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Interview Product Lead Magdalena

Magdalena Zadara ist Product Lead beim DigitalService. Als studierte Produktdesignerin kombiniert sie nutzerzentriertes Design mit ihrer Erfahrung aus Software-Teams, um digitale Lösungen mit und für die Verwaltung zu entwickeln. Zuvor war sie unter anderem Head of Product beim Start-up Fernarzt und Designerin beim Company Builder BCG Digital Ventures. Ihr erstes Auto war ein Trabi.

„Produktmanage­ment ist ein Spiel der Konsequen­zen.“

Wie würdest Du Deinen Job einem 5-jährigen Kind erklären?

Ich mache, dass Sachen passieren. Unsere Organisation möchte ein bestimmtes Ziel erreichen. Und dafür gibt es ein Team, um die Aufgabe zu lösen. Jede:r davon kann etwas besonders gut. Zum Beispiel malen oder sich was vorstellen. Oder Programmieren. Mein Job ist es, diesem Team an tollen Personen so zu helfen, dass sie gut arbeiten können und wir gemeinsam unser Ziel erreichen. Beim DigitalService nennen wir das Product Lead.

Du hast Deinen Bachelor in Produktdesign am Central Saint Martins College of Art and Design in London gemacht und anschließend Produktdesign und Visuelle Kommunikation in Warschau studiert. Wie blickst Du auf Deine Studienzeit zurück?

Produktdesign ist bei Saint Martins sehr auf Human-Centered-Design ausgerichtet. Ich habe dort unfassbar viel gelernt. Wie passt ein Produkt in ein Ökosystem oder in das Leben der Nutzer:innen? Was genau soll mit einem Produkt erreicht werden? Wir haben fundiert gelernt, aus der Perspektive der Nutzer:innen heraus zu designen. Ich habe auch sehr viel über iteratives Arbeiten gelernt.

Erzähl gerne etwas mehr…

Konsequent iteratives Arbeiten heißt ja auch, viel auszuprobieren und viel zu verwerfen. Die Maxime: keine frühe emotionale Bindung an Ideen oder Prototypen. Der Fokus liegt klar auf dem Ziel. Für mich gibt es eine Schönheit in der Quantität. Gute Ideation funktioniert so: generiere 100 Ideen. Und schmeiß die ersten 10 weg, denn die hatten alle schon mal. Interessant sind Ideen in der Mitte, z. B. 40 bis 60, die haben wir uns immer besonders intensiv angeschaut. Danach wird man müde. Gute Ideen zu entwickeln, das haben wir viel und strukturiert gelernt… Um die erste Idee geht es nicht. Die Umsetzung, das iterative Testen, das Feedback macht eine Idee erst richtig interessant.

Was war Deine bisherige berufliche Reise und was bringst Du von diesen Stationen mit?

Zunächst war ich bei Agenturen wie der Software-Entwicklungsagentur Polidea in Warschau, die von Entwickler:innen gegründet wurde. Da wurde sehr viel Wert auf Software Craftsmanship gelegt. Als UX Designern war das eine tolle Schule, um zu lernen: Wie funktioniert Software? Wie genau wird sie entwickelt? Dann war ich bei BCG Digital Ventures, Tochter der Boston Consulting Group. Da habe ich in meiner Funktion – zunächst als Experience Designerin und dann als Produktmanagerin – viele „ordentliche“ Prozesse sowie den Aufbau von Produkten und Firmen gelernt.

Product Lead Magdalena im Interview

…Du warst auch Head of Product bei Fernarzt…

Genau. Zuletzt war ich beim Start-up Fernarzt. Hier habe ich gelernt, wie und wann es Sinn macht, Prozesse zu brechen und es anders zu machen. Die Frage ist: Wie komme ich zum Ziel? Manche nennen das Entrepreneurial Thinking. Wenn es so aussieht, als würde alles gerade auseinanderfallen: Was kann ich tun? Wie komme ich selbst aus der wildesten Wildbahn an mein Ziel? Das hat mir geholfen, situativ zu entscheiden, was wichtig und was nicht so wichtig ist.

Seit Februar bist Du beim DigitalService. Was hat Dich überzeugt, Teil des schnell wachsenden Teams zu werden?

Da ich in London studiert habe, war mir der GDS (Government Digital Service) natürlich ein Begriff. Was hat mich letztlich überzeugt? Es war die interessante Mischung aus Aufgabe, Teamkultur und Werten. Das war einfach ein perfekter Cultural Fit. Über die Touchpoints mit der Verwaltung bilden sich Bürger:innen eine Meinung über den Staat. Wenn ich mithelfen kann, diese Berührungspunkte zu verbessern, kann ich vielleicht auch einen kleinen Beitrag dazu leisten, das Vertrauen in die Demokratie zu stärken. Ich bin intrinsisch motiviert, beim DigitalService mitzumachen und möchte aktiv an der Umsetzung der Vision mitwirken.

Wie siehst Du heute Deine Rolle beim DigitalService?

Produktmanagement ist ein Spiel der Konsequenzen. Als Produktmanagerin muss ich abschätzen können, welche Konsequenzen zweiten, dritten, vierten Grades hat diese Entscheidung? Jetzt bei unserer Arbeit für die Verwaltung finde ich es sehr wertvoll, dass bei uns so viele Menschen arbeiten mit interessanten Profilen, vielen Erfahrungen und einem sehr weiten Horizont.

Welche Projekte betreust Du aktuell?

Ich betreue aktuell das Projekt UseID und habe in den letzten Monaten auch den Steuerlotsen betreut.

