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Monitore aufgereit auf einem Schrank

Durch Umsetzung überzeugen: Die strategische Ausrichtung des DigitalService für 2022 und darüber hinaus

Wir haben eine klare Vision: Wir arbeiten für ein digitales Deutschland.
Aber wie kann es uns gelingen, diese Vision Realität werden zu lassen? Welchen Beitrag können wir als DigitalService dazu leisten? Worauf sollen wir uns fokussieren, um den größten Impact zu haben? Und, nicht minder wichtig: Wo sollten wir uns auch nicht einbringen?

Mit genau diesen Fragestellungen haben wir uns Ende 2021 – mit vielen Learnings aus unserem ersten Jahr als Bundes-GmbH – intensiv auseinandergesetzt. Darauf aufbauend haben wir für uns die strategische Ausrichtung als DigitalService für 2022 und darüber hinaus definiert. In diesem Blog möchten wir unsere Ziele transparent machen. Die Strategie als Volltext gibt es hier zum Download.

Vision

Wir sind überzeugt: Der Staat muss den Erwartungen von Bürger:innen, Wirtschaft und Gesellschaft hinsichtlich einfacher, nachvollziehbarer und funktionierender digitaler Anwendungen endlich gerecht werden.

Die rasante technologische Entwicklung und die Möglichkeiten der Digitalisierung verändern grundlegend, wie sich Menschen im privaten, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext organisieren und interagieren. Den daraus resultierenden, nötigen Paradigmenwechsel eines analogen Staates über reines e-Government hinaus zu einem „by Design“ digitalen Staat wollen wir vorantreiben.

Als bundesinterne, zentrale Digitalisierungseinheit treten wir an, agile Software-Entwicklung und nutzerzentrierte Arbeitsweisen in die öffentliche Verwaltung zu bringen und als Standard zu etablieren. Wir entwickeln digitale Anwendungen agil und fördern den Kompetenzaufbau in der Verwaltung über Fellowship-Programme. Wir fokussieren uns konsequent auf Umsetzung.

Mission

„Wir schaffen digitale Anwendungen des Staates, die die Bedürfnisse der Bürger:innen in den Mittelpunkt stellen und besser für alle funktionieren.“

Zwar bleibt unsere gleich zu Beginn niedergeschriebene Mission nahezu unverändert. Aber im ersten Jahr haben wir gelernt, dass agiles Vorgehen in der Software-Entwicklung für die öffentliche Verwaltung einen Paradigmenwechsel darstellt, auf den ihre Strukturen, Prozesse und Projektlogiken nicht angepasst sind. Es muss ein grundlegendes Umdenken stattfinden: von vorab durchgeplanten Großprojekten, die über Jahre streng in Phasen umgesetzt werden, hin zu agil, nutzerzentriert und datengetrieben entwickelten Anwendungen, die früh produktiv gehen und schon Mehrwert liefern, während sie als Service kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Unsere Rolle 2022 und darüber hinaus

Wir wollen dazu beitragen, die IT-strategischen Bemühungen und die Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland auf das Zielbild eines digitalen Staats auszurichten. Das ist ein langfristiges und ambitioniertes Unterfangen. Um perspektivisch auch systemisch zu Veränderung beitragen zu können, fokussieren wir uns in den nächsten 18-24 Monaten auf drei Ziele:

Ziel Nr. 1: Wir entwickeln strategisch relevante, digitale Anwendungen des Staats erfolgreich selbst.

