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Drei Menschen, zwei Frauen und ein Mann, mit helleren Hauttönen sitzen vor einer Leinwand und Zuhörenden und schauen einander an – um sie herum hängen Poster auf denen in englischer Sprache steht: „Neue Ansätze im öffentlichen Sektor“ – und „Tue Dinge im Offenen“

Communitys of Practice: Katalysatoren effektiver Verwaltungs­transformation

Menschen, die Verwaltungstransformation vorantreiben, brauchen Austausch, müssen einander um Rat fragen können und von den Erfahrungen anderer lernen dürfen. Gemeinsam können sie die zahlreichen Herausforderungen, die die digitale Transformation der Verwaltung mit sich bringt, besser und schneller angehen.

Daher engagiert sich der DigitalService von Anbeginn an in verschiedenen Communitys of Practice – um von anderen zu lernen, zu teilen und um zusammenzuarbeiten. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über unsere verschiedenen Aktivitäten.

Was Communitys of Practice leisten

Communitys of Practice sind Austauschplattformen für Praktiker:innen. Sie bieten ein Forum mit passenden Formaten, um Austausch auf geschützte und vertrauliche Weise zu ermöglichen. Menschen, die sich mit einem gleichen Themenfeld auseinandersetzen oder ähnliche Dinge versuchen anzugehen, kommen in den Dialog. Über regelmäßige Interaktionen lernen sie voneinander. Communitys fungieren als lebendiges Curriculum und gehen dennoch weit über das Lernen hinaus. Sie helfen den Teilnehmenden, einander zu unterstützen, Arbeitspraktiken weiterzuentwickeln, Disziplinen voranzutreiben, Motivation zu spenden sowie organisationsübergreifende Verbindungen aufzubauen.

Schon seit seiner Gründung engagiert sich der DigitalService aktiv in lokalen, nationalen und internationalen Communitys of Practice. Da die Digitalisierung der Verwaltung eine Generationenaufgabe ist und an einer Vielzahl von Projekten parallel gearbeitet wird, profitieren wir und alle anderen, die sich an Communitys beteiligen. Wir können die zahlreichen kleinen und größeren Fortschritte festhalten und einander um Rat fragen, anstatt abgeschieden voneinander das Rad regelmäßig neu zu erfinden.

International lernen und Gelerntes teilen

Über die Grenzen Deutschlands hinaus bringen wir uns in der „International Design in Government“-Community ein, die schon seit 2017 Verwaltungsmitarbeitende aus allen Teilen der Welt zusammenbringt. Mehr als 3.500 Kolleg:innen aus über 70 Ländern sind mittlerweile involviert.

Gemeinsam mit Kolleginnen des britischen Government Digital Service organisieren und veranstalten wir im Rahmen dieser internationalen Community regelmäßige Austauschformate mit Vorträgen und Diskussionsrunden. Allein in den vergangenen 18 Monaten präsentierten dort unsere Fachkolleg:innen aus Frankreich, Italien, Israel, Niederlande, Schottland, der Schweiz, Singapur, Spanien, den USA, dem Vereinigten Königreich, Wales und Zypern ihre Projekte. Mitglieder der Community berichteten etwa von ihrer Arbeit an digitalen Zertifikaten, an mehrsprachigen Services oder Verwaltungstransformation unterschiedlicher Lebenslagen.

Die Themenspannweite des DigitalService ist groß und zeigt, wie viele Themen im Rahmen der „International Design in Government“-Community relevant sein können. So präsentierten wir seit 2020 unter anderem das Tech4Germany Fellowship und Initiativen rund um die COVID-19-Pandemie, aber auch unsere Kommunikationsmodelle und wie wir beim DigitalService offen arbeiten.

Auch unsere Kolleg:innen aus dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) teilten in den vergangenen Jahren mehrfach ihre Arbeitsstände in den internationalen Calls – so sprachen sie 2020 über ihre Arbeit am deutschen Servicestandard und 2021 zu den darauf basierenden Servicestandard-Selbstaudits. Letzteres inspirierte wiederum Kolleg:innen aus Zypern, die Idee von Deutschlands Servicestandard-Fragebögen zu übernehmen. Diesen Sommer präsentierte neben Kolleg:innen aus den Niederlanden und Schweden eine Mitarbeiterin der Bundesdruckerei ihre Arbeit an digitalen Zertifikaten und europäischen Kooperationen zu digitaler Identität.

Formate wie diese lassen uns Arbeitspraktiken und -prinzipien voneinander lernen. Sie geben uns hilfreiche Referenzpunkte und oftmals sofortige Inspiration, eine Sache auszuprobieren oder mal anders anzugehen.

Eine Gruppe von Menschen in einem modernisierten Raum mit farbigen Wänden – sie alle sitzen auf Holzbänken und blicken auf eine blonde Frau, die neben einem Bildschirm steht und zu ihnen spricht

Senior Product Managerin Carolin Bednarz spricht in Paris vor internationalen Kolleg:innen über ihre Arbeit an digitalen Identitäten.

