
Neustart für den digitalen Staat? Was eine neue Regierung tun kann
Ein Beitrag von Christina Lang, CEO des DigitalService, nach der Bundestagswahl 2025.
Die vergangenen Wochen des Wahlkampfes haben mich immer wieder nachdenklich gestimmt: Wie gelingt es uns, die Digitalisierung Deutschlands und die dringend notwendigen Reformen im Staat zu einer echten politischen Priorität zu machen? Wie schaffen wir eine positive, dem Gemeinwohl verpflichtete Radikalität?
Ein Blick über den Atlantik reicht, um zu sehen, was passiert, wenn Reformbedarfe ignoriert werden: Externe Akteure stellen das System mit disruptivem – manche sagen auch zerstörerischen – Vorgehen infrage.
Jetzt nach der Bundestagswahl lautet für mich daher die entscheidende Frage: Gelingt es uns, unseren Staat aus eigener Kraft zu modernisieren?
Eine neue Bundesregierung hat jetzt die Chance, entscheidende Weichen für einen modernen, digitalen Staat zu stellen. Sie kann auf die Vorarbeit der parteiübergreifenden Fachcommunity aufbauen und damit die Verwaltungsdigitalisierung gezielt vorantreiben. Gut gemacht, wird der Staat wieder handlungsfähig, das Vertrauen der Bürger:innen in die Demokratie wächst, die Wirtschaft wird von übermäßiger Bürokratie entlastet – und die Verwaltung funktioniert alltagstauglich.
Was es dafür jetzt braucht:
Zeit für klare Zuständigkeiten
Die vergangene Legislaturperiode hat deutlich gemacht: Ohne gebündelte Zuständigkeiten der Digitalisierung fehlt es an klarer Steuerung. Verschiedene Aspekte der Digitalisierung waren verteilt auf mehrere Ministerien, Projekte liefen isoliert, es gab wenig Unterstützungsangebote und Fortschritte ließen sich nur schwer messen. Deshalb braucht es in der neuen Legislaturperiode eine zentrale Steuerung und eine starke Stimme für die Digitalisierung – direkt am Kabinettstisch. Ein Digitalministerium kann genau diese Rolle übernehmen. Mit klarer politischer Verantwortung kann ein solches Ressort ein echtes Zielbild und eine kohärente Strategie für einen digitalen Staat entwickeln, ambitionierte Ziele festlegen und verbindliche Standards sowie Richtlinien durchsetzen.
Um die Handlungsfähigkeit zu erhöhen, braucht das Ministerium Steuerungsinstrumente, denn Digitalisierung bleibt ein Querschnittsthema. Dazu gehören ein eigenes Digitalbudget sowie die Möglichkeit, Ausgaben für die Digitalisierung gezielt zu steuern – mit Blick auf die Einhaltung von Standards und die Ausrichtung an einem gemeinsamen Zielbild. Dadurch lassen sich auch Redundanzen und Mehrfachentwicklungen vermeiden. Eine Mittelvergabe muss sich nach messbaren Kennzahlen, Meilensteinen und wirkungsorientierten Zielvorgaben richten.
Wo fachliches Know-how aufgrund der Anwendendennähe entscheidend ist – etwa bei ressortspezifischen Services oder Portalen – sollen weiter die Fachministerien die Umsetzung verantworten. Damit das in der Breite der Regierung besser funktioniert, braucht es kluge Unterstützungsangebote aus dem Digitalressort. Eine Digital-Taskforce, die interdisziplinäre Teams für politisch wichtige Vorhaben in die Ministerien entsendet, kann die Umsetzung dort schnell und schlagkräftig unterstützen.
Mehr Power für die Umsetzung
Politische Verantwortung ist entscheidend – doch ebenso wichtig ist die richtige Umsetzungspower. Oder wie wir beim DigitalService sagen: Veränderung kommt von Machen. Eine zentrale Digitalagentur für die Digitalisierung kann das leisten: Sie bringt die Vision eines digitalen Deutschlands zum Leben und übernimmt dazu auch die kritische Evaluation bestehender Digitalisierungsprogramme. Die Digitalagentur steuert die Umsetzung der wesentlichen Digitalprogramme entlang der definierten Standards und stellt ressortübergreifend bestimmte Plattform- und Infrastruktur-Angebote skalierbar bereit. Sie schafft außerdem den Aufbau erforderlicher Digital- und Beschaffungskompetenzen und bietet diese als Serviceangebote für alle Ressorts an.
Um das erfolgreich zu tun, benötigt es sowohl im Digitalministerium als auch im nachgelagerten Bereich die richtigen Menschen. Ich schrieb dazu kürzlich: Wir brauchen Tech-Expertise statt Tech-Milliardäre in der Verwaltung. Wir müssen gezielt die besten Expert:innen und kreativen Köpfe für die Verwaltung gewinnen. Dafür braucht es eine moderne Arbeitskultur, agilere Prozesse und flexiblere Karrierewege, um die Arbeit in der Verwaltung attraktiv zu machen.
Beim DigitalService setzen wir das seit fast fünf Jahren um – mit mehr Gestaltungsfreiheit, interdisziplinären Teams und einer technologiegetriebenen Arbeitsweise gewinnen wir Menschen aus der Start-up- und Tech-Welt, aus der Privatwirtschaft und von IT-Fakultäten. Denn eines ist klar: Viele Menschen wollen an der Zukunft unseres demokratischen Staates mitwirken und einen echten gesellschaftlichen Mehrwert schaffen – wenn wir sie lassen.
Vielleicht die letzte Chance, den Mut zu wagen!
Die neue Bundesregierung hat jetzt die Chance, die Weichen für einen digitalen Staat zu stellen, der nicht nur effizienter, sondern auch mutiger, innovativer und zukunftsfähiger ist. Wenn wir veraltete Strukturen hinter uns lassen, klare Verantwortlichkeiten schaffen und entschlossen handeln, können wir eine digitale Verwaltung entwickeln, die den Menschen in Deutschland dient – schnell, einfach und zuverlässig. Vielleicht ist es die letzte Chance. Darum: Packen wir es gemeinsam an!