Zum Inhaltsbereich wechseln
English
Zettel mit einr Zeichnung, auf der Danke steht

Erfahrungs­bericht von Product Fellow Katja: So viel Drive, so viel Vertrauen

Katja Anokhina war von August bis November 2021 Product Fellow im Tech4Germany Team „Partnerschaftliche Gleichstellung“. Zusammen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (kurz: BMFSFJ) hat das Team einen nutzerzentrierten Prototypen für partnerschaftliche Familienplanung „StartApp Familie“ entwickelt. Hier berichtet sie über ihre Erfahrungen im Fellowship.

Wie alles angefangen hat

Ich weiß es noch: Es war mal wieder Lockdown, ich hockte im Homeoffice und hatte (endlich!) eine damals begehrte Clubhouse-Einladung bekommen. Im Stream lief ein Talk mit Dorothee Bär zum Thema Schulschließungen und digitale Ausstattung der Schulen. Ein Zuhörer kommentierte, dass das eigentliche Problem ja nicht die Schulen selbst seien, sondern die starren Strukturen der Verwaltungen und Kommunen. Frau Bär stimmte dem zu und wies darauf hin, dass dieses Problem bewusst wäre und es deshalb auf Bundesebene Projekte wie Tech4Germany und Work4Germany gäbe. Ich habe sofort gegoogelt, mich beworben und there I was – Mitte August stand ich vor der Tech4Germany Bürotür, glücklich aufgeregt.

T4G auf ein Whiteboard geschrieben

So viel Drive, so viel Vertrauen

Von Anfang an war der Drive zu spüren. Die ersten Onboarding-Tage haben eine tolle Aufbruchstimmung vermittelt, die unter anderem aufgrund der Pandemie von allen vermisst wurde. Das Onboarding bestand aus Vorträgen zum Thema Public Sector, die wahnsinnig hilfreich waren – unter anderem von Gerhard Hammerschmid und Stephanie Kaiser –, aus Kennenlernformaten mit unseren Projektpartner:innen, den sogenannten Digitallots:innen, und der Kohorte sowie aus ersten Einführungen in unsere Projekte. Das Programmteam war glücklich, dass wir da sind, wir waren gespannt, endlich da zu sein, die Digitallots:innen waren motiviert, dass das Programm endlich startet.

Besonders beeindruckend fand ich den Vertrauensvor­schuss, den wir als Fellows bekommen haben

Uns wurde ein ganzes Büro in Berlin Kreuzberg zur Verfügung gestellt, dass wir mit Leben füllen durften, wir haben die notwendige digitale Infrastruktur bekommen (Zugänge zu allen möglichen Tools) und wir durften mit unseren Projektpartner:innen aus dem Ministerium sofort direkt und eigenverantwortlich kommunizieren sowie direkt einen Projektplan erarbeiten.

Selbstorganisation in Teams

Die aus vier Personen bestehenden Fellow-Teams wurden vom Programmteam zusammengestellt. In jedem Team gab es drei Rollen: Product, Design und Engineer, eine der Rollen war immer doppelt vertreten. Als Team kannten wir uns – einen Video-Call ausgenommen – nicht, bevor wir angefangen haben. Das heißt, eine der ersten Aufgabe war es, uns als Team kennenzulernen und aufzustellen. Und das selbstorganisiert.

In meinem Team hat die Zusammenarbeit sehr gut geklappt. Das lag aus meiner Sicht unter anderem daran, dass wir uns am Anfang wirklich Zeit für das Kennenlernen genommen haben. Unser Projekt hatte die Besonderheit, dass das Thema – Partnerschaftliche Gleichstellung – sehr persönlich ist und, um dieses Thema zu bearbeiten, es hilfreich ist, zu wissen, wie wir persönlich dazu stehen und ob wir in Partnerschaften sind, also mit welchen Werten wir in das Projekt reingehen.

Besonders nützlich war eine Methode beim Onboarding: „Bedienungsanleitung für [NAME]“. Jedes Teammitglied durfte für sich selbst eine Bedienungsanleitung schreiben. Man konnte angeben, wann man am liebsten arbeitet, ob man gerne telefoniert oder lieber per E-Mail kommuniziert, wann man nicht erreichbar ist etc. Das hat sofort eine Grundlage für die Zusammenarbeit gelegt und es sehr leicht gemacht, gemeinsame Termine zu finden.

Als Product Fellow war mein Job vor allem zu koordinieren, zu planen, dem Team und den Projektpartner:innen gutes fachliches Arbeiten zu ermöglichen und – wie es so oft ist – auch das zu machen, was keiner sonst machen will. Im Fellowship sind die Disziplinen vor allem zu Beginn nicht trennscharf. In der Discovery Phase arbeiten alle eng zusammen: alle führen Expert:innen- und Nutzer:innen-Interviews, alle bereiten die Workshops vor, alle recherchieren etc. In meinem Team war es sogar am Ende so, dass ich mir die Product-Aufgaben mit einem Teamkollegen, der eigentlich Engineer war, geteilt habe. Unser Produkt brauchte hier mehr Aufmerksamkeit und wir hatten Glück, dass auch Product-Aufgaben seine Stärke waren.

Zusammenarbeit mit dem Ministerium

Unser Projektpartner war das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, oder das „Gesellschaftsministerium“, wie die Mitarbeiter:innen das eigene Haus nennen. Konkret waren es vier Kolleginnen aus dem Referat 411 „Partnerschaftliche Gleichstellungspolitik, Aufwertung sozialer Berufe“ – zwei Referentinnen, eine Referatsleiterin und eine Praktikantin. Das war eine sehr glückliche Konstellation, weil damit war das ganze Referat beteiligt und Entscheidungen konnten schnell gefällt werden. Auf der persönlichen Ebene war die Erfahrung der Zusammenarbeit wirklich toll: die „Menschen aus dem Ministerium“, die früher weit entfernt zu sein schienen, sind schnell zu Kolleginnen geworden, mit denen wir jeden Tag kommuniziert und zusammen gearbeitet haben.

