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Eine Person mit langen hellen Haaren steht vor drei gleichen blauen Postern, die sie mit ihrem Telefon fotografiert – die Poster enthalten zwei Dutzend Zeilen Text.

Mit Kommuni­kations­design nutzerzentrierte Verwal­tungs­moderni­sierung unterstützen

Design hilft uns auf verschiedenen Ebenen, Verwaltung besser zu gestalten. Gestalten – im Englischen „to design“ – heißt, Dingen mit einer bestimmten Absicht eine bewusste Form zu geben. Es erfolgt dabei ein Eingriff in die Umwelt, der diese neu- oder umgestaltet – ein Prozess, der auch bei der Verwaltungsmodernisierung immer wieder stattfindet. Eine tragende Rolle spielen dabei die Gestaltung politischer Richtlinien und Konzepte (Policy-Design), die Gestaltung von Verwaltungsleistungen (Service-Design) und die Gestaltung von Mensch-Maschine-Schnittstellen (Interaktionsdesign). Doch auch Kommunikationsdesign, das in diesem Kontext eher selten mitgedacht und benannt wird, ist ein mächtiges Werkzeug.

Um die mit digitaler Transformation verbundenen neuen Denk- und Arbeitsweisen sowie Methoden zu vermitteln, braucht es Kommunikation mit klaren Botschaften. Kommunikationsdesign übersetzt diese spezifischen Botschaften prägnant durch Schrift, Farben und Bilder und gibt ihnen ein konkretes Erscheinungsbild. Dies hilft uns beim DigitalService schneller auf den Punkt zu kommen und Inhalte klar zu vermitteln – sowohl in der internen als auch in der externen Kommunikation und im Dialog mit der Verwaltung.

Mit dem Wachstum unserer Teams und unserer Aufgaben sahen wir in den letzten Monaten insbesondere drei Funktionen, die die gestalteten Medien erfüllen. Diese illustrieren wir im Folgenden mit Beispielen.

Vermitteln von Erkenntnissen und Transfer von Wissen

Unsere Projektteams entwickeln digitale Anwendungen für die Bundesverwaltung. Diese Projekte sind gekennzeichnet von einem kontinuierlichen Zyklus von Entwickeln, Messen und Optimieren. Ein elementarer Teil davon ist das permanente Lernen. Wir versuchen sicherzustellen, dass alle Erkenntnisse, die wir in den einzelnen Teams gewinnen, über die ganze Organisation hinweg geteilt werden. Dafür nutzen wir eigene Formate und Kanäle wie unsere interne Kommunikationsplattform oder unsere wöchentlichen Projekt-Updates. Da diese Medien jedoch kurzlebig sind, wollen wir zentrale Erkenntnisse zusätzlich so festhalten, dass sie alle Kolleg:innen erreichen und dauerhaft sichtbar sind. Unser Mittel der Wahl: gedruckte Formate.

Wir nutzen die begrenzte Größe von Plakaten und Stickern, um Inhalte auf den Punkt zu bringen. Sie erfordern die absolute Verkürzung von Informationen und bringen uns dazu, Aussagen zu präzisieren. Mal fassen sie aktuelle Einblicke zusammen, ein anderes Mal kommentieren sie situative Herausforderungen. Immer jedoch helfen sie, unsere Mission zu unterstützen: „Wir schaffen digitale Anwendungen des Staates, die die Bedürfnisse der Bürger:innen in den Mittelpunkt stellen und besser für alle funktionieren.“

Ein Beispiel: Im Spätsommer gab es bei unserem Online-Service für die Abgabe der Grundsteuererklärung ein deutlich erhöhtes Aufkommen an Support-Anfragen. Das Team erhielt pro Tag zwischen 150 und 200 Mitteilungen von Nutzenden, die Fragen hatten oder um Hilfe baten. In der Folge bauten wir unser Support-Team deutlich aus, um sicherzustellen, dass den Menschen schnell geholfen wird. Aus Respekt vor der Aufgabe, vor der das Team stand, entwickelten wir in Kürze ein Poster. Es fasst den Austausch zwischen Projektteams und dem Führungsteam zusammen.

