Das Rechtskonstrukt hinter Work4Germany
Das Work4Germany Fellowship-Programm startet im September 2023 in die vierte Runde. Immer wieder wird uns die Frage gestellt, wie es (rechtlich) überhaupt möglich ist, Expert:innen als Fellows für einen begrenzten Zeitraum in Bundesministerien zu entsenden.
Die Bezeichnungen „Fellow“ und „Fellowship“ sind nicht zufällig gewählt, sondern orientieren sich an einem in der Wissenschaft und Forschung etablierten Modell zum interdisziplinären Erfahrungsaustausch. Fellows sind in diesem Fall erfahrene Wissenschaftler:innen und/oder Expert:innen für bestimmte Themen, die für einen begrenzten Zeitraum ihr Wissen und ihre Erkenntnisse anderen Organisationen durch die Mitarbeit an Projekten zur Verfügung stellen.
Andere Länder, wie zum Beispiel die USA mit den „Presidential Innovation Fellows“, nutzen bereits seit Jahren die Begriffe Fellow und Fellowship ganz konkret für den Wissenstransfer zwischen Privat- und öffentlichem Sektor.
Mit Work4Germany knüpfen wir an diese Tradition an und setzen so auf ein bewährtes Modell. Ein weiterer Vorteil: Die Bezeichnungen sind in der deutschen Verwaltung neu und noch vollkommen unbesetzt. Damit bieten sie die Chance, in der deutschen Verwaltungslandschaft zu verdeutlichen, dass sich sowohl hinter dem Fellowship-Programm an sich als auch hinter der Rolle der Fellows etwas Neues verbirgt.
Das Fellowship grenzt sich dabei begrifflich ganz bewusst von bekannten und oft genutzten Konstrukten wie der Hospitanz ab. Hospitant:innen haben eine beobachtende, lernende und eher passive Rolle, werden nicht bezahlt und arbeiten rein inhaltlich. Der Auftrag unserer Fellows soll ein anderer sein. Wir haben uns also zunächst gefragt, was wir mit dem Fellowship erreichen möchten und wie dies abgebildet werden könnte. Die Antworten auf diese Fragen haben auch Auswirkungen auf das zugrunde liegende rechtliche Konstrukt.
Was wollen wir mit dem Fellowship erreichen?
Das Ziel von Work4Germany ist ein interdisziplinärer Wissenstransfer: Wir bringen Fellows mit Methodenkompetenz und Transformationserfahrung aus der Privatwirtschaft mit Verwaltungsmitarbeitenden zusammen. Das klare Ziel ist eine gemeinsame Weiterentwicklung der Arbeitskultur in der öffentlichen Verwaltung. Innovative Teamarbeit soll mithilfe des Fellowships in bereichsübergreifenden Projekten standardisiert und so die Modernisierung der Verwaltung unterstützt werden.
Was wollen wir mit Work4Germany erreichen und wie können wir dieses Ziel am besten erreichen? Diese Frage stellt sich unser Fellowship-Team nach jedem Jahrgang erneut.
Genauer heißt das: Zwischen Fellows und den an konkreten Projekten beteiligten Verwaltungsmitarbeitenden soll eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe stattfinden. Die Fellows sollen nicht wie Externe, beispielsweise klassische Berater:innen, betrachtet und in strikt abgesteckten Bereichen zu Rate gezogen werden. Vielmehr sollen sie in Projektinhalte, Teamstrukturen und -abläufe eingegliedert und eingebunden werden, um einen echten Austausch zu ermöglichen und einen damit verbundenen Mehrwert zu schaffen. Das bedeutet auch, dass wir als DigitalService während der sechs Monate des Fellowships so wenig inhaltlichen Einfluss auf die Zusammenarbeit zwischen Fellows und ihren Partner:innen im jeweiligen Ministerium ausüben wie möglich. Die Fellows stecken gemeinsam mit ihren Partner:innen diejenigen Themen und Bereiche ab, in denen sie am besten wirken können.
