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Eine Frau hält eine Präsentation vor einer kleinen Gruppe. Hinter ihr ist eine große Leinwand mit einem Bild von einem Wassertropfen und dem Text: „Der Strategieprozess stößt bereits einen Kulturwandel an.“

Mit diesen Maßnahmen kann interministerielle Zu­sam­men­ar­beit funktionieren

Wie kann die Zusammenarbeit zwischen zwei Ministerien funktionieren? Dieser Frage hat sich eine Gruppe aus Expert:innen und Projektverantwortlichen in 2024 gewidmet. Ihr Ergebnis: Eine Liste an Voraussetzungen, die, wenn sie erfüllt werden, interministerielle Zusammenarbeit besser ermöglichen. Welche Maßnahmen Häuser konkret umsetzen sollten, damit Projekte erfolgreich gemeinsam bearbeitet werden, anstatt im öffentlich ausgetragenen Streit zu enden, zeigen wir im Blogbeitrag. Außerdem stellen wir Beispiele vor, in denen Kollaboration im Öffentlichen schon sehr gut funktioniert.

Grundlage für unsere Erkenntnisse ist ein Jahr der intensiven Umsetzungsbegleitung der Digitalstrategie Deutschland: Im Zuge des Arbeitsprogramms 2024 hat der DigitalService gemeinsam mit dem Beirat der Digitalstrategie, dem Referat DP10 im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und der Agora Digitale Transformation die 19 Leucht­turm­pro­jek­te bei der Umsetzung ihrer Digitalisierungsvorhaben begleitet.

Ein Ziel war es, die Leuchtturmprojekte miteinander zu vernetzen und interministerielle Zusammenarbeit zu ermöglichen. In zahlreichen Austauschformaten haben wir die An­for­de­run­gen und Wünsche der Mitarbeitenden der Leucht­turm­projekte kennengelernt – und so herausgefunden, welcher Bedingungen es für gelungene Zusammenarbeit bedarf. Einen tieferen Einblick in die Arbeit mit den Projekten vermittelt dieser Blogbeitrag: „Wie wir die Leuchtturmprojekte der Digitalstrategie durch Vernetzung stärken“.

Zwei-Ebenen-Modell zur Zusammenarbeit

Die verschiedenen Voraussetzungen haben wir in einem Modell zusammengefasst. Es besteht aus zwei Ebenen: Auf der oberen Ebene verorten wir ministerielle Rah­men­be­din­gun­gen, unterteilt in rechtliche, finanzielle und politische Bedingungen. Unsere Ver­mu­tung ist, dass diese ministeriellen Rah­men­be­ding­un­gen einen direkten Einfluss darauf haben, wie in den Projekten operativ und kulturell zusammengearbeitet wird. Sie sind die strukturelle Basis der Zusammenarbeit.

Die zweite Ebene bilden operative und kulturelle Bedingungen, die vorherrschen müssen, damit über das Projekt hinweg gut zusammengearbeitet werden kann. Die einzelnen As­pek­te stellen wir im Folgenden konkreter vor:

Grafik mit dem Titel „Gelingensbedingungen für eine interministerielle Zusammenarbeit“. Sie zeigt sechs farbige Kästen mit Kategorien: „Rechtlich“, „Finanziell“, „Politisch“, „Operativ“ und „Kulturell“. Jede Kategorie enthält Stichpunkte, z. B. „Gesicherte Finanzierung“ und „Gemeinsames Zielbild“.

Konsensuale Verwaltungsvereinbarung: „Konsensual“ bedeutet, dass die beteiligten Ministerien einer gemeinsamen Verwaltungsvereinbarung freiwillig und einvernehmlich zustimmen. Es handelt sich also nicht um eine einseitige Entscheidung oder eine gesetzlich vorgeschriebene Regelung, sondern um eine kooperative Lösung.

Gemeinsame Geschäftsstelle: Konkret kann die operative Arbeit in den Referaten durch eine gemeinsame Ge­schäfts­stel­le entlastet werden. Hier sitzen Vertreter:innen der Ressorts mit externen Partner:innen zusammen, die die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen und bei Veranstaltungsorganisation sowie beim strategischen Projektmanagement unterstützen.