Das Poster unterstreicht die immense Bedeutung von Nutzer-Support. Es verdeutlicht, dass guter Support nicht nur eine nachgeschobene Aktivität ist, sondern zentral für die Erfahrung ist, die Nutzende mit einer Verwaltungsleistung im Speziellen und damit letzten Endes mit der Verwaltung insgesamt machen.

Ein weiteres Poster entstand in unseren Fellowship-Programmen. Es zählt Handlungen, Gefühlszustände und Aussagen auf, die wir im Arbeitsalltag als „okay“ und somit ganz normal empfinden. Damit wollen wir daran erinnern, wie facetten- und abwechslungsreich menschliche Interaktionen im Arbeitskontext sein können. Vorschläge für die Liste kamen von den Fellows von Work4Germany und Tech4Germany, die zum Entstehungszeitpunkt tagtäglich eng mit Verwaltungsmitarbeitenden zusammenarbeiteten.

Ein blaues Plakat mit lila Klebestreifen an einer Wand angebracht, überschrieben mit: Es ist okay, Punkt, Punkt, Punkt und einer Auflistung von Dingen, wie: zu sagen, „Das verstehe ich nicht”, „einfach anzufangen“, “um Feedback zu bitten”

Wir starteten mit einer kleinen Auflage des „Es ist okay“-Posters, die wir zur Halbzeit der Fellowships an die Teilnehmenden verteilten. Schnell erreichten uns jedoch Anfragen von weiteren Verwaltungsmitarbeitenden, weshalb wir eine größere Auflage nachgedruckt haben und die Poster seit Herbst aktiv verteilen.

Ein für uns ganz wichtiges Plakat fasst einen Grundsatz zusammen, der zentral für unsere Arbeitsweise ist: „Erst das Problem, dann die Lösung“.

So offensichtlich für uns das Trennen von Problem- und Lösungsräumen sowie eine ergebnisoffene, erkenntnisgetriebene Herangehensweise sind, so verbreitet ist im Politikbetrieb häufig immer noch der Ruf nach schnellen – vermeintlich einfachen – Lösungen, wie vor einigen Monaten auch unsere Geschäftsführerin Christina in ihrer monatlichen Kolumne für den Behörden Spiegel schrieb. Wir benötigen jedoch zunächst ein gutes Verständnis von Nutzenden und deren Bedürfnissen, von Prozessen und Systemen, bevor wir uns auf einen bestimmten Lösungsansatz festlegen können. Dass wir nicht den zweiten Schritt vor dem ersten gehen können, daran soll das Poster erinnern.

Ein hellblaues Plakat, das an einer Glaswand in einem modernen Büroraum angebracht ist, hinter dem Menschen sitzen. Das Plakat zeigt 2 Schritte im Stil einer U-Bahn-Karte mit Zahlen: 2 Dann die Lösung 1 Erst das Problem Neben den Zahlen ist ein zusätzlicher Text angebracht.

Begleiten von Lernerfahrung und Veränderungsprozessen

Mit unseren Fellowship-Programmen Tech4Germany und Work4Germany bringen wir digitale Talente aus der Privatwirtschaft in die Bundesverwaltung. Über drei bzw. sechs Monate arbeiten Dutzende Fellows in und mit einer Vielzahl von Ministerien und Bundesbehörden an konkreten Projekten. Für viele sind die Programme neu, und der Ablauf ist erklärungsbedürftig. Entsprechend haben wir die Projektpartner:innen und Fellows in diesem Jahr wieder mit zahlreichen Kommunikationsmitteln unterstützt.

Ein Faltblatt für den Programmjahrgang 2022 half, einen Überblick über Tech4Germany zu geben, gelebte Überzeugungen zu erklären und zu erläutern, was Teilnehmende erwarten können.