Während wir uns im Rahmen des eigentlichen Projekts inhaltlich wie beschrieben zurückhalten, schaffen wir durch die gezielte Auswahl unserer Fellows sowie deren anschließend passgenauen Zuteilung zu Projekten die Grundlage für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Mit unserer Fellow-Auswahl und der Struktur von Work4Germany möchten wir zeigen, dass die Verwaltung gut daran tut, die Profile ihrer Mitarbeitenden zu diversifizieren und neue Kompetenzen aufzunehmen. Die Fellows, die wir auswählen, erfüllen nicht notwendigerweise die formalen Kriterien und die fachlichen Anforderungen, die eine übliche Stellenausschreibung in einem Bundesministerium fordert. Vielmehr finden wir über die praktische Arbeitserfahrung und die Besprechung von Fallstudien heraus, ob Bewerber:innen die gesuchten Kompetenzen mitbringen und diese auch in ihrem Werdegang bereits erfolgreich unter Beweis gestellt haben. Durch unser kompetenzbasiertes Auswahlverfahren ermöglichen wir, dass „andere“ Profile in der Verwaltung ihren Mehrwert beweisen können – unabhängig von ihren formalen Abschlüssen und ihren fachlichen Qualifikationen.
Das rechtliche Konstrukt hinter Work4Germany
Ende 2019 haben wir mithilfe der Kanzlei Altenburg verschiedene Optionen der arbeitsrechtlichen Gestaltung für das Fellowship-Programm durchgespielt.
Wir wollten unsere unkonventionelle Idee und die damit verbundenen vielseitigen Bestrebungen des Fellowships rechtssicher und interessengerecht abbilden und umsetzen. Wir wollten die Auswahl der Fellows übernehmen, die Fellows für ihren Einsatz entsprechend vergüten, gleichzeitig aber gewährleisten, dass die Fellows vollständig eingebunden sind in die konkreten Themen und Projekte des jeweiligen Bundesministeriums. Eine gängige Variante einer Eingliederung Externer in die Verwaltung – die unentgeltliche Hospitation – haben wir dabei rasch ausgeschlossen. Für uns war klar, dass wir die Fellows für ihren Vollzeit-Einsatz angemessen entlohnen möchten. Nur so können wir die erfahrenen Berufsprofile ansprechen, die wir für die Mission Verwaltungstransformation brauchen.
Unsere Fellows werden von uns sorgfältig und gemeinsam in einem insgesamt dreistufigen Bewerbungsverfahren ausgewählt.
Unser Wunsch, die Fellows für die Dauer des Fellowships vollständig in den Ministeriumsalltag einzugliedern, schloss zudem die rechtliche Konstruktion über einen Dienstvertrag aus, den man aus der Welt der Beratung kennt. Klassische Berater:innen, die auf Grundlage eines Dienstvertrags tätig werden, werden mit einem vorab definierten, klar abgesteckten Auftrag eingekauft und können aus rechtlicher Sicht darüber hinaus nicht in die eigentliche Organisation eingegliedert werden. Damit schied der Dienstvertrag als Umsetzungsgrundlage unserer Idee aus. Denn wir wollten ja gerade den engen Austausch in der Zusammenarbeit und die Einbettung in den Arbeitsalltag des Ministeriums fördern.
Wir haben uns dafür entschieden, die Fellows beim DigitalService befristet anzustellen und im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in den jeweiligen Bundesministerien einzusetzen. Dieses Konstrukt bildet die Zielsetzung und Bedarfe des Fellowships am besten ab. Wir legen die Auswahlkriterien für die Fellow-Profile fest, um methodische Transformationsleistung erbringen zu können und wählen die Fellows final aus. Gleichzeitig werden die Fellows während ihres Einsatzes in den Ministerien echte Teammitglieder und können mit anderen Ministerialmitarbeitenden auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
Mit Unterstützung der Kanzlei haben wir daher eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bei der Agentur für Arbeit beantragt, die zunächst jeweils auf ein Jahr befristet erteilt wird. Um diese Erlaubnis zu erhalten, müssen wir gewährleisten, dass die hohen Anforderungen an die Vertragsgestaltung und die Inhalte der Überlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) erfüllt sind. Beispielsweise müssen wir sicherstellen, dass die Fellows nach den Bedingungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TvöD) eingruppiert und vergütet werden. Sie müssen denselben wesentlichen Arbeitsbedingungen unterliegen wie die Beschäftigten der Bundesbehörden.
Eine Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn die Arbeitnehmer:innen, hier die Fellows, bei dem Entsender, also uns, angestellt sind und dann für einen begrenzten Zeitraum in eine andere Organisation überlassen werden. Dabei können die zu überlassenen Arbeitnehmer:innen vollständig in die jeweilige Arbeitsorganisation eingegliedert und den Weisungen des Verleihers unterstellt werden – hier den jeweiligen Bundesministerien.