Geteilte Federführung und gesicherte Finanzierung: Mithilfe einer geteilten anstelle einer alleinigen Federführung können Verantwortlichkeiten gleichmäßig verteilt und alle beteiligten Ministerien gleichberechtigt zur Umsetzung des Projekts verpflichtet werden. Ziel ist es, Fachwissen zu bündeln und eine kohärente Politik sicherzustellen. Hier ist es auch von Vorteil, wenn die Finanzierung eines Projekts von den beteiligten Häusern gleichermaßen getragen wird oder wenn zumindest die Verteilung der Budgets klar geregelt ist. Allerdings kann dies auch zu Kompetenzstreitigkeiten und län­ge­ren Abstimmungsprozessen führen. Wichtig ist hier vor allem, dass jeweilige Zu­stän­dig­kei­ten konkret festgelegt werden, da es sonst zu Verantwortungsdiffusion kommen kann und sich keines der Häuser für das Gelingen des Projekts verantwortlich fühlt.

Hierarchische Rückendeckung: Von unseren Gesprächspartner:innen wurde grund­sätz­lich betont, dass eine Rück­en­deck­ung der Hierarchie von Vorteil ist, wenn struktur­über­grei­fende Zusammenarbeit an­ge­strebt wird. In der Realität heißt das, dass bis zur Ebene der Staatssekretär:innen alle hinter dem Projekt stehen und an dessen Erfolg interessiert sind. In diesem Zu­sam­men­hang spielt ein öffentliches politisches Bekenntnis der obersten Leitungsebene eine große Rolle. Minister:innen sollten sich auf der politischen Bühne zu einer Zu­sam­men­arbeit bekennen und sie aktiv einfordern. Das Gleiche gilt für eine Bund-Länder-Kooperation, indem sich beispielsweise die Kultusminister:innen der Länder mit der Bildungsministerin öffentlich zu einer gemeinsamen Arbeit aussprechen.

Bekenntnisse der Leitungsebenen haben zur Folge, dass sich die Arbeitsebene immer wieder auf sie beziehen kann. Hierarchische Rückendeckung stärkt auch die Ebene der Referent:innen: Sie bekommen operative Entscheidungsmandate zugeteilt und müssen sich nicht jedes Mal bei der Referatsleitung rückversichern.

Lene Baumgart steht mit einem Mikrofon vor einer Gruppe von Menschen, die sich in einem modernen Konferenzraum unterhalten. Im Hintergrund ist ein Bildschirm mit Text und eine Wand mit Schriftzügen zu sehen.

Geregelte Meetingstruktur: Auch eine geregelte Meetingstruktur zwischen Partnerministerien und Stakeholdern hat sich bewährt. Dazu gehört, dass im Voraus explizite Rollen, eine zeitliche Ordnung, not­wen­dige Teilnehmende und eine Moderation festgelegt werden.

Technische Infrastruktur: Doch damit Austauschformate funktionieren, müssen für die Projekte zuerst die nötigen technischen Infrastrukturen bereitgestellt werden. Es braucht Plattformen und An­wen­dun­gen, über die ein Informationsaustausch auf kurzem Wege stattfinden kann, über die gechattet und Dokumente gemeinsam bearbeitet werden.

Die Vorhaben einiger Digitalprojekte wurden 2024 wegen dieser fehlenden technischen Grundlagen erschwert und zumindest verzögert. In den Ministerien fehlt bisher ein flä­chen­deckend genutztes, sicheres und technisch zuverlässiges Tool für die zeitgleiche Bearbeitung von Dokumenten und den Datenaustausch über Abteilungs- und Res­sort­grenzen hinweg.

Räumlichkeiten: Neben den technischen Grundlagen braucht es auch Räumlichkeiten (oder die In­for­ma­tion darüber) in den Ministerien. In den Ministerien gibt es den Wunsch, Pro­jekt­part­ner:innen aus anderen Häusern persönlich kennenzulernen, um eine bessere Basis für die weitere Zusammenarbeit und den Austausch zu haben. Dieser persönliche Kontakt muss durch regelmäßige Austauschformate vor Ort stattfinden. Das Problem: Oftmals gibt es zwar genügend Büros in den Häusern, aber nicht ausreichend Kollaborationsorte, also Räu­me, die durch Material, Platz und Verfügbarkeit einen geeigneten Rahmen bieten. Manchmal sind Räume, die hierfür geeignet wären, den Personen nicht bekannt.

