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An einem Whiteboard sind mehrere Seiten mit Ausdrucken und Notizen befestigt. Drei Personen stehen davor und markieren die aus ihrer Sicht wichtigsten Inhalte mit farbigen Klebepunkten.

Digitalcheck: So entwickeln wir die Beta-Version schritt­weise weiter

Bereits seit Januar 2023 wenden die Legist:innen, die in den Bundesministerien Gesetze, Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften erarbeiten, die Beta-Version des Digitalcheck an. Denn schon im Entstehungsprozess müssen die Anforderungen und Möglichkeiten einer digitalen Umsetzung mitgedacht werden, damit neue Regelungen später tatsächlich digitaltauglich sind.

Zu Zielsetzung und Wirkweise des Digitalcheck hatten wir bereits in zwei Blogbeiträgen im Dezember 2022 („Digitalcheck – Durch eine digitaltaugliche Gesetzgebung die Voraussetzungen für einen digitalen Staat schaffen“) und Januar 2023 („Digitalcheck: Fünf Prinzipien für digitaltaugliche Gesetze“)informiert. In diesem Beitrag geht es darum, wie das interdisziplinäre Team aus dem Bundesministerien des Innern und für Heimat (BMI) und dem DigitalService den Digitalcheck weiterentwickelt – und weshalb wir dafür einen iterativen Prozess gewählt haben.

Denn zunächst einmal mag es – gelinde gesagt – untypisch klingen, eine Beta-Version im Rahmen der Gesetzgebung einzusetzen. Warum also sind wir so früh mit einem Minimum Viable Product in den Live-Betrieb gegangen?

Iterative Entwicklung im komplexen Umfeld der Rechtsetzung

Gerade im äußerst komplexen Umfeld der Gesetzgebung ist eine schrittweise Entwicklung sinnvoll: So können wir anhand der konkreten Erfahrungen aus der Anwendung und der Wirkungsweise des Digitalcheck dazulernen und nachjustieren. Denn wir haben es beim Digitalcheck mit vielschichtigen Herausforderungen zu tun:

  • Die eigentlich beabsichtigte Wirkung – mehr und bessere digitale Leistungen beispielsweise in der Verwaltung – erreichen wir mit dem Digitalcheck nur indirekt. Denn wir arbeiten selbst nicht direkt an digitalen Leistungen, sondern wollen die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür schaffen. Wir müssen also die Anforderungen und Rahmenbedingungen des Vollzugs für die digitale Umsetzung ganz unterschiedlicher Rechtsbereiche systematisch in die Gesetzesvorbereitung integrieren.
  • Die Legist:innen, unsere wichtigste Zielgruppe, müssen im Arbeitsalltag schon jetzt mit zahlreichen Anforderungen umgehen und viele weitere Faktoren berücksichtigen. Eine schrittweise gemeinsame Entwicklung und Etablierung des Digitalcheck in ihren Arbeitsalltag ist daher sinnvoller, als ein großes Gesamtpaket am Ende abzuliefern.
  • Der gesamte Gesetzgebungsprozess ist gleichzeitig hoch formalisiert und explizit politisch.

Durch die Beta-Version konnten wir zudem den Legist:innen in den Ressorts rechtzeitig eine erste Version des Digitalcheck zur Verfügung stellen. Denn seit dem 1. Januar 2023 ist der Digitalcheck Teil der Normprüfung, die der Nationale Normenkontrollrat (NKR) für neue Gesetzesvorlagen durchführt.

Hinzu kommt, dass sich der DigitalService prinzipiell einer agilen bzw. iterativen Vorgehensweise verschrieben hat, die in der Software-Entwicklung bereits etabliert ist. Statt im Vorfeld definierte Anforderungen umzusetzen, werden Produkte schrittweise verbessert. Durch die frühere Konfrontation mit der Realität reduziert sich das Risiko, an den Bedürfnissen der Nutzer:innen vorbei zu entwickeln. Gleichzeitig steigen Flexibilität und Effizienz, da schnell auf neue Gegebenheiten reagiert und Irrtümer früh erkannt werden können.

