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Eine Person zeigt mit dem Finger auf den Bildschirm eines Laptops, auf dem eine Benutzeroberfläche mit dem Titel „Paragraph“ zu sehen ist, während im Hintergrund ein zweiter Laptop mit geöffnetem Videoanruf sichtbar ist.

Neue Webseite: Beispiele für digitaltauglich formulierte Regelungen

„Es fehlen Beispiele!“, das haben 52 von 114 Mitarbeitenden der Verwaltung angegeben, die wir zu ihrer Arbeit mit dem Digitalcheck befragt haben. Das wollen wir ändern. Beispiele gibt es jetzt auf einer neuen Webseite: Auf beispiele.digitalcheck.bund.de stellen wir Gesetzestexte dar, die die Prinzipien der digitaltauglichen Gesetzgebung gut im Gesetzestext umgesetzt haben. Die Beispiele geben Mitarbeitenden in der Verwaltung Orientierung und Inspiration, um ihre Gesetzesvorhaben digitaltauglich zu gestalten. Im Blogbeitrag erklären wir den Aufbau der Webseite. Zusätzlich erläutern wir, welche einheitlichen Datenstandards für eine digitale Gesetzgebung geeignet sind, um Re­gel­un­gen für alle besser zugänglich zu machen und die Datenqualität drastisch zu erhöhen.

Fünf Prinzipien sind verpflichtend

Seit 2023 ist der Digitalcheck für neue Regelungsvorhaben verpflichtend. Legist:innen sind deshalb dazu angehalten, Gesetze anhand der „Fünf Prinzipien für digitaltaugliche Gesetze“ auszuformulieren:

  1. Digitale Kommunikation sicherstellen
  2. Wiederverwendung von Daten und Standards ermöglichen
  3. Datenschutz und Informationssicherheit gewährleisten
  4. Klare Regelungen für eine digitale Ausführung finden
  5. Automatisierung ermöglichen

Ausführlich haben wir die fünf Prinzipien in diesem Blogbeitrag erklärt: „Digitalcheck: Fünf Prinzipien für digitaltaugliche Gesetze“. Überprüft wird die Digitaltauglichkeit vom Nationalen Normenkontrollrat (NKR), der den Digitalcheck zusammen mit den Ministerien unter Federführung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) und dem DigitalService entwickelt hat. Über 350 dieser „Dokumentationen“, die die Legist:innen beim NKR einreichen müssen, gibt es inzwischen – ein reichlicher Fundus für unsere Webseite.

Aufbau der Webseite: Praktisch, verständlich, übersichtlich

Seit Dezember 2024 ist die Webseite beispiele.digitalcheck.bund.de live. Auf ihr finden sich Gesetzestexte, in denen die fünf Prinzipien für digitaltaugliche Gesetze besonders gut formuliert und integriert wurden.

Die Webseite ist ein Minimum Viable Product (MVP). Sie beinhaltet also erste wichtige Funktionen und wird nach und nach um neue Funktionen erweitert.

Aktuell ist die Webseite nach den fünf Prinzipien gegliedert: Mit dem Klick auf ein Prinzip öffnet sich eine Bibliothek an Beispielen zum jeweiligen Prinzip. Die Beispiele sind alle wie folgt aufgebaut:

  1. Zuerst wird der tatsächliche Gesetzestext zusammen mit der Angabe des ent­spre­chen­den Paragraphen aufgeführt. In diesem sind die gelungenen Formulierungen markiert.
  2. Es folgt eine Einschätzung des Digitalcheck Teams, warum die gewählte Formulierung im Kontext der Regelung besonders gut gelungen ist und wie sie das Prinzip erfüllt.
  3. Für weitere Informationen kann das gesamte „Quellgesetz“ eingesehen werden, um den Kontext besser zu verstehen.

Optional werden auch Visualisierungen und NKR-Stellungnahmen abgebildet, sollten sie im Zuge des Gesetzgebungsprozesses erstellt worden sein.

Die Webseite enthält damit Praxisbeispiele für Verwaltungsmitarbeitende, die ihnen als Orientierung in ihrer täglichen Arbeit dienen sollen. Wir bedienen damit ein direktes Be­dürf­nis der Anwendenden des Digitalcheck, die sie in Gesprächen immer wieder geäußert haben: Beispiele für gute Formulierungen.

