Wie der Nationale Normenkontrollrat den Digitalcheck mitgestaltet
„Die Dokumentation des Digitalcheck ist immer das Erste, was ich bei einer Prüfung öffne“, sagt Yannick Vogel, stellvertretender Leiter und Prüfreferent im Sekretariat des Nationalen Normenkontrollrats (NKR). Zusammen mit Dr. Patrick Eckner ist er einer der Prüfenden des Digitalcheck. Aber beide sind nicht nur Prüfer, sondern auch Entwickler: Gemeinsam mit dem DigitalService und unter Federführung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) gibt der NKR mit seiner Arbeitsebene, dem NKR-Sekretariat, Impulse für die Weiterentwicklung des Digitalcheck. Yannick und Patrick haben sich mit uns zum Interview getroffen und erklären, wie sie die Zusammenarbeit erleben, warum der Digitalcheck aus NKR-Sicht wichtig ist und was sie sich darüber hinaus für den Gesetzgebungsprozess in Deutschland wünschen.
Nationaler Normenkontrollrat – was ist das eigentlich? Das unabhängige Gremium taucht immer wieder auf, wenn wir über unsere Arbeit am Digitalcheck berichten. Hier ist eine Kurzform. Für ausführliche Infos lohnt sich ein Besuch auf der NKR-Homepage.
Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) prüft als unabhängiges Gremium neue Gesetzesvorhaben mit dem Ziel, die Methodengerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit der Gesetzesfolgendarstellung zu attestieren. Seit Januar 2023 steht den Ressorts der Bundesregierung der sogenannte Digitalcheck zur Verfügung. Dieses Instrument soll den Legist:innen dabei helfen, Aspekte von Digitaltauglichkeit in der Erarbeitung ihrer Regelungsvorhaben zu berücksichtigen. Entwickelt wurde der Digitalcheck vom DigitalService in Zusammenarbeit mit dem BMI, einer interministeriellen Arbeitsgruppe und dem NKR. Dabei spielte die Expertise des NKR eine wichtige Rolle in der gemeinschaftlichen Entwicklung des Tools.
Dr. Patrick Eckner und Yannick Vogel sind im Sekretariat des NKR (NKRS) tätig – und damit sind sie die Ersten, die auf Arbeitsebene, in der Regel im Rahmen der Ressortbeteiligung, eine Einschätzung der Entwürfe vornehmen. Dabei achten sie sowohl auf die Nachvollziehbarkeit der von den Ressorts erarbeiteten Darstellungen im Digitalcheck als auch auf die Digitaltauglichkeit eines Vorhabens insgesamt. Denn auch ein methodisch und inhaltlich nachvollziehbarer Digitalcheck kann ein nicht in vollumfänglichen Maßen digitaltauglich designtes Regelungsvorhaben abbilden – ähnlich wie eine methodengerechte und nachvollziehbare Darstellung des Erfüllungsaufwands nicht automatisch einen bürokratiekostenarmen Vollzug bedeutet. Außerdem beraten sie die Legist:innen in den Ressorts hinsichtlich der Berücksichtigung der Aspekte digitaltauglicher Gesetze. Wir haben mit den beiden gesprochen.
Hat das Update des Digitalcheck Euren Arbeitsalltag schon erleichtert?
Yannick Vogel: Auf jeden Fall. Die Dokumentation des Digitalcheck ist immer das Erste, was ich bei einer Prüfung neben dem Referentenentwurf öffne. Durch die Weiterentwicklung des Digitalcheck von Version 1.0 zu Version 1.2 wurden notwendige „Kontextfelder“ in der Dokumentation ergänzt. Das war ein gutes Beispiel für die partizipative Entwicklung zwischen NKR, BMI und DigitalService: Wir hatten in Version 1.0 der Dokumentation zum Digitalcheck, die Legist:innen bearbeiten und bei uns einreichen, nur eine Dokumentation mit Häkchen, ob ein Aspekt für Digitaltauglichkeit erfüllt ist oder nicht. Ohne Kontext oder Erklärung, wodurch fast in allen Fällen zeitaufwendige Rücksprachen mit den Ressorts notwendig waren. Mit der Version 1.2 können die Legist:innen nun Informationen und Hintergründe direkt in der Digitalcheck Dokumentation strukturiert festhalten, was einerseits für ihre eigene Arbeit zuträglich sein kann und andererseits auch uns eine effizientere Prüfung der Nachvollziehbarkeit ermöglicht.
Dr. Patrick Eckner: Wichtig ist den Punkt zu betonen, dass der Digitalcheck nicht für den NKR entwickelt wurde. Die Legist:innen profitieren von der strukturierten Dokumentation. Insgesamt ersetzt der Digitalcheck auch für uns natürlich nicht die vollständige Prüfung der Digitaltauglichkeit eines Vorhabens, aber er erleichtert den Einstieg und hilft, eventuelle Schwachstellen frühzeitig zu identifizieren.
Wie erlebt Ihr die Zusammenarbeit zwischen DigitalService und NKR?