Iteration beim Digitalcheck

Beim Digitalcheck haben wir vom ersten Tag an auf ein schrittweises Vorgehen gesetzt. So lag bereits zwei Wochen nach Projektbeginn eine erste, in Interviews mit Legist:innen und Vollzugsakteur:innen getestete Definition von Digitaltauglichkeit vor, die zudem bereits ressortübergreifend diskutiert und abgestimmt werden konnte.

Eine größere Gruppe sitzt um einen Konferenztisch und diskutiert, am vorderen Ende ist auf einem Bildschirm eine Präsentation zur schrittweisen Weiterentwicklung des Digitalcheck zu sehen.

Dadurch haben alle beteiligten Projektpartner:innen, für die ein solches Vorgehen nicht selbstverständlich war, schnell Vertrauen in die noch ungewohnte Arbeitsweise entwickelt: Es gab rasch greifbare Resultate, und diese konnten zügig an neue Erkenntnisse angepasst und darauf aufbauend optimiert werden.

Nach einem knappen Jahr Arbeit am Digitalcheck sind das Team Digitalcheck aus BMI und DigitalService sowie die eigens für die ressortübergreifende Entwicklung des Digitalcheck gebildete interministerielle Arbeitsgruppe überzeugt von den Vorteilen, die die iterative Arbeitsweise gerade auch im Kontext der besseren Rechtsetzung bietet, und sehen sie als wichtigen Faktor für den Erfolg des Digitalcheck.

Der iterativen Weiterentwicklung des Digitalcheck liegen die Wirkungsziele bis 2025 für zentrale, am Gesetzgebungsprozess beteiligte Zielgruppen – Legist:innen in Bundesministerien, der NKR und Parlamentarier:innen – zugrunde.

Ebenso wichtig sind die konkreten Zielsetzungen für das laufende Jahr, die das Team Digitalcheck gemeinsam mit der interministeriellen Arbeitsgruppe erarbeitet hat. Auf dieser Basis bewerten BMI und DigitalService in monatlichen Strategie-Runden den bisherigen Fortschritt: Sind wir noch auf dem richtigen Weg? Braucht es zusätzliche Aktivitäten, oder sollten wir laufende Tätigkeiten anpassen oder gar beenden, um unsere Ziele sicher zu erreichen? Sollten wir möglicherweise die Ziele selbst noch einmal justieren?

Entwicklungszyklus in vier Schritten

Die Beta-Version des Digitalcheck entwickeln wir vor allem anhand von Erkenntnissen aus der konkreten Anwendung weiter. Die Entwicklungszyklen umfassen jeweils vier Schritte:

Graphische Darstellung des Entwicklungszykluses in vier Schritten als ein sich wiederholender Kreislauf; Die Schritte sind: Daten sammeln, Erkenntnisse analysieren und priorisieren, Annahmen überprüfen und Lösungsideen erarbeiten sowie Gewonnene Erkenntnisse auswerten und dokumentieren

Daten sammeln

Zu den Bedarfen, Herausforderungen und Chancen einer digitaltauglichen Gesetzgebung erheben wir kontinuierlich Daten. Eine wichtige Quelle ist hierfür unsere regelmäßige Evaluation mit Legist:innen und dem Sekretariat des NKR, der für die Überprüfung des Digitalcheck verantwortlich ist. Aber auch konkrete Anfragen an unseren Digitalcheck Support oder Rückmeldungen aus Digitalcheck Workshops mit einzelnen Bundesministerien sowie Tests und qualitative Interviews, nicht zuletzt auch mit dem Vollzug, liefern uns aufschlussreiche Datenpunkte.