Ein Faltblatt mit dem Logo von Tech4Germany diversen Zahlen, Listen und kleinen Abbildungen; ein größer gedruckter Satz sagt: „Tech4Germany ist das Fellowship des Bundes für nutzerzentrierte Software-Entwicklung.“; ein anderer Teil des Faltblattes sagt „Wir denken nutzerzentriert. Wir arbeiten agil und iterativ. Wir agieren erkenntnisgetrieben.“

In den Fellowships werden für die Verwaltung neuartige Methoden, Modelle und Arbeitsvorlagen verwendet und zu einem guten Teil auch selbst entwickelt. Bei Work4Germany machen wir die 2022 entstandenen Methoden- und Workshop-Vorlagen als Musterdokumente frei verfügbar. Zukünftige Fellows und Projektpartner:innen können so auf das wachsende Repertoire an Hilfsmitteln für die während des Fellowships angestrebte Transformation der öffentlichen Verwaltung zurückgreifen und aufbauen. Die Vorlagen sind funktional gestaltet, sodass sie schnell zugänglich sind.

Ein Blatt auf einem orangen Tisch, das eine Person anfängt, zu beschreiben – es ist überschrieben mit ,Selbsteinschätzung‘ und zeigt 8 verschiedene Skalen mit jeweils 8 Schritten untereinander

Jedes Jahr enden unsere Fellowships mit einer großen Abschlussveranstaltung. Sie markieren einen Moment großen Stolzes bei den Projektpartner:innen, den Fellows und dem Fellowship-Team. Sticker, die sagen: „2022 – ich war dabei!“, halfen am Veranstaltungstag, Zugehörigkeit zu zeigen und sorgen auf Laptops noch Monate später für Gespräche mit Kolleg:innen.

Eine weiße Frau mittleren Alters in weißer Bluse und rotem Blazer mit einem Mikrofon in der Hand und einem kleinen orange-weißen Aufkleber mit der Zahl 2022.

Je nach Intention und abhängig vom Kommunikationsmittel bleibt das Design der gestalteten Medien im Hintergrund und gibt einfache Hilfestellungen oder setzt visuelle Akzente, um aufzufallen. Während der Sticker ins Auge stechen soll, muss das Arbeitsblatt schnell verständlich sein.

Festhalten von Meilensteinen und Wertschätzung von Erreichtem

Transformation ist oft lang, zäh und anstrengend. Umso wichtiger ist es, Erfolge zu feiern und das Erreichen von Meilensteinen festzuhalten. Inspiriert von der seit Jahren etablierten Tradition von Teams anderer staatlicher Digitalisierungseinheiten und abgeleitet von den Abzeichen der NASA-Weltraummissionen, haben wir in diesem Jahr damit begonnen, das von unseren Projektteams Erreichte mit Stickern zu dokumentieren.

Man mag Sticker als albernen oder kindischen Kram abtun, doch erfüllen sie gleich mehrere Funktionen. Sticker sind kleine Belohnungen für getane Arbeit, zeigen die Zugehörigkeit zu einem Team und können Ausdruck von Meinungen und Werten sein. Zusammen mit den Designer:innen im jeweiligen Team gestalten wir Sticker, wenn ein neuer Service an den Start geht oder ein anderes wichtiges Etappenziel erreicht wird.

Mehrere bunte Aufkleber auf einem schwarzen Laptop, der auf einem weißen Schreibtisch neben einem Mobiltelefon steht – der Aufkleber im Fokus zeigt einen rot-blauen Vogel vor einem Haus sitzend und dem Aufdruck: „Grundsteuererklärung für Privateigentum – Juli 2022“; ein zweiter Sticker daneben sagt: „Kein Nerdprojekt“, die anderen Aufkleber sind unscharf und angeschnitten

Sticker helfen Teams, sich als Team zu fühlen. Einige Sticker sind bewusst exklusiv und nur für Personen gedacht, die an einem Projekt mitgearbeitet und einen direkten Beitrag geleistet haben. Der erste Sticker wurde für den Start unseres Grundsteuer-Services im Juli 2022 erstellt. Wie viele andere Digitalteams entschied sich das Team für ein Tier – einen Vogel –, das ihre gemeinsame Erfahrung der Entwicklungsarbeit kennzeichnet.

Sticker gibt es jedoch nicht nur für Meilensteine von Teams, sondern auch für andere einmalige oder wiederkehrende Aktivitäten. Ein schönes Beispiel ist der Sticker für unsere Barrierefreiheit-Checks, die wir mit Pizza als Stärkung seit Juni mehrfach durchgeführt haben. Teilnehmende bekamen den Sticker als kleines Dankeschön und haben ihn sichtbar für andere auf dem Laptop. Das macht das Format durch die ganze Organisation hindurch bekannt.