Mit unseren Teams und Produkten beweisen wir, dass der Staat schnell funktionierende digitale Lösungen entwickeln und nachhaltig anbieten kann, die konsequent von den Bürger:innen, der Wirtschaft und der Gesellschaft her gedacht sind. Dazu entwickeln wir gemeinsam mit den Fachverantwortlichen der Bundesverwaltung digitale Anwendungen, die die Bedürfnisse der Nutzer:innen in den Mittelpunkt stellen und messbar besser für alle funktionieren. Wir bringen Nutzerakzeptanz in Einklang mit den Anforderungen an Sicherheit, Datenschutz und Zugänglichkeit – ohne Kompromisse einseitig zu Lasten der Nutzbarkeit. Die wichtigsten Aspekte:

  • Wir konzentrieren unsere Ressourcen auf Anwendungen, die Bürger:innen, Unternehmen und andere gesellschaftliche Akteure in der Breite erreichen und konkrete Probleme lösen.
  • Wir schneiden die Projekte so, dass wir in kurzer Zeit ein minimal funktionsfähiges Produkt (MVP) produktiv setzen können, um Anwendungen möglichst schnell mit der Realität zu konfrontieren und das Risiko von Fehlentwicklungen zu minimieren.
  • Wir übernehmen Erfolgsverantwortung für unsere Digitalprodukte und arbeiten mit der zuständigen Fachseite auf Augenhöhe in einem interdisziplinären Team zusammen. Dieses Team steuert selbstständig die Priorisierung in der Umsetzung, die Bewirtschaftung des Projektbudgets und die Koordinierung fachlicher Abstimmungsbedarfe.
  • Wir arbeiten datengetrieben und wirkungsorientiert: Für jede Anwendung definieren wir Metriken, mit denen wir Nutzung und Zufriedenheit messen.
  • Wir entwickeln Anwendungen mit dem Anspruch, sie nach dem Launch unter ständiger Einbeziehung der Nutzer:innen weiter zu entwickeln. Anwendungen, die nicht die geplante Wirkung erzielen, stellen wir auch wieder ein.
  • Wir analysieren eigenständig Fortschritte und Hürden hin zu einem digitalen Staat und identifizieren Potenziale für sinnvolle Produktentwicklungen aus Sicht der Bürger:innen.

Was wir nicht tun:

  • Beratungs- oder Forschungsprojekte ohne konkrete Umsetzungsverantwortung durchführen.
  • Rein verwaltungsinterne Digitalisierungsprojekte umsetzen. Aber wir berücksichtigen in unseren Anwendungen auch die Verwaltungsseite als Nutzer:in.

Ziel Nr. 2: Wir stärken die Digitalisierungs­macher:innen der Bundesverwaltung bei der agilen, nutzerzentrierten Umsetzung ihrer Vorhaben.

Eine souveräne digitale Verwaltung braucht digital kompetente Mitarbeitende. Wir können nur gemeinsam mit der verwalterischen und fachlichen Expertise aus der Verwaltung erfolgreich sein. Mit den Fellowship-Programmen Tech4Germany und Work4Germany unterstützen wir daher die Digitalisierungsmacher:innen in der Verwaltung, ihre Vorhaben agil und nutzerzentriert umzusetzen. Wir fördern praxisbezogen den Aufbau der für einen digitalen Staat notwendigen Kompetenzen.

Über die Fellowships tragen wir ganz praktisch zum Aufbau von erforderlichen Kompetenzen bei. Wir sichern Nachhaltigkeit und Skalierbarkeit durch ressortübergreifende Vernetzung.

  • Wir verknüpfen Umsetzung und Begleitung von Projekten stets mit der Befähigung der Verwaltungsmitarbeitenden. Wir beraten nicht als Außenstehende, wir unterstützen von innen und bilden weiter durch „learning by doing“.
  • Wir begleiten den Kompetenzaufbau durch die Anwendung neuer Arbeitsweisen im eigenen Arbeitsumfeld mit darauf abgestimmten, anwendungsorientierten Formaten zur Weiterbildung.
  • Wir sorgen für sektorübergreifenden Wissensaustausch und die Stärkung von Umsetzungskompetenz: Fellows und erfahrene Managementprofile wirken zeitlich begrenzt in der öffentlichen Verwaltung zusammen.
  • Wir treiben den Kulturwandel und Kompetenzaufbau in der Bundesverwaltung voran, indem wir für Digitalisierungsverant­wortliche eine vertrauliche Basis zum Austausch und miteinander Lernen bieten. Dazu kooperieren wir mit übergreifenden Netzwerken wie dem NExT-Netz e.V..
  • Wir intensivieren den Aufbau von Partnerschaften (z.B. Digitalakademie, e-Government- Campus, FITKO, NExT-Netz, GovTech Campus), um den Kompetenzaufbau zu skalieren.