Erkenntnisse analysieren und priorisieren

Anschließend sammeln wir alle Erkenntnisse zu Problemen, Herausforderungen und Chancen in unserer Journey Map entlang des Gesetzgebungsprozesses, den wir in der Digitalcheck Service-Landscape abgebildet haben. So gewinnen wir ein gemeinsames Verständnis von Zusammenhängen und möglichen Clustern und können die Bedarfe analysieren und priorisieren: Wo liegen die größten Herausforderungen und Chancen für eine digitaltaugliche Gesetzgebung? Wie erreichen wir die größte Hebelwirkung? Welchen Effekt können wir an einem bestimmten Ansatzpunkt erreichen?

Annahmen überprüfen und Lösungsideen erarbeiten

Sollten wir ein Problem noch nicht vollständig verstehen oder uns zu einem Bedarf noch Input fehlen, überprüfen wir unsere Annahmen durch zielgerichtete Interviews, Tests oder Workshops. Sobald wir jedoch Klarheit und gesicherte Erkenntnisse haben, entwickeln wir erste Lösungsideen und Prototypen, die wir testen und schrittweise anpassen. Sobald wir eine gute Lösung erarbeitet haben, können wir sie in die nächste Version des Digitalcheck integrieren.

Gewonnene Erkenntnisse auswerten und dokumentieren

Aus den unterschiedlichen Tests zu einzelnen Annahmen oder Lösungsansätzen ergeben sich wiederum eine Menge neuer Daten und Erkenntnisse. Diese fließen in unsere Datensammlung ein, und ein neuer Entwicklungszyklus beginnt.

Auf diese Weise wählen wir konkrete Bedarfe aus, erarbeiten Lösungen und evaluieren im Anschluss, ob und wie der Digitalcheck und die jeweils neue Version in der konkreten Nutzung wirken. Zudem können wir die Perspektiven anderer Ressorts über die interministerielle Arbeitsgruppe systematisch einbinden, wo wir unsere Ergebnisse jeweils nach den ersten beiden Schritten zur Diskussion stellen und uns wichtiges Feedback einholen.

Auf einem Tisch liegt ein größeres Poster mit vielen Notizen auf bunten Post-its. Darum gruppieren sich einige Menschen, eine Person spricht und deutet auf einen Bereich des Posters.

Beim Workshop „Update der Gesetzgebung: Auf dem Weg zu einer kollaborativen Gestaltung von Gesetzen“ auf der re:publica 2023 haben wir aktiv Perspektiven aus der Zivilgesellschaft eingeholt.

Ergänzend zu den oben beschriebenen Entwicklungsschritten ist uns auch der Blick über den Tellerrand wichtig. So haben wir den Digitalcheck in den letzten Monaten in größeren Foren wie beispielsweise dem Kongress Digitaler Staat und dem Zukunftskongress vorgestellt und von dort viele inhaltliche Anregungen aus Fachkreisen mitgenommen. Einen eigenen Workshop auf der re:publica haben wir genutzt, um Input von zivilgesellschaftlichen Akteur:innen dazu einzuholen, wie wir die interessierte Zivilgesellschaft mehr einbinden können.

Die neue Rolle der Digitalcheck Dokumentation

In der bisherigen Digitalcheck Version gab es den konkreten Bedarf zur Weiterentwicklung der Dokumentation, die bisher der letzte Schritt der Durchführung des Digitalcheck war und als Grundlage für die Überprüfung durch den NKR dient. Dies haben wir aus unserer Evaluation sowie aus weiteren Interviews und Workshops mit Legist:innen und den Kolleg:innen aus dem NKR-Sekretariat erkannt.

Für Legist:innen bot die bisherige, eher knapp gehaltene Dokumentation noch nicht ausreichend Information und Inspiration. Sie konnten sie nicht nutzen, um ihre Einschätzungen und Entscheidungen inhaltlich und methodisch zu reflektieren, diese nachvollziehbar zu machen und dadurch zur Selbstkontrolle wie auch zur Qualitätssicherung beizutragen. Somit war die bisherige Dokumentation keine ausreichende Diskussionsgrundlage im Austausch mit dem NKR-Sekretariat und nicht die richtige Basis für dessen abschließende Prüfung.

