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mehrere Personen in einem Gespräch an einem Tisch

Organi­sations­entwicklung mit Agile Coaching

„Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung“, schrieb bereits der griechische Philosoph Heraklit. Um mit Veränderungen erfolgreich umgehen zu können, erfordert es ein stetiges Umdenken und Reagieren auf die neuen Gegebenheiten. Wir als DigitalService kennen dies aus unserer Arbeit in den beiden Fellowships Tech4Germany und Work4Germany, aber auch aus der Entwicklung der digitalen Lösungen und Konzepte, die wir orientiert an den Bedürfnissen der Nutzenden iterativ und agil entwickeln. Das übergeordnete Ziel: unsere Arbeitsergebnisse kontinuierlich verbessern. Dies bedeutet auch, dass wir uns als Team ständig weiterentwickeln. Nur so können wir auf die sich stetig ändernden Anforderungen reagieren. Aber wie geht es dabei eigentlich den involvierten Personen? Wie können wir Kolleg:innen, Teams und unsere gesamte Organisation befähigen, kontinuierlich an sich zu arbeiten, selbständiger Schwierigkeiten zu lösen und dabei zu wachsen? Der Theorie nach kann ein Agile Coach dabei helfen.

Was macht ein Agile Coach?

Wenn es darum geht, einzelne Menschen, Teams und Organisationen zu befähigen, mit ständiger Veränderung umzugehen, selbständig Probleme zu lösen und damit mehr Autonomie zu ermöglichen, spricht man von Agile Coaching. Ein Agile Coach unterstützt dabei, anpassungsfähig und selbstlernend zu werden.

Um der Veränderung, Diversität und Breite der Aufgaben der digitalen Transformation nachhaltig gerecht zu werden, wollen auch wir uns von einem Agile Coach unterstützen lassen. Wie in der iterativen und agilen Produktentwicklung, haben wir zunächst Annahmen formuliert, die wir mithilfe von Experimenten testen konnten, um herauszufinden, ob und in welcher Form Agile Coaching für unsere Bedürfnisse als Organisation hilfreich sein kann.

Eine Agile Coaching Testphase für mehr Klarheit

In der Testphase galt es, unsere Annahme für eine zu uns passende Haltung eines Agile Coaches zu überprüfen und Fragen zur Herangehensweise zu beantworten. Unsere Annahme lautete:

Jedes Teammitglied ist verantwortlich, kann lernen oder befähigt werden, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und damit großartige Ergebnisse zu fördern – sofern das Arbeitsumfeld dies zulässt.

Ein Agile Coach hilft dabei, ein wirksames Arbeitsumfeld herzustellen, indem mit gutem Beispiel vorangegangen, aber kein Verhalten vorgeschrieben wird. Der Agile Coach bringt eine objektive Meinung, frische Ideen und einen konstruktiv kritischen Blick in die Teams hinein. Die Herausforderung dabei ist, gleichzeitig dem Anspruch an höhere Standards in der Zusammenarbeit und methodischer Exzellenz gerecht zu werden und dafür individuelle und kontextabhängige Unterstützung anzubieten.

Dies waren die konkreten Fragen, die wir während der Testphase beantworten wollten:

  • Wie sieht eine gute Einbettung in unsere Teams aus? Braucht jedes Team zu jeder Projektphase einen festen Agile Coach?
  • Wie viel Verantwortung für die Gestaltung der Zusammenarbeit liegt bei jedem Einzelnen, bei der Projektleitung und bei einem potenziellen Agile Coach?
  • Wie können wir den Austausch und die Synergien zwischen unseren Teammitgliedern innerhalb eines Projekts und zwischen den verschiedenen Projekten verstärken? Können wir so als Organisation insgesamt besser darin werden zu lernen?

Um die Fragen gut beantworten zu können, entschied ich mich für eine zweigeteilte Herangehensweise. Intern habe ich mit zwei Teams gearbeitet, die sich in unterschiedlichen Phasen befinden: das bereits laufende Projektteam Steuerlotse und ein neu zusammengestelltes Team, welches gerade mit einem Projekt gestartet war. Extern lag mein Fokus auf dem Austausch mit Expert:innen, um so mehrere Herangehensweisen aus verschiedenen Industrien und beruflichen Umfeldern kennenzulernen. Bei den Expert:innen handelte es sich um erfahrene Agile Coaches, die in Tech-Start-ups, großen Unternehmen, dem britischen Government Digital Service oder als Freelancer tätig sind.

Was haben wir aus der Testphase gelernt?

