Fähigkeiten und Methoden nachhaltig auf Bundesebene fördern
Die Mission unserer beiden Fellowship-Programme Tech4Germany und Work4Germany ist es, die Digitalisierungsmacher:innen der Bundesverwaltung dabei zu unterstützen, bestmöglich im digitalen Kontext agieren zu können. Dazu bringen wir jährlich Fellows aus den Bereichen Design, Software-Entwicklung, Product und Transformation in die Bundesministerien und machen die Vorteile von Agilität, Interdisziplinarität und methodenbasierten Arbeitsweisen in Digitalprojekten konkret erfahrbar. Doch was passiert, wenn die Fellows gehen? Die Projektpartner:innen bleiben mit positiven Erfahrungen zurück, doch ohne die Fellows und den Freiraum durch die Fellowships, ist die Übertragbarkeit der Erfahrungen und die Integration des Gelernten in den konkreten Alltag oftmals eine Herausforderung. Etablierte Prozesse, Strukturen und Gewohnheiten sind zu dominant. Wie können wir also den Kompetenzaufbau in der öffentlichen Verwaltung nachhaltig und über die Fellowships hinaus fördern?
Die offensichtliche Lösung: ein Weiterbildungsprogramm zur Unterstützung des Transfers von Kompetenzen
Im Jahr 2021 starteten wir deshalb pro Fellowship ein aus 12 Modulen bestehendes Weiterbildungsprogramm für unsere Projektpartner:innen.
Die Module umfassten folgende Themenkomplexe: Nutzerzentrierung, Führung, Open Data oder Agilität als Mindset und Methodik. Zusätzlich wurden die Inhalte durch Gastredner:innen aus verschiedenen Organisationen des öffentlichen Sektors ergänzt, die ihre Fallstudien, Erfolge und Stolpersteine auf dem Weg dorthin präsentierten. Unser Ziel war es, die Teilnehmer:innen besser und unabhängiger von den Fellows in die Lage zu versetzen, ihre neue Fähigkeiten in ihrem Arbeitsalltag zu etablieren und so eine langfristige Veränderung zu fördern. Ein besseres theoretisches und praktisches Verständnis für neue Arbeitsmethoden und Ansätze sollten dabei helfen.
Ein Jahr lang haben wir für beide Fellowships maßgeschneiderte Weiterbildungsmodule angeboten und dann am Ende in der Reflexion und durch Feedback festgestellt: das geht noch besser. Heute sind wir dazu übergegangen, ein Transformation-Team aufzubauen (dazu später mehr). Unsere Annahmen, Learnings und Iterationen haben wir im Folgenden zusammengefasst.
Learnings und Iterationen
Wille ist Silber, Zeit und Freiraum Gold
Unsere Annahme
Wir gingen davon aus, dass ein Weiterbildungsprogramm in einem Kontext, in dem sehr wenig Zeit für berufliche Weiterbildung zur Verfügung steht, mit offenen Armen empfangen werden würde. Aus verschiedenen Gründen war dies nicht der Fall, und die Beteiligung war durchweg geringer als sie hätte sein müssen, obwohl wir das Weiterbildungsprogramm als Pflichtelement der Fellowships präsentierten.
Was wir gelernt haben
Unserer Beobachtung nach wird das Lernen und die berufliche Entwicklung im föderalen, öffentlichen Dienst weder kulturell noch systematisch als Priorität angesehen. Insbesondere dann, wenn ein Weiterbildungsangebot „inoffiziell“ ist, heißt, dass es nicht von der für die berufliche Entwicklung im öffentlichen Sektor zuständigen Stelle zertifiziert ist.
Das ständige Abwägen von Prioritäten in einem ohnehin schon anspruchsvollen Job, verbunden mit dem sowieso schon bestehenden Kampf, um freie Zeit für die Teilnahme an den Fellowships per se, machte es vielen schwer, an den Weiterbildungsmodulen teilzunehmen.
Was wir geändert haben
Dieses Jahr gibt es kein gesondertes Weiterbildungsprogramm mehr. 2022 sind alle Lernelemente vollständig in die sowieso bereits bestehenden Elemente der Fellowships und Berührungspunkte eingebettet.