Über die vergangenen Jahren haben wir ein starkes internationales Verwaltungsnetzwerk geschaffen. Bei dem ist nicht nur der Austausch über regelmäßige orts- und zeitzonenübergreifende Videotelefonate, sondern ebenso von Angesicht zu Angesicht wichtig. So luden die Kolleg:innen des französischen beta.gouv.fr-Programms im Oktober 2022 zu einem zweitägigen internationalen Seminar nach Paris ein. Vom DigitalService nahmen aus unseren Delivery-Disziplinen Designer:innen, Produktmanager:innen und Softwareentwickler:innen teil. In Impulsvorträgen, Barcamp-Workshops und Diskussionsrunden entschieden die sechs teilnehmenden Nationen gemeinsam, welche Inhalte gerade Priorität haben. Wir diskutierten für uns relevante Themen wie Wirkungsmessung, Komponentenbibliotheken oder Sicherheit in iterativer Entwicklung. Schnell merkten wir, wie viele Schnittmengen wir haben und wie häufig wir ähnlichen Fragen begegnen oder gar versuchen, identische Probleme zu lösen.

Vernetzung auf deutscher Verwaltungs­ebene mit NExT

Deutschlands Verwaltung hat mit dem NExT-Netzwerk aus sich selbst heraus eine einzigartige Struktur geschaffen, um Mitarbeitende aus allen Organisationen der öffentlichen Hand zusammenzubringen. Das über hierarchische und föderale Ebenen hinweg und frei von externen Berater:innen, die kommerzielle Interessen verfolgen.

NExT betreut und fördert den verwaltungsübergreifenden Austausch durch eine ganze Reihe an Formaten: Community-Treffen, Vortragsserien, Barcamps sowie Werkstätten für Arbeitsgruppen.

Der DigitalService unterstützt die Aktivitäten von NExT seit Jahren sowohl operativ als auch strategisch. So teilt die Geschäftsstelle von NExT das Büro mit uns und im letzten Jahr half unsere damalige Chief of Staff Sonja Anton der Geschäftsstelle beim Erarbeiten von zentralen Positionspapieren und Förderanträgen.

Insbesondere in der Etablierungsphase der Fellowship-Programme Work4Germany und Tech4Germany war die Struktur von NExT für uns essenziell, um durch die 4Germany-Community den Austausch zwischen aktuellen und ehemaligen Teilnehmenden aus der Verwaltung zu fördern. In regelmäßigen Formaten konnten Mitglieder um Rat fragen und einfacher in Kontakt bleiben – auch über einzelne Jahrgänge hinaus.

Nach einem erfolgreichen Auftakt mit dem Format „What’s NExT?“ Anfang Juli mit knapp 70 Teilnehmenden starten wir in den kommenden Wochen im September eine neue Community of Practice zu nutzerzentriertem Design. Gemeinsam mit Maria Formisano, Servicedesignerin der Deutschen Rentenversicherung Bund, und mithilfe der etablierten NExT Strukturen entwickelten wir in den vergangenen Monaten den inhaltlichen und organisatorischen Rahmen. Dies geschah mithilfe der Community Canvas, einem klar gegliederten Modell, das hilft, die Identität und Struktur der Community sowie die angestrebten Erfahrungen, die Mitglieder haben sollen, zu definieren. Am Anfang stand die Erkenntnis, dass es zwar mehr Designer:innen und User-Researcher:innen im öffentlichen Sektor gibt als je zuvor – aber ihre wichtige und wertstiftend Arbeit oft nicht einfach ist oder gut verstanden wird. In einem geschützten Raum soll die neue Communitys of Practice zu nutzerzentriertem Design erlauben, offen über unsere Arbeit zu sprechen, Erfahrungen auszutauschen, miteinander zu lernen, einander zu unterstützen und Dinge gemeinsam zu bearbeiten.

Meetups für Dialog mit der Öffentlichkeit

Ebenso wichtig wie der Austausch mit Verwaltungskolleg:innen ist der Dialog mit Bürger:innen und der interessierten Öffentlichkeit. So ist der DigitalService regelmäßig auf populären Konferenzen wie der re:publica oder dem Tag der offenen Tür der Bundesregierung präsent. Auch auf Meetups zu nutzerzentriertem Design für Verwaltungsservices und Servicedesign für bessere Gesetzgebung waren wir vertreten. Das sind jedoch jährliche oder einmalige Veranstaltungen, die uns keinen fortwährenden Austausch erlauben. Daher startete der DigitalService Ende April 2023 eine neue lokale Meetup-Serie: „Öffentliches Gestalten – shaping public sector’s future“. Angelegt als offenes, öffentliches und regelmäßiges Abendformat gibt es hier Einblick in die Arbeit von Organisationen der öffentlichen Hand und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, die eng mit der und für die Verwaltung arbeiten.

