NeuRIS: Fahrplan für das MVP steht, Produktentwicklung beginnt
In unserem gemeinsamen Projekt mit dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) und dem Bundesamt für Justiz (BfJ), der Entwicklung eines neuen Rechtsinformationssystems (kurz NeuRIS), haben wir die erste Projektetappe erfolgreich abgeschlossen und mit der Entwicklung eines Minimum Viable Product (MVP) begonnen. Unser Vorgehen dabei: interdisziplinär, nutzerzentriert und iterativ.
Im Blogbeitrag vom 20. April gaben wir einen Überblick über die Motivation, die hinter dem Projekt steckt – der Auftrag des BMJ, im Rahmen der Open-Data-Strategie der Bundesregierung der Allgemeinheit Rechtsinformationen des Bundes in einem einheitlichen, modernen und nutzerfreundlichen Rechtsinformationsportal zur Verfügung zu stellen und mittels einer Programmierschnittstelle die Nachnutzung der Daten für zukunftsgerichtete Anwendungen zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist die Schaffung einer bundeseigenen Datenhaltung und Erfassungsumgebung, die es den Dokumentationsstellen des Bundes ermöglicht, die Rechtsinformationen zu dokumentieren, in die Datenbank abzugeben und darauf zuzugreifen.
Als konkretes Ziel haben wir uns gesetzt, innerhalb von zwölf Monaten nach Entwicklungsstart des Rechtsinformationssystems im Juni dieses Jahres die Dokumentationsumgebung mit dem zentralen Teil der Datenhaltung in mindestens einer Dokumentationsstelle produktiv zu setzen. Wir werden damit unserem Anspruch gerecht, in schnellen Iterationen Produktstände zu erzeugen, die einen frühen Nutzen erzielen. Dabei ist die Interaktion mit den zukünftigen Nutzer:innen ein zentrales Element unserer Arbeit.
Die erste Projektetappe
Für die erste Projektetappe, die Ende März 2022 begann und im Zeichen der Projektinitialisierung stand, bedeutete dies eine enge Abstimmung zum Umfang des sogenannten Minimum Viable Product (MVP – minimal nutzbares Produkt) mit den involvierten Dokumentationsstellen am Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Aufgabe der Dokumentationsstellen ist das Erfassen und Dokumentieren von Rechtsinformationen. Hierzu zählen neben gerichtlichen Entscheidungen auch Verwaltungsvorschriften, Normen und wesentliche sonstige Materialien – insbesondere relevante Literaturbeiträge.
Gemeinsam wurde ein MVP definiert und ein Fahrplan (Roadmap) für dessen Entwicklung erstellt. Dieser MVP verfügt zwar nur über die wichtigsten Kernfunktionen, liefert aber dennoch bereits einen Mehrwert. Das heißt:
- Die neue Lösung macht etwas besser als die bisherige Lösung.
- Der Aufwand zur Nutzung überlagert den Nutzen nicht.
- Ein relevanter Teil der Gesamtvision wird abgebildet.
- Eine iterative Weiterentwicklung ist möglich, ohne die Nutzer:innen zu stark zu beanspruchen.
Hier knüpfen wir an unser Ziel an, es innerhalb von zwölf Monaten mindestens einer Dokumentationsstelle zu ermöglichen, das neue Rechtsinformationssystem zur Dokumentation ihrer hauseigenen Rechtsprechung zu nutzen.
Als hauseigene Rechtsprechung bezeichnet man Entscheidungen, die durch das jeweilige Gericht selbst getroffen werden. Das heißt zum Beispiel, die Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs dokumentiert die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Darüber hinaus wird unter bestimmten Voraussetzungen aber auch Rechtsprechung anderer Instanzen (z. B. von Amtsgerichten, Landgerichten, Oberlandesgerichten) oder sogar EU-Rechtsprechung von den Dokumentationsstellen dokumentiert.
Ausgangspunkt für das MVP war die Nutzerreise (User Journey) zur Erfassung hauseigener Rechtsprechung. Sie basiert auf Erkenntnissen aus Interviews mit Nutzer:innen aus den beiden Dokumentationsstellen in Karlsruhe, auf Beobachtungen, die bei Besuchen an den Arbeitsplätzen der Mitarbeiter:innen gemacht wurden, sowie auf dem vom Bundesamt für Justiz erstellten Anforderungskatalog an das Projekt.
Das MVP nimmt Gestalt an
Als wichtige Bestandteile des MVP für die hauseigene Rechtsprechung wurden demnach festgelegt:
- Die Grundlagen der Navigation, der Oberflächenstruktur und des Designs sowie die Unterstützung eines Rollenkonzepts. Letzteres legt fest, welche Rollen (z. B. Erfasser:in, Dokumentar:in oder Administrator:in) mit welchen Nutzungsrechten (z. B. eine Dokumentationseinheit anlegen, löschen oder veröffentlichen) in der Anwendung ausgestattet sind.
- Die Möglichkeit, ein Rechtsprechungsdokument zu laden und die Stammdaten sowie Texte in Rubriken zu erfassen.
- Per Copy-Paste können aus den Dokumenten Daten in die entsprechenden Kurz- und Langtexte übernommen werden. Eine dazugehörige Editierfunktion ermöglicht die originalgetreue Übernahme und Bearbeitung von Formatierungen. Eine automatische Übernahme von Daten aus den unstrukturierten Dokumenten erfolgt noch nicht.
- Die Unterstützung des Dokumentationsprozesses (über die Schritte Erfassung, inhaltliche Erschließung durch Dokumentare und Qualitätssicherung) durch eine transparente Darstellung von Aufgaben und die Anzeige des Bearbeitungsstatus.
- Die Abgabe der Dokumentationseinheit an die bisherige Datenhaltung.
- Die Bildung der Grundlage für die Datenebene durch das bereits vom BfJ in Zusammenarbeit mit den Dokumentationsstellen festgelegte Datenerfassungsschema.
Die nächsten Schritte
Nachdem die Rahmenbedingungen für ein Modell zur Zusammenarbeit mit unseren Projektpartner:innen gesetzt und die infrastrukturellen Voraussetzungen geklärt waren, konnten wir mit dem Bau der Software für unser MVP beginnen. In enger Interaktion mit den Dokumentationsstellen des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts wird das Produkt nun vorangebracht. In unserem Blog informieren wir in den kommenden Monaten durch weitere Updates zum Projektfortschritt.