Die Testphase war für uns eine gute Erfahrung, wie wir als Organisation lernen, uns iterativ vorwärts zu bewegen und den konkreten Nutzen eines solchen Coachings auszuprobieren. Wir haben gesehen, dass es verschiedene Arten gibt, die Rolle des Agile Coaches zu leben. Was wir festgestellt haben ist, dass wir einen Stil benötigen, der die Mitarbeiter:innen flexibel und pragmatisch dabei unterstützt, selbst agile Methoden zu erlernen und bei der Arbeit anzuwenden – wann und wie es in der entsprechenden Situation hilfreich erscheint und nicht wie ein Handbuch es vorschreibt. Der Coach soll nicht einfach von Team zu Team springen, Staub aufwirbeln und Weisheiten verkünden, ohne bei der Umsetzung neuer Methoden zu helfen. Trotzdem soll er nicht in Vollzeit nur für ein Team da sein und ihnen damit die Möglichkeit nehmen, selbständig zu lernen und zu wachsen, indem er die ganze Zeit die Aufgaben des Teams erledigt.

Ich habe die Struktur und den Fokus genossen, den das Agile Coaching brachte. Ich habe daraus mitgenommen, dass ein Team nicht an einem Rahmenwerk in seiner Gesamtheit festhalten sollte, sondern ich schätze, dass es den Status quo ständig beobachten und in Frage stellen sollte und offen sein sollte, neue Arbeitsmethoden auszuprobieren.

Wie stellen wir uns nun einen richtig guten Agile Coach vor? Empathisch und mit einem umfangreichen Erfahrungsschatz, der idealerweise auch die agile Entwicklung von Software umfasst. Der Coach soll die alltäglichen Herausforderungen der Teams nachempfinden können. Er oder sie soll teilnehmend beobachten und manchmal auch unaufgefordert Perspektiven anbieten. Zudem wirkt ein Agile Coach wie eine neutrale zusätzliche Instanz, um zum Beispiel Konflikte oder interne und externe Retrospektiven zu moderieren. Zu den Hauptaufgaben gehören die Unterstützung der Teams bei der Anwendung nutzerzentrierter Methoden sowie die Teamentwicklung und das Wissensmanagement. Wenn Veränderungen auf Organisationsebene hilfreich sind, sollen diese mutig angestoßen werden. Ziel ist es letztlich, einen Prozess zu starten und darauf hinzuarbeiten, dass sich die Teams einzelnen Herausforderungen selbständiger stellen können. Ein aktiver Austausch zwischen den Teams ermöglicht es, voneinander zu lernen, sich gegenseitig zu inspirieren und Aufgaben zu teilen, etwa bei der Einführung und Umsetzung von neuen Methoden. Für die Organisation als Ganzes erfolgt damit eine bessere Verteilung von Wissen und eine schnellere Anpassung an Veränderungen.

Frau befestigt einige Zettel an eine Wand.

Basierend auf diesen Erkenntnissen haben wir uns entschieden, die Rolle eines Agile Coaches im DigitalService zu etablieren. Denn wachsende Selbstwirksamkeit, neue Perspektiven, eine neutrale Moderation, „Prozessanschieber“ und die teamübergreifenden Synergien haben bereits in der Testphase zu verschiedenen Lernmomenten geführt. Davon profitieren nicht nur unsere Teams, sondern auch unsere Zielgruppen – die Bundesverwaltung und die Bürger:innen. Denn wir können durch Wissensaustausch und die Anwendung passender Methoden die Wertversprechen und Ausgestaltung unserer Produkte und Dienstleistungen schärfen. Zudem werden die Teams angeleitet, kalkulierte Risiken einzugehen und zu experimentieren. Und genau dies führt aus unserer Sicht zu besseren Lösungen.

Ich bin dankbar, dass sich die Expert:innen Zeit für meine Fragen genommen sowie ihre Erfahrungen geteilt und die Teams sich auf eine Testphase eingelassen haben. Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen, haben wir einen soliden Startpunkt, um tatsächlich einen Agile Coach in unsere Organisation zu holen. Learning by doing.


Portraitansicht Frau in blauem Pullover

Sarah Strozynski

arbeitet als Senior Product Managerin beim DigitalService. Mit ihrem Hintergrund in Politik und Verwaltungswissenschaften sowie digitalem Design ist der DigitalService für sie ein idealer Ort, um zu einem partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Staat und Bürger:innen beizutragen. Vorher war Sarah bei einer NGO, einem Start-up sowie einem Company Builder tätig und hat auch in die öffentliche Verwaltung hineingeschaut. Sie ist ein Fan von Methoden-Exzellenz und klarer Kommunikation. Sarah ist ausgebildete Agile Coach. Privat ist sie an allem interessiert, was aktiv sein bedeutet – von Abenteuern in Bergen, über Crossfit, Segeln oder Tanzen.