Aus Rechtsinformationen werden Open Data: Neues Projekt mit BMJ nimmt Fahrt auf
Habe ich Anspruch auf Urlaub? Darf ich meine Miete senken bei Heizungsausfall? Auf welchem Weg gelange ich an relevante Informationen? Geltendes Recht ist die Grundlage unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Laien stellt der Zugang zu relevanten Rechtsinformationen jedoch vor Herausforderungen. Es fehlt ein zentraler Ort, über den Gesetze, Verordnungen und Urteile offen – und vor allem einfach – zugänglich sind. Einen solchen zentralen Ort für die Rechtsinformationen des Bundes zu entwickeln, ist das Ziel unseres neuesten Projektes: NeuRIS – Neues Rechtsinformationssystem.
Voraussetzung dafür ist die Schaffung einer bundeseigenen Datenhaltung und Erfassungsumgebung, die es den Dokumentationsstellen des Bundes – dem Bundesverfassungsgericht, den obersten Gerichtshöfen des Bundes, dem Bundespatentgericht, dem Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Normendokumentation – ermöglicht, die Rechtsinformationen zu dokumentieren und darauf zuzugreifen.
Das Projekt wird gemeinsam mit dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) durchgeführt. Es ist eingebettet in die Open-Data-Strategie der Bundesregierung.
Erste Ideen entstehen im Tech4Germany Fellowship 2020
Auch heute stellt der Bund schon Rechtsinformationen kostenlos bereit, allerdings verteilt auf drei verschiedene Portale: Gesetze-Im-Internet, Rechtsprechung-Im-Internet und Verwaltungsvorschriften-Im-Internet. Auf ihnen finden Nutzer:innen das aktuelle Bundesrecht, die Bundesrechtsprechung ab dem Jahr 2010 sowie aktuelle Verwaltungsvorschriften des Bundes.
Die Dokumente sind mit nur wenigen Metadaten versehen, was eine effiziente Suche innerhalb der Texte nahezu unmöglich macht. Zivilgesellschaftliche Akteure und privatwirtschaftliche Unternehmen – beispielsweise LegalTechs – suchen darüber hinaus moderne Schnittstellen, die ihnen eine Weiterverwendung der Daten ermöglichen. Diese gibt es heute so noch nicht.
Schon länger bestand daher im BMJ der Wunsch, die Informationen zu konsolidieren, neu zu strukturieren sowie besser zugänglich und verarbeitbar zu machen.
Die ersten Schritte in diese Richtung ging man 2020 im Rahmen unseres Tech4Germany Fellowship-Programms. Innerhalb von drei Monaten entwickelte ein interdisziplinäres Team aus jungen Produktmanager:innen, Entwickler:innen und Designer:innen gemeinsam mit Mitarbeiter:innen des BMJ eine Vision für ein Rechtsinformationsportal. Am Ende der Projektlaufzeit konnte eine erste prototypische Alpha-Version des Portals inklusive Datenschnittstelle – Application Programming Interface (API) – und Klickprototyp live geschaltet werden. Die Ergebnisse wurden hier veröffentlicht.
Vom Prototyp zum ausgewachsenen Rechtsinformationssystem und -portal
2021 fiel dann seitens des BMJ die Entscheidung, den DigitalService damit zu beauftragen, auf Basis der Tech4Germany Ideen die Rechtsinformationen des Bundes digital für alle zugänglich zu machen.
Die Umsetzung des NeuRIS besteht aus zwei Teilen: der Entwicklung eines leistungsstarken Rechtsinformationssystems (RIS) mit Datenhaltung und Dokumentationsumgebung und dem zugehörigen Rechtsinformationsportal als öffentliches Recherchesystem. Die Mitarbeiter:innen der Dokumentationsstellen sollen die im RIS geschaffene Dokumentationsumgebung zur Erstellung und Pflege der Rechtsinformationen des Bundes verwenden.