Zwei Personen sitzen in einem modernen Büro an einem Tisch. Eine Person mit schwarzem Pullover spricht, während die andere Person mit Brille und dunklem Hemd aufmerksam zuhört. Im Vordergrund sind unscharfe Gegenstände wie ein Glas und eine Trinkflasche sichtbar.

Hand verlesen: So erarbeiten wir die Beispiele

Aktuell sucht das Digitalcheck Team die Beispiele selbstständig zusammen. Hinweise er­reich­en uns zum Beispiel aus dem NKR oder vom Supportteam des Digitalcheck. Somit gibt es zum Start meist einen Gesetzestitel, manchmal auch eine Vorgangsnummer des Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentsmaterialien (DIPs).

Wenn wir ein Gesetz als gutes Beispiel identifiziert haben, dann setzt sich das Team händisch an die Beschaffung: Nur das DIP macht es aktuell möglich, Gesetzestexte direkt technisch zu importieren. Sie arbeiten mit einer gut auslesbaren und dokumentierten Schnittstelle (API). Wir nutzen für unsere Webseite aber auch Gesetze, die noch nicht im Parlament sind: Die Gesetze finden wir z. B. als PDF auf den Webseiten der Ministerien.

Wenn wir alle Inhalte zusammengetragen haben, beginnen wir mit der Aufbereitung. Dafür nutzen wir ein Content Management System (CMS). Die Beispiele werden mit weiteren Informationen ergänzt und dann auf der Webseite veröffentlicht. Die Inhalte sind mit­ei­nan­der verknüpft, sodass Textpassagen gezielt nach Schlagwörtern gefiltert werden können. Das erleichtert es Nutzenden, relevante Inhalte schnell zu finden.

Auf der Webseite findet sich darüber hinaus eine Erklärung, warum das Beispiel gut ist. Diese Erläuterung basiert auf der Einschätzung unseres interdisziplinären Digitalcheck Teams. Zum Abschluss des Prozesses überprüfen wir gemeinsam mit dem für die Re­ge­lung federführenden Referat die Korrektheit aller Inhalte.

Insgesamt ist dieses Vorgehen sehr aufwendig, da es technisch derzeit kaum au­to­ma­ti­sier­bar ist. Doch der Aufwand lohnt sich. Zahlreiche Interviews, Nutzertests und Online-Befragungen haben wiederholt ein deutliches Bedürfnis nach Orientierung anhand von Beispielen offenbart. Dieses Bedürfnis wird durch das neue Angebot gestillt.

Für viele Verwaltungsmitarbeitende ist die Anwendung der fünf Prinzipien für di­gi­tal­taug­liche Gesetze noch neu. Die Praxisbeispiele unterstützen die Mitarbeitenden beim For­mu­lie­ren und befähigen sie, langfristig digitales Recht zu gestalten. Zudem fördert dies eine transparente Gesetzgebung, wovon auch die Zivilgesellschaft profitiert.

Ausblick: Was den Ausbau erleichtern würde

Aktuell ist nur eine begrenzte Anzahl an Beispielen auf der Webseite verfügbar. Der Fundus kann selbstverständlich erweitert werden – was wiederum ganz neue Mög­lich­kei­ten der Analyse und Mustererkennung eröffnen und zur Standardisierung beitragen könnte. Eine solche Erweiterung ist aktuell jedoch nur mit viel Aufwand möglich. Damit sich das ändert, bräuchte es strukturelle Veränderungen im Rechtsetzungskreislauf:

  1. Einheitliche Struktur von Gesetzestexten: Gesetzestexte sollten in einer einheitlichen, maschinenlesbaren Struktur verfasst und bearbeitet werden. Die Grundlagen dafür sind mit dem LegalDocML.de-Format geschaffen worden. Allerdings fehlt bislang ein Editor, der eine strukturierte Dateneingabe über den gesamten Rechtsetzungskreislauf ermöglicht. Mit der E-Gesetzgebung soll ein solches Tool bereitgestellt werden. Idealerweise sollte ein solcher Editor nach EU-Vorbild als Open-Source-Lösung zur Verfügung gestellt werden.
  2. Frühzeitige Bereitstellung von APIs für den Rechtsetzungskreislauf: Beschriebene APIs sollten insbesondere in den frühen Phasen des Rechtsetzungskreislaufs bereitgestellt werden. Ein Beispiel hierfür ist das Dokumentations- und Informationssystem für Par­la­ments­mat­erialien, das diese Funktionen für den Bundestag und Bundesrat bereits teilweise abbildet. So wären z. B. Referentenentwürfe in einer standardisierten Form auffindbar.
  3. Transparente Darstellung des Status im Gesetzgebungsprozesses: Der Status eines Gesetzes sollte während des gesamten Rechtsetzungskreislaufs transparent dar­ge­stellt werden. Im ersten Schritt wäre es daher notwendig, eine Schnittstelle zur E-Gesetzgebung sowie zum Planungs- und Kabinettmanagement-Programm zu schaf­fen. Dadurch könnten Änderungen direkt nachverfolgt und in Echtzeit dokumentiert werden.

Jeder dieser Punkte würde neue Funktionen auf beispiele.digitalcheck.bund.de ermöglichen und zu einer nutzerfreundlicheren Darstellung beitragen. Wir sind auch offen für Vorschläge, welche weiteren Funktionen die Webseite in Zukunft bieten sollte. Geplant ist bereits, weitere Visualisierungen aus Gesetzesvorhaben zu veröffentlichen – ein Bereich, in dem auch seitens der Verwaltung ein großes Bedürfnis nach Orientierung besteht. Eine weitere Erweiterungsoption ist die Integration von Landesgesetzen auf der Webseite. Hierzu sind wir bereits mit einigen Ländern im Austausch.

Vorschläge können gerne per E-Mail an digitalcheck@digitalservice.bund.de geschickt werden.

Wie wir die Webseite technisch umgesetzt haben

Hinweis: Im folgenden Abschnitt erläutern die Software Engineers des Digitalcheck Teams die technischen Aspekte zum Aufbau und zur Pflege der Webseite. Zudem geben sie fachliche Empfehlungen. Dabei werden vermehrt Fachbegriffe verwendet, die für Personen, die nicht mit der Softwareentwicklung vertraut sind, möglicherweise schwer verständlich sind. Sollte dennoch etwas unklar bleiben, beantworten wir gerne Fragen über die Kommentarspalte unten auf der Seite.

Eine Person arbeitet an einem Laptop, auf dessen Bildschirm eine Benutzeroberfläche mit dem Titel „Absatz“ angezeigt wird. Im Hintergrund sind ein zweiter Laptop mit einem Videoanruf sowie unscharfe Bürogegenstände wie eine Schüssel und eine Maus zu erkennen.

Abruf der Texte – DIP, BSCW Server und automatisches Auslesen

Um unsere initiale Recherchearbeit zu erleichtern, haben wir eine Python-Pipeline in einem Jupyter-Notebook programmiert. Anhand der Vorgangsnummer einer Drucksache des DIPs verknüpfte diese automatisiert mehrere Quellen. So verbanden wir die In­for­ma­tionen des DIP und des NKR. Dafür lud die Pipeline den Regelungstext und die Metadaten aus DIP und ausgefüllte Digitalcheck-Dokumente vom BSCW-Server des NKR. Dann extrahierte sie aus dem Regelungstext die in den Digitalcheck-Dokumentationen der Referate erwähnten Paragraphen mit Hilfe eines Large-Language-Models. Schlussendlich wurden diese Daten in unser Content-Management-System (CMS) geladen, wo sie als Grundlage für weitere redaktionelle Arbeit dienen, bevor sie auf unserer „Beispiele für Digitaltauglichkeit“-Seite angezeigt und in Kontext gesetzt werden.

Im Endeffekt zeigte sich jedoch, dass eine Automatisierung dieses Rechercheprozesses aufgrund der Datenlage nur schwer umzusetzen ist und so blieb die Pipeline ein Ex­pe­ri­ment, das wir nicht für die aktuelle Erarbeitung der Inhalte verwenden.