Stakeholdermanagement: Die Digitalisierungsprojekte des Bundes zeichnen sich oftmals durch eine komplexe, herausfordernde Stakeholderlandschaft aus. Dienstleistungs­orga­ni­sa­tionen, nach­ge­la­ger­te Behörden, Länder und Kommunen müssen aktiv gesteuert und gemanagt werden. Dafür lohnen sich budgetierte Kompetenzen und Kapazitäten im Stake­hol­der­man­age­ment. Die hierfür eingeteilten Personen informieren alle Stakeholder durchgehend, betreiben Erwartungsmanagement und kommunizieren klar. Das ist zunächst Mehrarbeit, lohnt sich im Endeffekt aber, weil alle Beteiligten fortlaufend über den Prozess informiert sind, Feedback geben können und Erwartungen erfüllt werden.

Gemeinsames Zielbild: Elementar für gelingende Zusammenarbeit ist ein gemeinsames Zielbild, das in vielen Projekten fehlte. Dabei ist es gerade in Projekten mit vielen verschiedenen Stakeholdern hilfreich, wenn alle ein gemeinsames Zielbild vor Augen haben, auf das sie langfristig hinarbeiten. Methoden, um ein Zielbild gemeinsam zu erarbeiten, finden sich unter an­de­rem in unserem Blogbeitrag zur Verstetigung, der ebenfalls im Rahmen der Umsetzungsbegleitung entstanden ist.

Blick in die Praxis: Anwendungsbeispiele

Die oben beschriebenen Bedingungen haben wir mit den Leuchtturmprojekten weiter diskutiert. Gemeinsam haben wir in einem „Deep-Dive-Workshop“ die drei Aspekte „Geeignete Austauschformate“, „Stakeholdermanagement“ und „Gemeinsame Zielbilder“ fokussiert und genauer betrachtet. Dafür haben wir Expert:innen aus der Verwaltung eingeladen, die hier bereits gute Methoden erarbeitet und Erfolge erzielt haben.

Eine Frau präsentiert vor einer kleinen Gruppe. Auf einem Bildschirm hinter ihr steht: „Let’s speed date!“ mit Anweisungen für fünf kurze Gesprächsrunden. Daneben ein Flipchart mit der handgeschriebenen Begrüßung „Herzlich Willkommen!“ und einem QR-Code.

Datenlabore: Selbstorganisierte Zusammenarbeit für maximale Effizienz

Die Datenlabore in den Ministerien sind ein Paradebeispiel für die Innovationskraft in der Verwaltung. Sie sind neue Einheiten, die sich sowohl jeweils in ihrer organisatorischen Anbindung als auch in ihrer Finanzierung unterscheiden. Viele der Mitarbeitenden bringen frische Perspektiven mit, da sie neu in der Verwaltung tätig sind. Doch das Besondere ist, dass sich diese Einheiten anfangs aus Eigeninitiative heraus vernetzt haben.

Die Datenlabore tauschen regelmäßig Informationen, Best Practices und Ideen aus, um voneinander zu lernen und Doppelarbeit zu vermeiden. Dabei geht es nicht nur um Fach­lich­es: Ein informeller Austausch auf menschlicher Ebene hat sich als ebenso wertvoll erwiesen. Persönliches Kennenlernen fördert das Vertrauen, erleichtert die Kom­mu­ni­ka­tion und schafft eine Grundlage für produktive Zusammenarbeit.

Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die institutionalisierte Organisation dieses Netzwerks. Wenn der Austausch nicht nur nebenbei stattfindet, sondern aktiv gefördert und geplant wird, profitieren alle Beteiligten. Ergebnisse werden besser, Prozesse effizienter und die Arbeit macht mehr Freude, weil sie im Team geschieht. Dieses Modell zeigt, wie wertvoll Netz­wer­ke in der Verwaltung sein können, wenn sie systematisch unterstützt werden.

Stakeholdermanagement: Von der FITKO lernen

Der zweite Impuls kam von der FITKO, die als agile Umsetzungsorganisation des IT-Planungsrats eine Schlüsselrolle in der föderalen Zusammenarbeit spielt. Das Stake­holder­management, bei dem den Interessen von Bund, Ländern und weiteren Akteuren Rechnung getragen wird, ist bei den Aktivitäten der FITKO ein wichtiger Aspekt.

Stakeholder frühzeitig in Projekte einzubinden, ist hierbei einerseits essenziell – andererseits eine Herausforderung, da das Erzielen von konkreten Quick Wins wichtig für ein positives Momentum ist. Bei der Einbindung von Stakeholdern darf es nicht um das Abhaken einer lästigen Pflichtübung gehen. Vielmehr braucht es ein strukturiertes Vorgehen, das die Einbindung in stakeholdergerechte Formate gliedert und bezüglich der vorgesehenen Mitwirkungstiefe ein klares Erwartungsmanagement vorsieht.