Weniger Theorie, mehr Praxisbezug
Unsere Annahme
Letztes Jahr haben wir viele Gastredner:innen und Expert:innen eingeladen, um die theoretischen Grundlagen von „New Work“ zu erläutern. Wir gingen davon aus, dass die Teilnehmer:innen, wenn sie die Theorie – und auch die Forschung – verstehen würden, eher in der Lage sind, diese zu übernehmen und auch anderen zu erklären (Stichwort: Multiplikatoreffekt). Zusätzlich nahmen wir an, dass die Gastredner:innen die Attraktivität des Weiterbildungsprogramms steigern würden.
Was wir gelernt haben
Wir bekamen vermehrt die Rückmeldung, dass die Theorie zwar hilfreich sei, die Teilnehmer:innen aber vor allem die praktischen und interaktiven Teile des Weiterbildungsprogramms genossen. Das waren Module, in denen wir verschiedene Methoden ausprobierten, die direkt in der täglichen Arbeit angewendet werden können.
Was wir geändert haben
In diesem Jahr leiten wir die Lernelemente zwar noch mit kurzen Inputs ein, der zeitliche Hauptfokus liegt aber auf der Praxis.
Zeit ist von entscheidender Bedeutung
Unsere Annahme
Die Weiterbildungsprogramme für jedes Fellowship bestanden aus zwölf Online-Modulen à 2,5 Stunden, die entweder wöchentlich oder zweiwöchentlich stattfanden. Mit diesem regelmäßigen Rhythmus wollten wir für Planbarkeit und Kompatibilität mit den Terminkalendern der Teilnehmenden sorgen und wiederum dadurch eine verlässliche Teilnahme erzielen.
Was wir gelernt haben
Entgegen unserer Annahmen war das Design des Weiterbildungsprogramms nicht förderlich für eine zuverlässige Teilnahme – fast im Gegenteil. Die wiederkehrenden Elemente hatten einen zu hohen logistischen Aufwand. Insbesondere der sich wiederholende, feststehende Charakter ist ein ungewohnter Rhythmus für die öffentliche Verwaltung. Die „kurze“ Dauer trug dazu bei, dass bei den Teilnehmenden oftmals Ablenkung durch Termine davor oder danach bestand. Zudem ist es natürlich so, dass dringende fachliche Themen nach wie vor oberste Priorität haben. Ein Konflikt, den wir nicht lösen können.
Was wir geändert haben
In diesem Jahr reduzieren wir insgesamt die Menge an Formaten und kondensieren die angebotenen Formate auf wenige, aber dafür längere Termine. Diese finden auch – solange es vertretbar ist – vor Ort statt, damit die Teilnehmenden sich durch das neue Umfeld besser auf neue Themen einlassen können.
Statt wöchentlicher Termine blocken wir einmal monatlich einen ganzen Tag. Diese Sitzungen sind konzentrierter und komprimierter. Der Vorteil ist, dass die Teilnehmer:innen wirklich von ihrer normalen Arbeit abschalten und in einem anderen Raum miteinander in Kontakt treten können.
Außerdem haben wir längere Workshops auch auf die Zeit vor und nach den Fellowships ausgelagert. Dadurch bleibt den Teilnehmenden mehr Zeit für die Arbeit mit den Fellows und gleichzeitig können wir die Vorbereitung und die Nachbereitung besser begleiten. Neu dieses Jahr ist beispielsweise ein zweitägiges methodisches Training für alle Projektpartner:innen bei Tech4Germany. Hier machen wir sie in komprimierter Version mit vielen der Methoden vertraut, die sie später gemeinsam mit den Fellows in der Projektarbeit erleben werden.
Verpflichtende mit optionalen Formaten kombinieren
Unsere Annahme
Im letzten Jahr war die Teilnahme am Weiterbildungsprogramm für alle Projektpartner:innen in dem Sinne verpflichtend, als dass die Teilnahme Teil des Vertrages war, den wir als Organisation mit den jeweiligen Ministerien schließen. Aus den oben genannten Gründen hat dies in der Praxis nicht funktioniert.