Mehrere Sticker auf einem silbernen Laptop-Computer – der Aufkleber im Fokus zeigt ein Stück Pizza mit geschmolzenem Käse und kleinen grünen Kräutern, die wie kleine grüne Haken ausschauen – drum herum steht in englischer Sprache geschrieben: von Pizza angetriebene Prüfung auf Barrierefreiheit.

Weitere Sticker dienen dazu, unsere Ansichten und Ideen in die Verwaltungswelt zu tragen. Einer sagt „Du ≠ Nutzer:in“ und ist vermutlich der beliebteste. Er erinnert uns daran, dass unsere Lebensumstände und Bedürfnisse in den meisten Fällen nicht die der Nutzenden – in unserem Fall der Bürger:innen Deutschlands – sind und wir deshalb Nutzerforschung brauchen. Denn lediglich von den eigenen Bedürfnissen und Perspektiven ausgehend, gestalten wir keine Lösungen, die für ihre tatsächlichen Nutzenden funktionieren.

Mehrere farbige Sticker auf einem grauen Laptop-Computer – die Sticker im Fokus sagen ,Kein Nerdprojekt‘, ,Du ungleich Nutzer:in‘ und ,Gestalten statt verwalten

Je weiter unsere Plakate und Sticker sich verbreiten und je mehr Menschen sie erreichen, desto größer die Chance, dass sie zu einem Austausch über nutzerzentrierte, iterative und erkenntnisbasierte Verwaltungstransformation anregen.

Der mit dieser Verwandlung verbundene Kommunikationsbedarf ist groß, und jede und jeder Einzelne kann dazu beitragen. Bereits ein einzelnes Poster an der Bürowand mit Thesen zu neuen Arbeits- und Denkweisen kann zu einem Gespräch führen, das nach und nach Veränderungsprozesse ins Rollen bringt. Deshalb sind alle unsere Poster auf GitHub, einer Plattform für kollaborative Software-Entwicklung, zum Herunterladen verfügbar. Bisher haben unter anderem Kolleg:innen aus der Kommunalverwaltung in Freiburg die Plakate heruntergeladen, ausgedruckt und aufgehängt. Auf GitHub kann man direkt den Ordner abonnieren oder dem DigitalService auf LinkedIn oder Twitter folgen, um nichts zu verpassen.

PS: Wünschen Sie sich eines der blauen „Es ist okay“-Poster für Ihr Büro? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail an hallo@digitalservice.bund.de mit Ihrer Adresse, und wir senden Ihnen eines zu.


Portrait Foto des Autors Martin Jordan

Martin Jordan

arbeitet als Head of Design & User Research beim DigitalService. Zuvor war er für über sechs Jahre als Head of Service Design im Cabinet Office in London tätig. Dort trieb er beim Government Digital Service die digitale Transformation der britischen Verwaltung und ihrer Verwaltungsdienstleistungen voran. Auch verantwortete er den britischen Servicestandard und das GOV.UK Service Manual. Martin ist leidenschaftlicher Bahnreisender. In den vergangenen Monaten fuhr er mit dem Zug von Berlin nach Edinburgh in Schottland und Barcelona in Spanien. Als Nächstes stehen Schweden und Süditalien auf der Reiseroute.

Portrait Foto der Autorin Daphne Braun

Daphne Braun

ist Kommunikationsdesignerin beim DigitalService. Nach ihrem Designstudium arbeitete sie im Bereich Grafik- und Editorialdesign. 2018 begann sie ein Masterstudium in Potsdam. Mit ihrer mehrfach ausgezeichneten (Abschlussarbeit über die Wirkung von Gender im Design) hat sie sich mit dem Thema Chancengerechtigkeit auseinandergesetzt. Ihr Wissen bringt sie nun auch beim DigitalService ein. Am Wochenende entflieht sie der Arbeit am Computer am liebsten beim Töpfern an der Drehscheibe oder bei Diskussionen in Berlins Kneipen über das Ende des Patriarchats.