Letzteres ist wichtig, da es aufgrund der Fülle von Stakeholdern im föderalen Raum zu Diskrepanzen zwischen gewünschter und gewährter Partizipation kommen kann. Hier ist es wichtig, mit unzureichend erfüllten Erwartungshaltungen umzugehen und diese proaktiv zu moderieren. Andernfalls kommt es spätestens in der Umsetzungsphase zu Akzeptanzproblemen. Die FITKO zeigte, dass gutes Stakeholdermanagement ein starker Hebel ist, um Vertrauen zu schaffen und die Basis für erfolgreiche Projekte zu legen.

Hamburgs Digitalstrategie: eine gemeinsame Vision für den Erfolg

Ein weiteres Vorbild kommt aus Hamburg. Die Hansestadt hat mit ihrem eineinhalbjährigen Strategieprozess beeindruckt, der diverse Stakeholder einbezog und eine gemeinsame Vision entwickelte. Diese Vision beantwortet die zentrale Frage: „Wo wollen wir hin?“.

Der Prozess war von kreativen und agilen Methoden geprägt, die alle Akteure – von der politischen bis zur operativen Ebene – einbezogen haben. In sechs strategischen Entwicklungsbereichen wurden jeweils Zielbilder erarbeitet, die mit klaren strategischen Prioritäten, operativen Zielen und konkreten Maßnahmen organisationsübergreifend versehen wurden und nun umgesetzt werden. Durch diese intensive Zusammenarbeit entstand nicht nur eine greifbare Vision, sondern auch ein starkes Commitment aller Beteiligten. Dieses gemeinsame Verständnis ist entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung einer solchen Strategie.

Hamburgs Ansatz zeigt, dass es sich lohnt, Zeit und Ressourcen in den Aufbau eines gemeinsamen Verständnisses zu investieren. Das Resultat ist eine Digitalstrategie, die von allen mitgetragen wird und dadurch eine hohe Umsetzungsdynamik entfaltet.

Die drei Impulse zeigten uns: Ob in Datenlaboren, beim Stakeholdermanagement oder bei der Entwicklung einer Digitalstrategie – moderne Verwaltungsarbeit lebt von Kooperation und einem klaren Fokus auf gemeinsame Ziele.

Seid ihr bereit? Teamarbeit!

Wir sind überzeugt, dass die hier vorgestellten Maßnahmen die interministerielle Zu­sam­men­arbeit maßgeblich verbessern können. Die Beispiele aus der Praxis un­ter­strei­chen, dass eine gut funktionierende Zu­sam­men­ar­beit nicht nur möglich ist, sondern auch zu innovativen Lösungen und einer effizienteren Verwaltung führt. Um die Digitalisierung Deutschlands erfolgreich voranzutreiben, Herausforderungen gemeinsam zu meistern und Synergien zu nutzen, ist eine noch engere und intensivere Zusammenarbeit zwischen den Ministerien unerlässlich. Es lohnt sich, auf den gewonnenen Erkenntnisse aufzubauen, um die Voraussetzungen für eine erfolgreiche interministerielle Zusammenarbeit zu schaffen und so die digitale Transformation der Bundesverwaltung zu gestalten.


Ann Cathrin Riedel

ist Publizistin und Expertin für Digitalpolitik, Verwaltungstransformation und Demokratie. Als Geschäftsführerin von NExT e.V. setzt sie Impulse für die Modernisierung der Verwaltung. Zuvor leitete sie LOAD e.V. und verantwortete die internationale Digitalpolitik der Friedrich-Naumann-Stiftung. Sie ist Mitglied des Digitalbeirats der Bundesregierung und Beirätin des Berliner Think Tanks Center for Middle East and Global Order (CMEG). Für ihr Engagement wurde sie u. a. als „Women in eGovernment/Leadership 2024“ ausgezeichnet und zählt zu den „Top 40 unter 40“ des Capital Magazins.

Lene Baumgart

arbeitet seit April 2024 als Transformation Managerin beim DigitalService. Als promovierte Organisationssoziologin ist sie an den strukturellen Rahmenbedingungen interessiert, die es für eine gelingende Digitalisierung braucht. Zuvor war Lene an der Universität Potsdam beschäftigt und bei der Organisationsberatung Metaplan. Um den Kopf frei zu bekommen, trainiert sie für Läufe in den Großstädten Europas oder fährt mit dem Fahrrad durch Berlin. Entspannung findet sie beim Stricken, in Cafés oder beim Töpfern an der Drehscheibe.


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