Das Rechtsinformationsportal wird für alle Bürger:innen zugänglich sein und einen einheitlichen, modernen, intuitiven, barrierefreien und nutzerfreundlichen Zugang zu den bereitgestellten Informationen schaffen. Damit werden alle aktuellen Gesetze und Verordnungen, Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsvorschriften des Bundes einschließlich umfangreicher Metadaten erstmals vollumfänglich als Open Data zur Verfügung gestellt.
Mit der Entwicklung des Portals erfüllt das BMJ unter anderem Vorgaben aus dem Datennutzungsgesetz. Dieses setzt die Open-Data-Richtlinie der Europäischen Union um, welche die Veröffentlichung dynamischer Daten und die Schaffung von Datenschnittstellen (APIs) fördern soll.
Das Vorgehen: Interdisziplinär, nutzerzentriert, iterativ
Wir nehmen jetzt die Arbeit an NeuRIS auf. Unser Team wird zunächst aus sieben Mitarbeiter:innen aus den Disziplinen Produktmanagement, Design und Software-Entwicklung bestehen. Bis Jahresende wird es auf ca. 20 Mitarbeiter:innen anwachsen.
Bei der Schaffung der technischen Grundlagen für eine bundeseigene Datenhaltung ist vor allem die Miteinbeziehung der Dokumentationsstellen entscheidend. Deren Mitarbeiter:innen sind die wesentlichen Nutzer:innen dieser Lösung. Sie erwarten ein hocheffizientes System zur Pflege der Rechtsinformationen.
Um den Fokus zu behalten, starten wir mit der Dokumentation der Rechtsprechung und entwickeln das Produkt zunächst gemeinsam mit ein bis zwei Dokumentationsstellen. Die Einbindung aller weiteren Dokumentationsstellen soll dann schrittweise über Feedbackschleifen und Fokuswechsel vollzogen werden.
Die Ziele für die ersten 12 Monate
Die Entwicklung erfolgt in zweiwöchigen Sprintzyklen. Unser Ziel ist es, innerhalb von 12 Monaten nach Entwicklungsstart des Rechtsinformationssystems die Dokumentationsumgebung mit dem relevanten Teil der Datenhaltung in einer Dokumentationsstelle produktiv einzusetzen. Hierfür stimmen wir den Umfang für das sogenannte Minimum Viable Product (MVP) eng mit den Dokumentationsstellen ab.
Neben der Entwicklung des eigentlichen Systems geht es auch darum, Schnittstellen zu bauen, Daten zu migrieren und zu bereinigen sowie Möglichkeiten zur Integration der Altsysteme während der Übergangsphase zu schaffen. Schließlich sollen die Dokumentationsstellen auf keinen Fall zwei Systeme parallel pflegen müssen.
Die Herausforderungen sind groß, noch nicht alle Lösungen bekannt. Genau hier setzt unser agiles und iteratives Vorgehen an.
Durch Feedback zu hoher Nutzbarkeit
Als Vorstufe für das Rechtsinformationsportal werden ähnlich wie beim Tech4Germany Projekt ein Klickdummy sowie eine funktional limitierte Version der Programmierschnittstelle (API) entwickelt und zur Verfügung gestellt. Auch dies soll innerhalb der ersten 12 Monate geschehen.
Die API kann anschließend von allen Interessierten getestet werden. Nutzer:innen können außerdem Feedback hinterlassen, das auf einer interaktiven Website veröffentlicht wird und in die weitere Entwicklung einfließt.
Der Kreis der potentiellen Nutzer:innen des Rechtsinformationsportals umfasst Unternehmen, Student:innen, Wissenschaft sowie Zivilgesellschaft und Privatpersonen. Die Öffentlichkeit wird miteinbezogen, um einen echten Mehrwert für die Nutzer:innen zu schaffen und deren technische und funktionale Anforderungen bei der Entwicklung der Schnittstelle zu berücksichtigen.