Wie kommen die Fellows anschließend in die Ministerien?
Grundsätzlich haben wir eine Dreierbeziehung zwischen DigitalService, Fellows und Ministerien geregelt.
Die DigitalService GmbH des Bundes hat mit allen am Work4Germany Fellowship-Programm teilnehmenden Ministerien Rahmenverträge geschlossen und damit die grundsätzliche Kooperation rechtlich geregelt. Die Fellows gehen ein befristetes Arbeitsverhältnis mit dem DigitalService ein und werden für den gesamten Zeitraum des Vertrages – also für die sechs Monate des Fellowships – an ein Ministerium überlassen. Für jede:n Fellow wird zwischen uns und dem jeweiligen Bundesministerium eine Überlassungsvereinbarung geschlossen, die unter anderem die individuellen Informationen über die Eignung und Qualifikation der Fellows sowie Einsatzreferat und Projektthema enthält.
Die Überlassung der Fellows gilt personalvertretungsrechtlich als Einstellung, sodass die Personalräte der jeweiligen Ministerien beteiligt werden. Während des Fellowships sind die Fellows als überlassene Arbeitnehmer:innen funktional und organisatorisch in die Abläufe der Ministerien eingegliedert.
Wie die Ministerien zur Arbeitnehmerüberlassung stehen
Tatsächlich gab es 2020 kurzzeitig die Diskussion, ob wir den Beginn des Fellowships aufgrund einer allgemeinen Skepsis einzelner Bundesministerien gegenüber der Arbeitnehmerüberlassung um ein Jahr verschieben müssen. Der Skandal um den Missbrauch von Werk- und Leihverträgen in der Fleischindustrie sowie das allgemein gezeichnete Bild der Arbeitnehmerüberlassung als prekäres Arbeitsverhältnis waren eine echte Herausforderung.
Entsprechend mussten wir im ersten Jahr intensive Überzeugungsarbeit leisten. Richtig angewandt, regelt die Arbeitnehmerüberlassung die rechtlichen Rahmenbedingungen für alle Beteiligten fair und gerecht. Denn die Fellows erhalten gegenüber den Angestellten im Ministerium keinen Nachteil, sondern sind diesen in allen wesentlichen Arbeitsbedingungen rechtlich gleichgestellt.
Die Agentur für Arbeit prüft jährlich im Rahmen unseres Antrags auf Verlängerung unserer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis die Einhaltung der wesentlichen Arbeitsbedingungen. Sie prüft die Vertragsinhalte und fordert die Vorlage von Dokumenten und Dokumentationen wie beispielsweise der Einhaltung von Arbeitszeiten. Gegenüber den Ministerien weisen wir entsprechend jährlich nach, dass uns eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis für ein weiteres Jahr vorliegt.
Pilotjahrgang zeigt: Es funktioniert!
Der Work4Germany Pilotjahrgang 2020 hat uns enorm geholfen, letzte Überzeugungsarbeit für das von uns gewählte Konstrukt zu leisten. Gleichzeitig hatten wir vereinbart, gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zu evaluieren und zu hinterfragen, ob es auch langfristig die zu wählende Lösung ist. Wir haben die verschiedenen Optionen nochmals aufgerollt und geprüft. Im Ergebnis hat sich nach der erfolgreichen Pilotierung gezeigt, dass die Arbeitnehmerüberlassung auch dauerhaft der richtige Weg ist. Durch sie schaffen wir einen rechtlichen Rahmen, in dem die Fellows fair, gleichwertig und vollkommen auf Augenhöhe neue Wege gemeinsam mit ihren Projektpartner:innen gehen können.
Unser Fellowship-Team hat durch seinen Einsatz die Arbeitnehmerüberlassung nicht nur möglich gemacht, sondern auch bewiesen, dass es funktioniert!
Zwar besteht auf vielen Seiten (Er-)Klärungsbedarf und die regulatorischen Hürden für eine Arbeitnehmerüberlassung sind hoch, aber durch unseren Weg besteht eben auch die Möglichkeit, mit einem neuen Format neue Wege zu gehen und neue Rollen einzuführen.
Im Herbst 2023 haben wir den dritten Fellowship-Jahrgang erfolgreich beendet und dreimal in Folge eine Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erhalten. Im vierten Jahr durften wir eine unbefristete Erlaubnis beantragen und warten nun auf die offizielle Bestätigung dieser unbefristeten Verlängerung.