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Ein Beutel liegt auf einem Stuhl. Auf ihm steht „Bürokratie adé, digitale Verwaltung olé!“

Ein Digitalministerium als Vorbild für moderne Verwaltung

Die Bündelung digitaler Themen in einem eigenständigen Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung bietet für die Umsetzung zentraler Digitalvorhaben und die Mo­der­nisierung unserer Verwaltung neue Chancen. Die wichtigste Grundlage, um diese Po­ten­zia­le voll auszuschöpfen: Nicht nur eine zentrale, wirkungsorientierte Steu­er­ungs­instanz für Digitalisierungs- und Modernisierungsvorhaben zu etablieren – sondern mit dieser eine neue, agile Aufbau- und Ablauforganisation zu erproben. So kann ein Modell für die Mo­der­ni­sierung der Verwaltung auf Bundesebene geschaffen werden.

Welche Aspekte sollten in der Organisationsentwicklung für das neue Haus berücksichtigt werden, damit das Ministerium tatsächlich zu einem übergreifenden Hebel für digitale Transformation wird? Im Rahmen unserer Arbeit mit der Bundesverwaltung hatten wir in den letzten Jahren Gelegenheit, zahlreiche Erkenntnisse zu den Mo­der­ni­sie­rungs­po­ten­zial­en von Arbeitskultur und Organisationsaufbau der Ministerien zu sammeln. Diese zeigen sich in den folgenden fünf Handlungsfeldern, die als Orientierung für den Aufbau des neuen Hauses dienen können.

Was innerhalb dieser Bereiche geschehen sollte und wie konkrete Maßnahmen auf dem Weg dazu aussehen können, teilen wir in diesem Blogbeitrag.

Handlungsfeld #1: Zielbild entwickeln, Selbstverständnis modernisieren, Kultur neu gestalten

Was ist das Ziel?

Die Bundesverwaltung muss flexibler und agiler werden, um auf Veränderungen schneller und besser reagieren zu können. Dazu muss die Organisationsstruktur durch flache Hie­rar­chien und schnelle Entscheidungswege angepasst werden. Diese Struktur ist die Basis für eine Kultur der Reflexion, der Fehleroffenheit und damit des kontinuierlichen Lernens. Beschäftigte wie Führungskräfte müssen Erfahrungen austauschen, sich weiterentwickeln und innovative Ansätze erproben können. Dafür braucht es ein ganzheitliches Update des Selbstverständnisses, das von einer eher risikoaversen und hierarchischen Struktur in ei­ne offene, kooperative und innovationsfördernde Digitalkultur übergeht. Zugleich braucht es ein gemeinsames Bewusstsein für das Wechselspiel von „Verwalten“ und „Gestalten“ innerhalb einer modernen Verwaltung: Dies beinhaltet eine Denkweise, die zielgerichtet und kontextabhängig klassische und agile Arbeitsweisen zu­sam­men­führt.

Wie können konkrete Maßnahmen aussehen?

  • Anpassung der Planungs- und Finanzierungsprozesse in der Bundeshaushaltsordnung (BHO), um schnelle und iterative Projektarbeit zu ermöglichen
  • Ergänzungen und Novellierungen in der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) – beispielsweise zu „besonderen Organisationsformen“, um die dauerhafte Etablierung von projektbasierten, interdisziplinären Teams zu ermöglichen, oder in der klassischen Gliederung in Abteilungen/Referaten, um Flexibilisierung der Teamstrukturen zuzulassen
  • Einführung von Formaten wie Retrospektiven und Lessons Learned in reguläre (Projekt-)Arbeit

Handlungsfeld #2: Moderne Führungsprinzipien etablieren

Was ist das Ziel?

Eine zukunftsfähige Verwaltung benötigt Führungskräfte, die nicht nur steuern, sondern befähigen, vernetzen und aktiv gestalten. Führung sollte ermöglichen, dass Ent­schei­dun­gen wirkungsorientiert und so nah wie möglich an der Umsetzung getroffen werden – dort, wo die fachliche Kompetenz liegt. Klare Kommunikation, Fehlerkultur und Trans­pa­renz brauchen eine Führungskultur, die Veränderungsprozesse unterstützt und Mit­ar­bei­ten­de motiviert, und vice versa.