Yannick: Seit meinem Start im NKRS im April 2023 arbeite ich eng mit dem DigitalService zusammen, vor allem am Digitalcheck. Dabei bringen das DigitalService Team und der NKR ganz unterschiedliche Perspektiven in die Weiterentwicklung ein: Während der DigitalService oft einen produktfokussierten Ansatz verfolgt, liegt unser Schwerpunkt auf der Prüfarbeit und der Beratung der Legist:innen über alle Ressorts, also dem Operativen und den Prozessen im Gesetzgebungsverfahren. Wir hinterfragen, wie die entwickelten Digitalcheck Lösungen die tägliche Arbeit der Legist:innen und auch unsere Prüftätigkeiten unterstützen können.
Patrick: Außerdem sind wir mit vielen Legist:innen im Kontakt, die die Regelungen vorbereiten. Darum bekommen wir aus ganz unterschiedlichen Häusern mit, wie dort die Realität in der Entstehung der Regelungsvorhaben aussieht. Dieses Wissen ist wichtig für die Weiterentwicklung.
Yannick: Durch die verschiedenen Perspektiven kommt es auch manchmal zu Diskussionen, beispielsweise, welche Funktion des Digitalcheck als Nächstes weiterentwickelt wird. Die sind stets konstruktiv für das Produkt. Insgesamt begrüßen wir sehr, dass wir das Produkt so schrittweise weiterentwickeln. Wir sind nicht erst nach langer Entwicklungsphase live gegangen, sondern haben den Digitalcheck im Betrieb und entwickeln ihn weiter. In einer relativ kurzen Zeit haben wir wirklich schon viel geschafft und das Produkt verbessert sich stetig.
Wie weit ist der Digitalcheck denn aktuell schon?
Patrick: Der Digitalcheck als Tool ist implementiert und verbreitet, 2024 wurde er bei rund 90 Prozent aller Vorhaben von den Ressorts durchgeführt. Das ist gut.
Yannick: Inhaltlich ist das Produkt Digitalcheck bereits relativ weit entwickelt. Das Grundgerüst, das vor allem auf den fünf Prinzipien für digitaltaugliches Recht fußt, ist sehr solide und wird auch beim angestrebten „digitalen Digitalcheck“ so bestehen bleiben. Woran wir noch arbeiten müssen, ist die Erfüllung des Ziels des Digitalcheck: Nämlich, dass Aspekte der Digitaltauglichkeit ab Beginn der Regelungserarbeitung berücksichtigt werden – und nicht wie häufig noch erst bei Beteiligung des NKR.
Was muss passieren, damit dieses Ziel erreicht wird?
Yannick: Die Herausforderung besteht hier meiner Meinung nach darin, das Verständnis des Digitalcheck in den Ressorts zu verändern. Aktuell wird der Digitalcheck noch oft als reine Checkliste am Ende der Regelungserstellung genutzt, um dem NKR diesen zur Prüfung bis zur Kabinettsbefassung zu übermitteln. Nach dem Motto: Er muss gemacht werden, damit es kein Monitum in der Stellungnahme des NKR gibt. Dabei soll er eigentlich von Anfang an in den Gesetzgebungsprozess integriert werden, damit digitale Möglichkeiten schon von vornherein in den Entwurf einfließen. Bis zu dieser Erkenntnis ist es ein längerer Prozess, aber wir sind auf einem guten Weg. Der Anteil der Vorhaben, die Digitaltauglichkeit von Anfang an mitdenken, steigt weiterhin!
Patrick: Mit jeder Neuerung – in diesem Fall dem Digitalcheck – tun sich auch neue Baustellen auf. Wir sehen und wissen aus den Beratungen auf Arbeitsebene mit den Ressorts, dass die Legist:innen stark ausgelastet und oftmals auch überlastet sind. Sie müssen oft unter hohem Zeitdruck arbeiten. Dabei brauchen sie gerade Zeit für Schulungen zum Digitalcheck oder etwa zu den Visualisierungstools, die er mitbringt. Wir arbeiten als NKR daher auch daran, Entscheidungsträger:innen in den Ministerien auf die Notwendigkeit einer hinreichenden Berücksichtigung des Digitalcheck in der Rechtsetzung hinzuweisen und Verständnis dafür zu schaffen. Damit wollen wir zeigen, dass der NKR nicht nur als abschließend prüfendes – und gegebenenfalls kritisierendes – Kontrollorgan arbeitet, sondern proaktiv wirkt. Wir wollen in den Dialog kommen und uns gemeinsam konstruktiv austauschen.
Was kann darüber hinaus helfen?
Yannick: Ein großes Potenzial sehe ich in der Visualisierung von Prozessen. Daran arbeitet das Team bereits. Es ist einfacher, wenn ein Prozess einmal visuell dargestellt ist – und das hilft sowohl den Legist:innen als auch den Vollzugsebenen und politischen Entscheidungsträger:innen. In monatlichen Werkstätten im Bundesministerium der Finanzen üben wir beispielsweise bereits, wie man Paragrafen visualisiert. Es wäre daher sinnvoll, Visualisierungen als Methodik im Gesetzgebungsprozess zu verankern und Legist:innen darin auszubilden.
Patrick: Visualisierungen sind ein mächtiges Werkzeug, das Berührungsängste abbaut und komplexe Inhalte vereinfacht. Wir sehen bereits in Workshops, dass nach 15 Minuten erste Entwürfe entstehen. Es ist ein Schritt, den wir weiter vorantreiben sollten, um den Gesetzgebungsprozess effizienter und verständlicher zu machen.