessern.

Diese Erkenntnisse werden in die Gestaltung der kommenden imAGs einfließen. Auch für uns sind sie in unseren nächsten Vorhaben im Rahmen der Digitalstrategie wichtige Learnings.

Autorin Kannika steht vor einem Whiteboard, das als Spannungsspeicher dient.

Fazit und nächster Fokuspunkt

Die Moderation der interministeriellen Arbeitsgruppe hat uns gezeigt, dass es praktisch möglich ist, einen wertfreien ressortübergreifenden Lernraum für die Zusammenarbeit der Ministerien im Rahmen der Digitalstrategie aufzubauen, der von einer positiven und transparenten Fehler- und Lernkultur geprägt ist. Für Hürden, die immer wieder auftauchen, wenn Ministerien oder fachfremde Ressorts zusammenarbeiten wollen, haben wir erste Lösungsansätze gefunden. Jetzt übergeben wir die Moderation an das BMDV – bleiben aber weiterhin selbst Teilnehmende der interministeriellen Arbeitsgruppe. So können wir effektiv dazu beitragen, dass der Wissens- und Erfahrungsaustausch mit anderen Bereichen der Digitalstrategie, in denen wir künftig unterwegs sind, gewähr­leis­tet ist. Wir werden nämlich fortan auf anderer Ebene der Digitalstrategie ansetzen:

Wir werden im Folgenden „Leuchtturmprojekte“ der Digitalstrategie konkret in ihrer Umsetzung begleiten. Denn die Mitglieder der imAG sind alle in „Koordinierungsreferaten“ der jeweiligen Bundesministerien verortet. Das bedeutet, dass bei ihnen die verschiede­nen Maßnahmen der Digitalstrategie zusammenlaufen, sie diese überblicken und darüber berichten. Nun wechseln wir in die Ebene dahinter: zu den Umsetzenden der einzelnen Projekte. Wir werden gemeinsam mit dem Beirat der Digitalstrategie und dem BMDV die 19 Leuchtturm­pro­jekte aus allen Ministerien in ihrer Umsetzung begleiten. Alle Leuchtturmprojekte werden in fünf Cluster aufgeteilt. Jedes Leuchtturmprojekt nimmt an einem der Cluster teil. Die Cluster bilden „Vertrauensräume“, in denen die Projektverantwortlichen unterei­nander sowie mit Expert:innen aus dem Beirat und dem DigitalService ins Gespräch kommen. Dadurch wollen wir mehr Vernetzung untereinander und das gemeinsame Lernen mit- und voneinander fördern. Der Ansatz soll – wie in der imAG auch – nutzerzentriert und ressortübergreifend funktionieren.

Wir hoffen, mit unseren Methoden auch hier die Zusammenarbeit voranzubringen und Hürden abzubauen. So kann die Digitalstrategie insgesamt in ihrer Umsetzung positiv beeinflusst werden. Über das konkrete Vorgehen berichten wir im nächsten Blogartikel.


Portrait picture of the author Kannika Thaimai

Kannika Thaimai

joined DigitalService in June 2023 as Senior Transformation Manager. Previously, as Program Lead at the NGO Wikimedia, she was responsible for various innovation and transformation formats to promote open-source software and open data projects and initiatives. Kannika loves to design creative exchange and learning environments where trust, connection (human-to-human / human-to-environment), and playfulness are as important as content. After work, she enjoys relaxing by cooking and exploring the “near and far world” with her family in her self-built bus.


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