Das Momentum der Gründung eines Digitalministeriums bietet die Chance, diesen Wandel einzuleiten: Führungskräfte sollten sich sichtbar zu neuen Führungsprinzipien bekennen und aktiv an deren Umsetzung mitwirken – als Teil eines neuen Selbstverständnisses von Führung in der Bundesverwaltung.

Wie können konkrete Maßnahmen aussehen?

  • Verankerung moderner Führungsprinzipien in Dienstvereinbarungen – beispielsweise zu Führung als Ermöglichung, Wirkungs- statt Prozessorientierung sowie Transparenz und Fehlerkultur
  • Reform der Koordinierungsaufgaben in der GGO zur Stärkung dezentraler Entscheidungskompetenz
  • Anpassungen des Bundesbeamtengesetzes (BBG) und des Tarifvertrags im öffentlichen Dienst (TVöD): Fokus auf Kompetenzen statt Dienstjahre
  • Kopplung von Leistungsprämien an wirkungsorientierte Führungsziele, beispielsweise im TvöD
  • Einführung von 360°-Feedback-Formaten
  • Gezielte Anreize zur Nutzung von praxisorientierten Weiterbildungsangeboten im Sinne von Führung als stützendem Prinzip
Zwei Personen arbeiten gemeinsam konzentriert an einem Formular

Handlungsfeld #3: Neue Karrierepfade entwickeln, Kompetenzen aufbauen, Talente gewinnen

Was ist das Ziel?

Die Personalkultur in der Verwaltung muss sich verändern, damit Innovationsfähigkeit gestärkt und flexibel auf neue Herausforderungen reagiert werden kann. Eine moderne, leistungsfähige Verwaltung erfordert eine gezielte und kontinuierliche Per­so­nal­ent­wick­lung, um Talente und Kompetenzen für alle sinnvoll zu nutzen. Dies umfasst die Schaffung klarer Karrierepfade, die Förderung von Fach- und Führungskompetenzen, den Ausbau digitaler und agiler Fähigkeiten, Wertschätzung und Nutzung diverser Berufsbiographien sowie die Förderung von Projektarbeit.

Gleichzeitig muss die Verwaltung in ihrer Personalplanung neue Kompetenzprofile er­schlie­ßen, um ihre Innovationsfähigkeit zu stärken. Das erfordert wiederum die At­trak­ti­vi­tätssteigerung des öffentlichen Dienstes für Talente diverser Fachdisziplinen, damit in­ter­dis­zi­plinäre Arbeit möglich wird.

Wie können konkrete Maßnahmen aussehen?

  • Anpassungen des TVöD zur Förderung digitaler Kompetenzen und der Bun­des­lauf­bahn­verordnung, um projektbasierte Leistung angemessen zu würdigen und im Beurteilungsmaßstab für Beamt:innen explizit zu machen
  • Einführung neuer Personalentwicklungskonzepte als Grundlage für klare Karrierepfade und ressortübergreifende Entwicklungsprogramme
  • Förderprogramme und Hospitationen im Austausch mit anderen Sektoren zum praxisorientierten Aufbau digitaler und agiler Kompetenzen.
  • Befähigung von Personalreferaten, um neue sowie diversere Kompetenzprofile abseits der traditionellen Bildungsabschlüsse zu formulieren und auszuschreiben
  • Etablierung moderner Auswahlverfahren
  • Einführung eines Weiterbildungsbudgets pro Mitarbeitendem zur individuellen Kompetenzentwicklung.

Handlungsfeld #4: Kommunikation transparent gestalten

Was ist das Ziel?