Im April präsentierten wir beispielsweise unsere Arbeit am Online-Service „Grundsteuererklärung für Privateigentum“. Im Anschluss hörten wir vom CityLAB Berlin über deren Arbeit mit verschiedenen Bürgerämtern und von Liquid Democracy zur Entwicklung von Berlins Beteiligungsplattform. Alle Vorträge sind aufgezeichnet und auf YouTube verfügbar. Das Meetup ist in englischer Sprache, um einen möglichst großen Kreis an Teilnehmenden zu erreichen. Für diese Entscheidung erhielten wir ausgesprochen positives Feedback.

Knapp ein Dutzend Zuhörende verschiedener Altersgruppen und Ethnien sitzen in einem Raum mit Glas und Holzvertäfelung – im Zentrum des Bildes sitzt eine südostasiatische Frau mit Sonnenbrille im Haar

Zwei Monate später, während des Creative Bureaucracy Festival im Juni, organisierten wir beim und mit dem CityLAB Berlin das zweite Meetup. Da zahlreiche internationale Kolleg:innen in der Stadt waren, richteten wir unseren Blick auf grenzüberschreitende Herausforderungen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Es kamen über 60 Personen, mehr als dreimal so viele schauten seitdem die Aufzeichnungen der Beiträge.

Auch aus Recruiting-Sicht zahlen sich solche Veranstaltungen aus: Beim ersten Meetup war ein Teilnehmender gerade im Bewerbungsverfahren und nutzte die Gelegenheit, um den DigitalService, die Menschen und das Büro besser kennenzulernen – er arbeitet mittlerweile bei uns.

Wert­schöpfung durch Austausch und Kontakt

Unsere langfristigen Community-Aktivitäten helfen uns, unsere Arbeit besser, effektiver und schneller zu machen. So erfuhren wir auf der letzten NExT-Herbstkonferenz von einem Kollegen auf Landesebene von einem gemeinnützigen Dienstleister mit Spezialisierung auf Barrierefreiheit, bei dem Menschen mit Behinderung als Expert:innen tätig sind. Wir nahmen Kontakt auf und arbeiten nun zusammen. Im Gespräch mit unseren französischen Kolleg:innen in Paris lernten wir, dass sie eine zentrale Servicekomponente von Kanada übernommen und für den europäische Rechtsraum angepasst hatten. Diese probierten wir in Folge aus.

Überdies helfen uns Communitys of Practice dabei, insbesondere die Punkte 10 und 11 des vom BMI herausgegebenen Servicestandard zu effektiver verwaltungsübergreifender Zusammenarbeit besser zu erfüllen. Sie erweitern unser Netzwerk in verschiedene Teile der deutschen Verwaltung, sodass wir derzeitig im Austausch mit einigen Organisationen sind, um über externe Service-Reviews entlang des Servicestandards zu sprechen. Mit konstruktiv-kritischem Feedback von außen für in der Entwicklung befindliche Angebote kann unser Engagement in Communitys of Practice also die Qualität unserer Projekte verbessern.

Die genannten Communitys haben unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen: Das nächste lokale und öffentliche Meetup in Berlin ist für September geplant. Über die Meetup-Seite können sich Interessierte für die Veranstaltungsserie anmelden, um vom nächsten Event zu erfahren. Verwaltungsmitarbeitende und Mitarbeitende von Organisationen der öffentlichen Hand können sich in der NExT-Community zu nutzerzentriertem Design beteiligen und über die Seite zu einem Verteiler anmelden. Zudem wollen wir zusammen mit dem Zentrum für Digitale Souveränität im Herbst testen, welches Interesse es an einer Community zu Open-Source-Entwicklung gibt. Mehr Informationen zur internationalen Design in Government-Community gibt es auf deren Seite sowie auf dem Design-Blog der britischen Verwaltung. Darüber hinaus ist der DigitalService auch in der zweiten Jahreshälfte wieder auf verschiedenen Fachkonferenzen in Deutschland und international vertreten und anzutreffen. Wir freuen uns auf einen Austausch dort – oder gleich hier im Kommentarfeld!


Portrait Foto des Autors Martin Jordan

Martin Jordan

arbeitet als Head of Design & User Research beim DigitalService. Zuvor war er für über sechs Jahre als Head of Service Design im Cabinet Office in London tätig. Dort trieb er beim Government Digital Service die digitale Transformation der britischen Verwaltung und ihrer Verwaltungsdienstleistungen voran. Auch verantwortete er den britischen Servicestandard und das GOV.UK Service Manual. Martin ist leidenschaftlicher Bahnreisender. In den vergangenen Monaten fuhr er mit dem Zug von Berlin nach Edinburgh in Schottland und Barcelona in Spanien. Als Nächstes stehen Schweden und Süditalien auf der Reiseroute.

Porträtfoto des Autors Christian Kaatz

Christian Kaatz

ist Head of Engineering beim DigitalService. Während seines Studiums hat er Stadtpläne in Äthiopien angefertigt, bevor er dann bei Nokia und HERE unter anderem in den Bereichen Data Engineering, Backend und APIs tätig war. Christian ist Papa von zwei Kindern und nutzt jede freie Minute, um mit ihnen gemeinsam die Natur zu entdecken – gerne auch in den Gemeinschaftsgärten auf dem Tempelhofer Feld.