Was wir gelernt haben
Der Effekt war bei einem Teil der Teilnehmenden fast kontraproduktiv: Teilnehmer:innen, die die Sitzungen abbrachen, mit ausgeschalteter Kamera teilnahmen oder nebenbei E-Mails beantworteten erwiesen sich als demotivierend – sowohl für die anderen Teilnehmer:innen als auch für die Gastredner:innen oder externen Trainer:innen. Daneben gab es auch Projektpartner:innen, die die Extrameile gingen, an fast allen Formaten teilnehmen und sich voll und ganz in die Erfahrung stürzten, um so viel wie möglich zu lernen.
Was wir geändert haben
In diesem Jahr sind die wichtigsten Elemente in das Kerndesign der Fellowships eingebettet, sodass kein Unterschied mehr besteht, zwischen „Weiterbildung“ und anderen Fellowship-Elementen (siehe Abschnitt 1.).
Für diejenigen, die mehr lernen wollen und Zeit haben, gibt es zusätzliche Formate. Wie schon zu Beginn der Fellowships setzen wir auch hier wieder auf das Prinzip „Koalition der Willigen“. Wir hoffen, dass eine kleinere Gruppe von intrinsisch motivierten Teilnehmer:innen eine größere langfristige Wirkung hat als eine größere, lockere Gruppe von weniger motivierten Teilnehmer:innen.
Auf unser Fachwissen setzen, statt es von außen beziehen
Unsere Annahme
Viele der Module im vergangenen Jahr wurden von externen Trainer:innen oder Gastredner:innen konzipiert und durchgeführt. Wir sind davon ausgegangen, dass es sowohl förderlich für das Verständnis als auch attraktiver ist, wenn externe Expert:innen Themen durch Theorie oder Forschung erklären.
Was wir gelernt haben
Generell haben wir festgestellt, dass es nur wenige Personen gibt, die handfeste Erfahrungen mit Transformation im öffentlichen Sektor auf Bundesebene haben. Es fehlt an leicht übertragbaren Beispielen auf Bundesebene, weshalb wir teilweise auf andere Ebenen ausgewichen sind, was dann aber wiederum von den Teilnehmenden bemängelt wurde. Insgesamt hat die Suche und Koordination mit externen Sprecher:innen im Vergleich zum Outcome der Sessions unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch genommen.
Zeitgleich mussten wir feststellen, dass der Erfahrungsaustausch in den Sessions extrem wertvoll für unsere eigene Arbeit ist. Das dort generierte implizite Wissen hilft uns als Organisation enorm, komplexe Verwaltungssachverhalte und Herausforderungen für Verwaltungsmitarbeitende zu verstehen. Oftmals blieb dieses implizite Wissen aber bei den Workshop-Leiter:innen.
Was wir verändert haben
Deshalb haben wir ein internes Transformation-Team als festen Bestandteil des Fellowship-Teams aufgebaut. Aufgabe des Transformation-Teams ist es, die meisten der neuen Formate selbstständig zu konzipieren und umzusetzen. Darüber hinaus werden wir strategisch wichtige Projekte der Fellowships unterstützen und innerhalb des DigitalService den Wissensaustausch zwischen Fellows und Kolleg:innen, die oft mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind, stärken.
Learning by doing: Praktiziere, was Du predigst und höre auf Deine Nutzer:innen
Als einzige Organisation in Deutschland, die so umfangreiche Fellowship-Programme mit den Bundesministerien durchführt, befinden wir uns oft an der Schnittstelle zwischen zwei Bereichen: dem traditionellen Regierungsansatz und einem agilen New-Work-Ansatz. Was wir tun, ist oft noch nie zuvor in dieser Tiefe und Breite gemacht worden, und so bauen wir die Straße vor uns, während wir sie entlangfahren.
Wir probieren das, was wir predigen - machen, reflektieren, verbessern, wiederholen - selbst zu leben und entsprechend kontinuierlich besser zu werden. Einige der Änderungen, die wir in diesem Jahr vorgenommen haben, werden sich als erfolgreich erweisen, andere vielleicht nicht. Ebenso können einige Hypothesen bewiesen, andere widerlegt werden.
Wir freuen uns jetzt schon darauf zu verstehen und zu teilen, was wir in diesem Jahr lernen, und wir freuen uns darauf, von anderen Organisationen zu hören, die sich mit ähnlichen Hürden befassen!