Eine transparente Kommunikation der Bundesministerien, intern wie extern, ist Grundlage für die Akzeptanz von Transformation. Sie erhöht die Mitarbeitermotivation und er­mög­licht eine positive Zusammenarbeit mit externen Partner:innen, Bürger:innen und anderen relevanten Stakeholdern. Ziel sollte deswegen sein, eine Kultur der offenen und klaren Kommunikation zu schaffen. Dort werden Informationen proaktiv und zielgerichtet aus­ge­tauscht, um bewusst Akzeptanz und Engagement auf allen Ebenen zu fördern. Eine sys­te­ma­tische Partizipation und Integration relevanter Perspektiven in (Di­gi­ta­li­sie­rungs-)Prozesse ermöglicht gleichzeitig nachhaltigere Ergebnisse.

Wie können konkrete Maßnahmen aussehen?

  • Anpassungen in den Kommunikationsrichtlinien als Orientierung für einheitliche Standards in der internen wie externen Kommunikation
  • Förderung einer offenen internen Kommunikation mit ähnlichem Stellenwert wie die Minister:innen-Kommunikation – beispielsweise durch die Einführung von regelmäßigen Town-Hall-Meetings, in denen Führungskräfte und Mitarbeitende direkt miteinander kommunizieren und Fragen stellen können
  • Externe Kommunikationsstrategie zur proaktiven Kommunikation mit der Öffentlichkeit und relevanten Stakeholdern, beispielsweise durch digitale Kanäle, Pressemitteilungen und Informationskampagnen
Zwei Menschen unterhalten sich entspannt in einem Workshop-Setting

Handlungsfeld #5: Leistungsfähigen und in­no­va­tions­starken Organisationskern gestalten

Was ist das Ziel?

Die Leistungsfähigkeit eines Hauses ist abhängig von der Stärke ihres Organisationskerns: der Zentralabteilung (Z). Die Arbeitsfähigkeit der Verwaltungsmitarbeitenden muss durch eine gestaltungskräftige und serviceorientierte Z in allen Aspekten gewährleistet sein. Das beinhaltet technologische Arbeitsgrundlagen, also den Aufbau einer IT-Infrastruktur sowie die Einführung moderner Tools. Weitere zentrale Aspekte sind die Etablierung und Nutzung innovativer Beschaffungsmaßnahmen sowie die Unterstützung moderner Recruitingprozesse (siehe Handlungsfeld #3). Ziel sollte es sein, eine effiziente, flexible und sichere Zusammenarbeit zu ermöglichen, die den Anforderungen einer modernen Ver­wal­tung gerecht wird.

Wie können konkrete Maßnahmen aussehen?

  • Anpassungen zur Vereinfachung der Beschaffung in der BHO
  • Einführung von standardisierten IT-Arbeitsplätzen für alle Beschäftigten, die einheitliche, benutzerfreundliche Tools bieten und die Zusammenarbeit sowie den Informationsaustausch erleichtern
  • Entwicklung und Durchführung gezielter Schulungen zur Förderung des Umgangs mit digitalen Tools und zur Steigerung digitaler Kompetenzen
  • Nutzendenorientierte Weiterentwicklung zentraler interner Serviceangebote, um kollaboratives Arbeiten zu stärken

Portrait Foto des Autors Christian Müller

Christian Müller

ist Head of Transformation beim DigitalService. Zuvor war er Program Lead bei Work4Germany. Christian war selbst als Fellow Teil des Fellowships und später Agile Coach im Finanzministerium. Er ist Spezialist für selbstorganisiertes Arbeiten und starke Teamkultur mit besonderer Expertise im Kontext digitale Verwaltung. Um den Kopf freizubekommen, arbeitet er an seiner Rückhand auf dem Tennisplatz oder erkundet auf dem Rad mit Musik auf dem Ohr Berliner Bezirke und das Umland.

Porträtfoto der Autorin Anne Ludwig

Anne Ludwig

ist Senior Transformation Managerin beim DigitalService. Mit Begeisterung bringt sie Menschen zusammen und verbindet vielfältige Perspektiven, um den digitalen Wandel positiv zu gestalten. Ihre Erfahrung in der Bundesverwaltung und ihr geistes- und gesellschaftswissenschaftlicher Hintergrund helfen ihr, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. In ihrer Freizeit hört sie Podcasts, geht Laufen und liest Graphic Novels.


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