Was wir nicht tun:

  • Klassische Weiterbildungskurse, Schulungen und Zertifizierungen anbieten.
  • Außerhalb der Fellowships Organisations- oder Prozessberatung anbieten.
  • Die Fellowship-Programme selbst auf Landes- und Kommunalebene ausweiten.
  • Bestehende Initiativen doppeln. Wo wir können, kooperieren wir mit anderen Akteuren (wie den oben genannten), um Doppelstrukturen und Parallelarbeiten zu vermeiden.

Ziel Nr. 3: Wir treiben den Paradigmenwechsel hin zu agiler, nutzerzentrierter, datengetriebener Software-Entwicklung in der Breite voran.

Eine agile und nutzerzentrierte digitale Verwaltung erfordert ein strukturelles Umdenken in Bezug auf IT und Digitalisierung. Dieses Umdenken leben wir transparent vor, fördern und fordern es aber auch. Wir denken die Befähigung der Verwaltungsbeschäftigten stets mit.

Durch uns entwickelte, funktionierende und akzeptierte digitale Anwendungen helfen uns, davon zu überzeugen, dass agile, nutzerzentrierte, offene und datengetriebene Software-Entwicklung auch im deutschen Verwaltungskontext messbar bessere Ergebnisse liefert. Wir arbeiten aktiv darauf hin, dass sich Rahmenbedingungen und Mindset für einen digitalen Staat nachhaltig verbessern.

  • Wir verstehen Code und Arbeitsergebnisse als öffentliche Güter und stellen diese, soweit möglich, offen und nachnutzbar zur Verfügung („Public Money, Public Code“).
  • Wir setzen auf in der Verwaltung und der Industrie breitflächig akzeptierte und verwendete technische Komponenten und Standards.
  • Wir tragen über die Bereitstellung wiederverwendbarer Software-Entwicklungskomponenten, Design-Systeme sowie Vorgehensmodelle zu einer Harmonisierung und Effizienzsteigerung der Verwaltungsdigitalisierung bei (Open Source).
  • Wir teilen unsere Arbeit öffentlich und transparent, um Dialog und Kollaboration in der Verwaltung und mit der digitalen Zivilgesellschaft zu ermöglichen („working in the open“).
  • Wir bereiten unsere Erkenntnisse auf und bringen unsere Umsetzungsexpertise ein, wenn Standards gesetzt und strategische Portfolio-Entscheidungen getroffen werden.
  • Wir arbeiten mit messbaren Zielen und Wirksamkeitskriterien für datengetriebene Steuerung und Erfolgskontrolle.
  • Wir verstehen uns als Reallabor und Lernmuskel für Verwaltungsdigitalisierung und wollen Herausforderungen strategisch diskutieren, um nachhaltige und skalierbare Lösungen zu finden.

Was wir nicht tun:

  • Technologieorientiertes Trendscouting (z. B. Blockchain, KI, Quantencomputing). Wir besitzen aber das Know-how um Potenziale neuer Technologien, wie beispielsweise KI, für die effektive, nutzerzentrierte Digitalisierung der Verwaltung zu nutzen.
  • Formale Standards setzen. Unser Praxiswissen bringen wir informell ein bei Gremien und Akteuren mit Mandat zu Standardisierung.
  • Kontrolle über zentrale Domains oder Plattformen ausüben. Wir können die Einhaltung bestimmter, nutzerzentrierter Vorgaben über unsere Produkte hinaus nicht sicherstellen.
  • Beratung zu Beschaffungsthemen. Unser Fokus liegt auf Eigenentwicklungen, nicht auf Förderung von Innovation im Beschaffungswesen und Zusammenarbeit mit Start-ups.