Wir haben uns auf zwei Kommunikations- und Zusammenarbeitsformate geeinigt: Weeklys als Video-Konferenzen und Workshops in Präsenz. In Weeklys wurde v.a. berichtet und Organisatorisches besprochen. Die Workshops dienten der Co-Creation: Wir haben zusammen die Zielgruppe festgelegt, Opportunity Areas definiert, Lösungsideen gesammelt und ausgewertet, Wireframes gefeedbackt etc. Die Workshops waren eindeutig die produktivsten und spaßigsten Formate.

Die Zusammenarbeit hat sich über die Projektlaufzeit verändert. Ich kann mich noch gut an den ersten Workshop erinnern: Unser Workshopraum war in einer fernen Ecke des Ministeriums, gut versteckt sozusagen. Das war ein sehr steriler Besprechungsraum. Wir haben ein Haufen von Post-its, Stiften, Brown Paper etc. mitgebracht, die Wände vollgeklebt und probiert das Projekt zu durchdringen. Nach dem Workshop haben unsere Digitallots:innen uns gesagt, dass das einer der spaßigsten Workshops seit Langem gewesen wäre. Das war ein wichtiger vertrauensbildender Moment. Eine Erkenntnis war für uns, dass solche co-kreativen Workshopformate, die im Tech-Bereich Gang und Gäbe sind, für die Verwaltung eher ungewöhnlich sind.

Gruppenfoto nach dem ersten Workshop im BMFSFJ und Digitallots:innen

Malte, Jonathan, Sophia und ich (ganz links) nach unserem ersten Workshop im BMFSFJ und mit unseren Digitallots:innen

Steile Lernkurve

Ich persönlich habe enorm viel gelernt.

Team-Setup und das komplett selbständige Arbeiten waren ein Lernfeld. Die Teamdynamik, die stärkenorientierte Aufgabenverteilung, die Ownership der einzelnen Produktpakete – das alles haben wir gleichberechtigt untereinander verteilt.

Das zweite Lernfeld war unser Projektthema, die partnerschaftliche Gleichstellung. Obwohl mich das Thema schon immer interessiert hat, bin ich so tief noch nie eingetaucht und habe noch nie mit so vielen unterschiedlichen Menschen gezielt über das Thema gesprochen. Mir war zum Beispiel die Tatsache neu, dass die Familiengründungsphase häufig einen Kipppunkt für die Partnerschaftlichkeit darstellt, heißt: Paare verfallen ab dem Zeitpunkt des Kinderkriegens oft trotz aller Vorsätze in traditionelle Rollenmodelle.

Frau erstellt einen Plan

Meine Rolle im Team: den Überblick über Erkenntnisse und Learnings behalten und für alle gut zu strukturieren, sodass Design und Engineering als auch unsere Digitallots:innen zielgerichtet weiterarbeiten können

Und das dritte Lernfeld waren natürlich die Verwaltungsstrukturen. Vor dem Start des Fellowships hatte ich gewisse Vorurteile gegenüber der Verwaltung, die sich aber nicht bestätigt haben. Im Gegenteil, in der Verwaltung – in unserem Ministerium und bei anderen Ministerien und Behörden, die an #T4G21 teilgenommen haben – habe ich sehr motivierte Menschen erlebt, die innovativ sind, vordenken, die Services für die Bürger:innen verbessern und eigene Prozesse optimieren möchten. Ich war so überzeugt von dem Tätigkeitsbereich an der Schnittstelle von Tech und Verwaltung, dass ich mich beim DigitalService beworben habe und seit Januar 2022 dort als Product Managerin arbeite.

…und so viel Fun!

Last but not least: Die 12 Wochen Tech4Germany Fellowship waren einfach ein riesengroßer Spaß! Wir haben so viel mit der Kohorte unternommen, das Programmteam hat ein Offsite und eine wundervolle Abschlussfeier organisiert, wir hatten zahlreiche Teamevents im kleinen Projektteam und schließlich konnte man immer jemanden finden, die:der Lust auf ein spontanes Feierabendbierchen hatte.

Zum Fun gehörte auch, dass wir mit unseren Hobbys sehr willkommen waren: Ein Co-Fellow hat wöchentliche Sportkurse angeboten, ein anderer hat Museumsbesuche organisiert und ich habe ganz viele Fotos gemacht, die Ihr in dieser kleinen Galerie sehen könnt.

Frau arbeitet am Tech4Germany Projekt
Tech4Germany Fenster mit Dekoration
Frau arbeitet am Tech4Germany Projekt und erstellt einen Plan
Frau arbeitet am Tech4Germany Projekt und schaut sich Wireframes an

Impressionen aus Workshops, User Testings und der Exkursion

Ehemaligen Kanzleramtschef und Tech4Germany Schirmherr Prof. Dr. Helge Braun

Besuch vom ehemaligen Kanzleramtschef und Tech4Germany Schirmherr Prof. Dr. Helge Braun bei uns im Büro


Portrait Foto der Autorin Katja Anokhina

Katja Anokhina

ist Product Managerin beim DigitalService. Sie nahm 2021 am Tech4Germany Fellowship teil und war so vom Ansatz überzeugt, dass sie sich danach beim DigitalService beworben hat. Zuvor war sie im Bereich Bildung/ Digitalisierung u. a. als Product Ownerin tätig. Ihre große Leidenschaft ist Segeln.


Mehr zum Thema lesen