Der Steuerlotse ist eine vereinfachte Online-Steuererklärung für Renten- und Pensionsbeziehende. Das Projekt hat eine klare Zielstellung: Ein Online-Verfahren zu entwickeln, mit dem sich ältere Menschen ohne viel technisches Vorwissen trauen, ihre Steuererklärung zu machen. Das bezieht sich sowohl auf die technische Ebene als auch die sprachliche Ebene. Wir verwenden bürgernahe Sprache. Bei diesem Projekt haben wir als kleines, interdisziplinäres Team viel Produktverantwortung. Wir arbeiten agil und konsequent nutzerzentriert. Eine erste Version unseres Produkts konnten wir bereits nach 6 Monaten online stellen. Extrem viel von dem, was wir predigen, haben wir hier in die Praxis umsetzen können.

UseID bezieht sich auf das eID-Ökosystem. Die Frage lautet: Wie können wir die Online-Ausweisfunktion in den Alltag der Bürger:innen integrieren? Bei dem Projekt sind wir aktuell in einer komplett anderen Phase. Wir haben zunächst eine breit angelegte, explorative Research Initiative mit allen relevanten Stakeholdern gestartet. Was verbinden Menschen mit den digitalen Ausweisen? Welche Wünsche, Hoffnungen und Ängste gehen damit einher? Wir haben ein breites Stimmungsbild aufmachen können und sind aktuell dabei, unterschiedliche Nutzerwelten abzubilden. Unsere Zielgruppe ist hier wirklich divers: alle Bürger:innen mit einem Ausweisdokument. 30 Ideen, neue und bestehende Initiativen, haben wir uns genauer angeschaut und diese auf Resonanz mit relevanten Zielgruppen getestet. Dabei haben wir einen breiten Fächer an Tools und Methoden genutzt: von Co-Creation und repräsentativer Umfrage über Online Surveys und Tiefeninterviews bis zum Shadowing im Bürgeramt. Aktuell arbeiten wir an fünf sehr konkreten und umsetzungsnahen Paketen, die in den Bewertungen mit Blick auf das Ziel am besten abgeschnitten haben.

Der beste Ratschlag?

Halte am Prozess fest. Bleib dran. Und: nur über eine gewisse Quantität lässt sich Qualität erreichen. Wenn ich mir nur eine Idee genauer anschaue, weiß ich nicht, ob es bessere Alternativen gegeben hätte.

Was macht Dich stolz?

Ich bin stolz, wenn ich mich nicht scheue, Probleme anzugucken, die vermeintlich hoffnungslos sind. Design bietet viele Methoden, um sogenannte „wicked problems” zu lösen: Das sind Probleme mit vielen dynamischen Bestandteilen, wo alles sich gegenseitig beeinflusst. Und wenn wir als Team in schwierigen Momenten immer wieder in den Fokus rücken, wie wir zu unserem Ziel kommen wollen. Wenn wir alle zusammen dem Prozess vertrauen.

Wie feiert ihr im Team Erfolge?

Wir haben auf Slack einen Shout-Out-Channel. Bei Team Steuerlotse gibt es aber auch mal spontane (virtuelle) Tanzparties, wenn es was zu feiern gibt. Das ist ein schönes Teamritual. Generell zeigen wir viel Wertschätzung. Wir unterstützen uns gegenseitig und loben ehrlich und viel. Es ist ein wohlwollendes, warmes Miteinander. Wir finden eigentlich immer was zu lachen.

Product Lead Magdalena im Interview

Was zeichnet eine lernende Organisation aus? Wie kommt das Neue zum DigitalService?

Eine Organisation lernt aus meiner Sicht, wenn alle offen darüber sprechen können, was im Zweifelsfall schiefgelaufen ist. Auf eine reflektierende, konstruktive Weise. Es gibt einen großen Unterschied für mich zwischen: Ich habe etwas ausprobiert und habe herausgefunden, dass das nicht funktioniert hat und auf der anderen Seite, wenn ich eine Entscheidung getroffen habe und diese falsch war. Das sind für mich zwei verschiedene Sachen. Im ersten Fall war meine Entscheidung richtig, etwas Neues auszuprobieren. Im zweiten Fall braucht es mehr Reflexion. Wenn wir als lernende Organisation auf allen Ebenen leben, dass Menschen hier konstruktiv mit Fehlern umgehen, dann ist das sehr viel Wert.

Product Lead Magdalena im Interview

Euer Team wächst derzeit. Wer sollte sich Deiner Meinung nach hier bewerben? Wer passt zu Euch?

Menschen, die keine Angst vor komplexen Problemen haben, sondern Spaß daran. Wir leben hier kein Prediger-Mindset, sondern arbeiten partnerschaftlich mit der Verwaltung zusammen. Passend dazu wäre eine intrinsische Motivation: Leidenschaft für die Mission des DigitalService. Und Ausdauer und Empathie, dass es manchmal etwas länger dauern kann, digitale Lösungen im Verwaltungskontext umzusetzen. Dafür hat man bei uns ein hohes Impact Potenzial.

Was motiviert Dich jeden Tag aufs Neue?

Die Teaminteraktion. Egal, wie komplex das Problem ist, bei uns findet sich immer jemand, der mich unterstützt und ein offenes Ohr hat. Wir sind eine verschworene Community: Nobody said it was easy. Es geht hier um eine gute Sache. Lass uns weitermachen. Trust the process.

Wenn der DigitalService ein Tier wäre: Welches wäre das und warum?

Ameisenhaufen. Oder Bienenstock. Auf jeden Fall etwas, wo jedes einzelne Wesen dazu beiträgt, dass das Gesamtkonstrukt und das Kollektiv gut funktioniert.