Rahmenbedingungen

Damit wir diese Ziele erreichen können, brauchen wir klare Rahmenbedingungen und gewisse Freiheiten. Dazu zählen:

  • Frühzeitige Einbindung in die Entwicklung von 3-5 strategisch relevanten, digitalen Anwendungen der neuen Bundesregierung. Agiles Vorgehen erfordert, Produkt- und Methodenexpertise schon ab Definition von Projektzielen und -planungen einzubringen.
  • Freiheit zur agilen Umsetzung von Digitalprojekten im Rahmen gesetzlicher Vorgaben. Das erfordert von Auftraggeberseite den expliziten Willen, Anwendungen agil und iterativ zu entwickeln und die Bereitschaft der Leitung als mögliche Eskalationsebene zu unterstützen.
  • Einplanung von Personalressourcen für eine oder mehrere fachverantwortliche Verwaltungsmitarbeitende als integrierten Teil des Entwicklungsteams.
  • Verantwortung für den Produktbetrieb. Ausgelagerter Betrieb erschwert schnelle Iterationen und Releases, denn die Komplexität der Prozesse steigt mit externen Abhängigkeiten.
  • Eine moderne cloudbasierte Entwicklungs- und Betriebsumgebung für staatliche Lösungen (vielversprechend sind aktuelle Bemühungen bzgl. deutscher Verwaltungscloud).
  • Eine nachhaltige Finanzierung für die Fellowship-Programme und die ressortübergreifende Community-Arbeit. Durch zentrale Finanzierung sind die Programme für die Willigen in der Breite der Bundesverwaltung zugänglich.
  • Die Verstetigung der Fellowships als strategische Vehikel, mit dem ressortübergreifend Modernisierungsmaßnahmen umgesetzt und der Kulturwandel im Staat hin zu kollaborativer, ergebnisorientierter Zusammenarbeit gefördert werden.
  • Die Freiheit, über unsere Arbeit auch unabhängig von ministerieller Öffentlichkeitsarbeit und politischer Kommunikation zu berichten. Wir bauen unsere eigenen Kommunikationskanäle aus, um Erkenntnisse, Erfolge und Misserfolge offen zu teilen.

Unsere Ziele sind ambitioniert, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit den hoch engagierten Menschen, die uns in der Verwaltung begegnen, in den nächsten zwei Jahren viel erreichen können. Nicht nur ist unser DigitalService Team mittlerweile auf rund 70 Mitarbeitende angewachsen und wird jeden Monat größer, auch die Ministerien zeigten zu Beginn des Jahres direkt großes Interesse daran, an unseren Fellowship-Programmen teilzunehmen. Und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen und nutzerzentriert zu denken, wächst spürbar.

Außerdem finden sich viele der für uns so wichtigen Grundsätze – Agilität, Bürger:innenzentrierung, Open Source, „Public Money, Public Code“, transparentes Regierungshandeln – im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wieder. Das sind richtig gute Startbedingungen.

Disclaimer: Diese strategische Ausrichtung spiegelt den heutigen Stand (März 2022) unserer Erfahrungen und Einblicke wider. Wir werden regelmäßig hinterfragen, ob das, was wir aufbauen, die beabsichtigte Wirkung erzielt und gehen davon aus, dass sich unsere Strategie entlang der Erkenntnisse, die wir gewinnen, ändern und anpassen wird.


Porträtfoto der Autorin Christina Lang

Christina Lang

ist CEO und Mitgründerin des DigitalService. Davor arbeitete sie im Auswärtigen Amt im Stab Digitalisierung und als Strategieberaterin bei McKinsey & Company. Gründen war für die Juristin eigentlich kein Thema – bis sie eigene Erfahrungen mit dem Quereinstieg in den öffentlichen Sektor sammelte. „Das muss doch besser gehen“, dachte sie und versucht seither, zwischen Verwaltung und Digitalwelt zu übersetzen.


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