Grenzen der Automatisierung – Datenverfügbarkeit und Datenqualität

Durch die heterogene Datenlage stieß die Pipeline an ihre Grenzen. Gesetze befinden sich in verschiedenen Stadien (vom Referentenentwurf bis zur Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt). Gerade in den frühen Phasen gibt es keine einheitliche Verfügbarkeit der Texte oder Schnittstellen ähnlich zu der des DIP, die eine einfache Weiterverwendung ermöglichen. So müssen wir die Regelungstexte je nach Stadium auf den un­ter­schied­li­chen Seiten der Ministerien, im DIP oder schon im Bundesgesetzblatt suchen. Es gibt nur spo­ra­disch Einblicke in den Bearbeitungsstatus eines Gesetzes, also Informationen darüber, in welchem Erarbeitungs-/Abstimmtungsschritt sich dieses befindet. Diese Informationen müssen manuell zusammengetragen werden.

Neben der Datenverfügbarkeit auf Basis von APIs oder maschinenlesbaren Schnittstellen spielt aber auch die Datenqualität eine Rolle. Die Rechtsetzung arbeitet im DIN-A4-Format und meist werden Arbeitsstände nur als PDFs veröffentlicht, was eine maschinelle Weiterverarbeitung erschwert, beziehungsweise fehleranfällig macht.

Im weiteren Gesetzgebungsprozess verändert sich immer wieder die Nummerierung sowie Inhalte der Paragrafen. So laufen die ausgelesenen Referenzen in den Er­läu­ter­un­gen mitunter ins Leere oder müssen manuell nachvollzogen werden. An dieser Stelle würde die konsequente Nutzung strukturierter Daten im gesamten Ge­setz­ge­bungs­kreislauf zu deutlich genauerer Verarbeitung mit weniger manuellem Aufwand führen. Das würde viel mehr Möglichkeiten der Analyse und Darstellung eröffnen. Den Datenstandard dafür gibt es bereits: in Deutschland LegalDOCML.de und auf europäischer Ebene AKN4EU.


Porträtfoto der Autorin Katrin Lütkemöller Shaw

Katrin Lütkemöller Shaw

ist seit Dezember 2024 Referentin und Projektleiterin für den Digitalcheck im Referat „Digitale Verwaltungstransformation; Digitalcheck“ im Bundesministerium des Innern und für Heimat. Zuvor war sie seit 2022 im Bundesministerium der Finanzen tätig und spielte dort eine wesentliche Rolle bei der Einführung des Digitalcheck. Mit ihrer Erfahrung im Transformations- und Innovations-Coaching unterstützt sie Einzelpersonen und Teams dabei, lösungsorientierte Projekte erfolgreich umzusetzen. Neben ihrer Arbeit im Referat engagiert sie sich aktiv im Netzwerk „Frauen machen Bund“ und hat zusammen mit Kolleg:innen das Führungskräftesymposium für die obersten Führungskräfte der Bundesbehörden ins Leben gerufen. linkedin.com/in/katrinl

Porträtfoto des Autors Benedikt Liebig

Benedikt Liebig

ist Product Manager beim DigitalService. Er war Fellow der Tech4Germany Kohorte 2020. Seitdem unterstützt er die digitalen Vorhaben der Verwaltung – mit einer iterativen, datengetriebenen und human-zentrischen Sichtweise. Er schafft Räume, in denen Verwaltung, Design, IT und Recht als Team interdisziplinär und mit Spaß an einem Service arbeiten. Privat ist Bene viel mit seinem Rennrad unterwegs und engagiert sich für einen klimaresistenten Wald.

Porträtfoto des Autors Hendrik Schmidt

Hendrik Schmidt

arbeitet seit Anfang 2024 als Software-Entwickler beim DigitalService. Nach dem Masterabschluss in Data Engineering in Potsdam und einer längeren Reise in Südamerika waren es vor allem die sinnstiftende Arbeit an inhaltlichen Problemen und ihre algorithmische Lösung, die ihn zum DigitalService zog. Er bringt Erfahrungen als Entwickler bei SumUp und als Freelancer mit. In seiner Freizeit organisiert er Musikfestivals, ist auf dem Handballparkett aktiv oder verbindet Reisen mit dem Erlernen neuer Sprachen.


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