In enger Zusammenarbeit mit dem Sekretariat des NKR und Legist:innen haben wir die Dokumentation daraufhin in fünf Iterationsschritte angepasst und zwei Testrunden mit jeweils vier bis fünf Legist:innen durchgeführt.

Eine Grafik symbolisiert die Weiterentwicklung der Digitalcheck-Dokumentation mit drei stilisierten Papierseiten, die von links nach rechts größer werden und mehr Inhalt enthalten. Die größte Seite ganz links ist durch einen Kreis hervorgehoben. Ein ebenfalls in der Grafik sichtbarer Mauskursor signalisiert, dass die Arbeit noch nicht beendet ist.

In der aktuellen Iteration der Dokumentation erhalten Legist:innen mehr Raum für differenzierte Antworten sowie zusätzliche Hinweise und Ausfülltipps.

Als Resultat ist die Dokumentation nicht mehr allein der abschließende Schritt, den Legist:innen am Ende des Erarbeitungsprozesses angehen. Vielmehr ist die begleitende Dokumentation nun eine verbesserte Hilfestellung für Legist:innen bei der Erarbeitung digitaltauglicher Regelungen.

Die neue Version 1.2 enthält außerdem eine konkretere Anleitung zur Erstellung von Prozess-Visualisierungen anhand eines Flussdiagramms und spezifische Elemente, die bei der Erstellung genutzt werden können. Hinzu kommen der Hinweis „Das prüft der NKR“, die Möglichkeit für differenzierte Antworten und stichpunktartige Ausfülltipps – beispielsweise auf einzelne Paragrafen hinzuweisen, gegebenenfalls auch in anderen Regelungen.

Die aktuelle Version des Digitalcheck haben wir erst vor wenigen Tagen veröffentlicht und alle Änderungen im Versionsverlauf dokumentiert.

Drei Menschen beugen sich über einen Tisch und beraten sich über unterschiedliche Ausdrucke und Notizen.

Zwei Fokusthemen für die nächsten Schritte der iterativen Weiterentwicklung

Nachdem wir – wie oben beschrieben – Daten ausgewertet, Bedarfe und Ansatzpunkte priorisiert und mit allen Projektpartner:innen abgestimmt haben, arbeiten wir für die folgenden Monate an zwei Fokusthemen für die nächste Iteration.

Wir beschäftigen uns auch weiterhin mit dem Thema Visualisierung: Wie können Visualisierung und Modellierung die Praxistauglichkeit neuer Regelungen steigern? Der zweite Schwerpunkt liegt auf Hilfestellungen, die Legist:innen für die Erarbeitung digitaltauglicher Regelungen derzeit noch fehlen, beispielsweise der Zugang zu relevanten Expert:innen.


Portrait Foto der Autorin Katharina Berndt

Katharina Berndt

ist Referentin beim Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) und befasst sich dort seit Anfang 2023 mit dem Digitalcheck. Durch ihren Einsatz für die ebenfalls im BMI beheimatete einheitliche Behördennummer 115 lagen ihr Nutzerzentrierung und Bürgernähe schon zuvor im Blut. Frühere berufliche Stationen als Verwaltungsleiterin der KTH School of Architecture und am Landesrechnungshof Stockholm hatten sie nach Schweden geführt – ein Land, das sie nach wie vor regelmäßig bereist, nicht zuletzt um ihre Vorräte an authentischem Knäckebrot aufzustocken.

Portrait Foto des Autors Dr. Jakob Häußermann

Dr. Jakob Häußermann

verstärkt den DigitalService seit August 2022 als Project Lead. Grundlage seiner Arbeit ist die Überzeugung, dass es für die Handlungs- und Zukunftsfähigkeit unserer Demokratie dringend zeitgemäßere Strukturen und Prozesse bedarf. Dafür hat er sich zuvor bereits als Gründungsmitglied des „Collaborative Governance Lab“ beim BASE, als Fellow bei Work4Germany sowie in der Innovationsberatung bei Fraunhofer und in der Forschung an der TUM School of Governance eingesetzt. linkedin.com/in/jhaeussermann


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