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Drei User Researcher:innen sitzen gemeinsam in einem Büro an einem Tisch und schauen in ein Laptop, sie diskutieren

User-Research professio­na­lisieren: unser Weg im DigitalService

Für Bürger:innen und Unternehmen ist die Verwaltung eine zentrale Anlaufstelle, um mit dem Staat in Kontakt zu treten. Digitale Services dienen dabei häufig als Vermittler. Ist der Kontakt mit dem digitalen Service positiv, kann es das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates erhöhen. Der wichtigste Erfolgsfaktor ist dabei die systematische Ein­be­zie­hung der Nutzenden in den Entwicklungsprozess.

Dafür betreiben wir Nutzendenforschung – oder, wie wir sagen: User-Research. Seit dem Frühjahr 2023 haben wir dafür User Researcher:innen im Team. In unserem letzten Blog­bei­trag erklärten wir bereits, wie dedizierte User-Research-Rollen bei uns das Thema Nutzerzentrierung systematisieren. Der Bedarf an Nutzendenforschung wächst seitdem schnell und damit auch der Bedarf, User-Research als Subdisziplin zu etablieren. Das klappt auch gut: Laut einer Auswertung aus dem Sommer 2024 sind 76 % der Kolleg:innen im DigitalService (sehr) zufrieden mit der Qualität der Einbindung von Nutzenden – eine Stei­ge­rung von 19 % gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres. Wie wir dahin ge­kom­men sind und welche nächsten Schritte geplant sind, das erklärt unser User-Research-Team hier im Blog.

Ziele für die Subdisziplin

User-Research erfüllt drei zentrale Aufgaben:

  1. Projektteams dabei unterstützen, Nutzerbedürfnisse zu verstehen,
  2. Empathie für Nutzende in der Verwaltung zu schaffen und
  3. Kolleg:innen sowie Projektpartner:innen dabei zu begleiten, User-Research systematisch in ihre Arbeit zu integrieren.

Um Erwartungen an die Subdisziplin „User Research“ zu identifizieren, haben wir nach unserem Start im Frühsommer 2023 eine Umfrage unter Designer:innen, Pro­jekt­ma­na­ger:innen, Entwickler:innen und Transformationsmanager:innen durchgeführt, um den Status-quo-Reifegrad von User-Research zu erheben. Es ging unter anderem darum zu sehen, wie User-Research aktuell im DigitalService wahrgenommen und erlebt wird und wo der Reifegrad noch besonders niedrig ist.

Unser Fokus lag im Jahr 2024 darauf, die Subdisziplin „User Research“ fest im Un­ter­neh­men zu verankern.

Dafür haben wir vier zentrale Ziele verfolgt:

  • Projektteams unterstützen: Wir wollen Zusammenarbeit mit allen Teams etablieren und Teams ohne dedizierte User Researcher:in mit Training und Beratung unterstützen.
  • Research-Prozesse standardisieren: Wir wollen ein einheitliches Verständnis von User-Research im DigitalService schaffen. Die nötige technische Ausstattung soll bereitgestellt werden.
  • Wissensmanagement aufbauen: Wir wollen Erkenntnisse auffindbar, suchbar und teilbar machen.
  • Inklusive Forschung fördern: Wir wollen ein Vorgehen erarbeiten, um Menschen mit Beeinträchtigungen in die nutzendenzentrierte Produktentwicklung zu integrieren.

Um unseren Fortschritt bei der Erreichung dieser Ziele festzuhalten, haben wir im Sommer 2024 die Umfrage erneut durchgeführt. Die kontinuierliche Durchführung der Umfrage ist für uns ein wichtiges Werkzeug, um die Wirkung unserer Arbeit zu messen, unsere Ziel­er­rei­chung zu tracken und die nächsten Handlungsfelder abzuleiten.

Das erste Ergebnis: Unsere Bemühungen zahlen sich aus. Während in der Umfrage von 2024 gut 80 % der Kolleg:innen aus den multidisziplinären Teams angaben, zufrieden oder sehr zufrieden mit den User-Research-Aktivitäten zu sein, waren es im Jahr zuvor nur knapp 60 %.

Zwei Balkendiagramme zeigen die Zufriedenheit mit der User-Research-Subdisziplin: 2023 waren 57 % zufrieden, 36 % neutral, 7 % unzufrieden; 2024 waren 38 % sehr zufrieden, 38 % zufrieden und 24 % neutral.

Innerhalb eines Jahres haben wir es geschafft, uns im Bereich „User Research“ zu ver­sechs­fa­chen. Dass sich unsere Subdisziplin vergrößert hat und wir gemeinsam viel voran­trei­ben können, ist nicht nur für uns User Researcher:innen spürbar. 80 % der befragten Kolleg:innen gaben an, in ihrem Projekt über angemessene Researchfähigkeiten und -kapazitäten zu verfügen, um einer nutzendenzentrierten Arbeitsweise gerecht zu werden. Im vergangenen Jahr hatten nur rund 40 % ausreichend Fähigkeiten im Team.

Der Effekt ist auch in der Arbeit an unseren digitalen Services zu sehen: Pro­dukt­ent­schei­du­ngen werden immer häufiger auf Basis von Ergebnissen aus der Nutzendenforschung getroffen. 2023 gaben 60 % an, Erkenntnisse aus der User-Research als Ent­schei­dungs­grund­la­ge zu nutzen, 2024 waren es bereits 88 %.

Das zeigt: User-Research wird von den Projektteams stärker genutzt als zuvor und die Ergebnisse aus dem User-Research werden als Evidenzen für Service- und Pro­dukt­ent­schei­du­ngen hinzugezogen. Die Ergebnisse lassen auch erkennen, dass Personen mit einem dedizierten Research-Schwerpunkt im Projektteam als Mehrwert wahrgenommen werden.

Einige der Initiativen und Maßnahmen, mit denen wir das erreicht haben, möchten wir im Folgenden teilen:

Traininigsreihe: Sichtbarkeit und Befähigung

Die Durchführung von Interviews und Usability-Tests ist für User Researcher:innen nur ein sehr kleiner Teil des Arbeitsalltags. Im Mittelpunkt steht die enge Zusammenarbeit mit dem Team, um Services konsequent an den Bedürfnissen der Nutzenden entlang ihrer gesamten Nutzendenreise auszurichten. Um ein besseres Verständnis für die User-Research-Arbeit und ihre Potenziale zu schaffen, haben wir ein „Lunch & Learn“ zum Thema User-Research durchgeführt und aufgezeichnet. Die Videoaufzeichnung haben wir nicht nur intern, sondern auch extern zur Verfügung gestellt – sie kann jederzeit abgerufen werden.

Lunch & Learn“ ist beim DigitalService ein beliebtes Austausch- und Lernformat. Zur Mittagszeit wird zu einem beliebigen Thema referiert – die Kolleg:innen aus dem DigitalService und den Bundesministerien können dabei ihr Mittagessen essen und sich so in lockerer Atmosphäre weiterbilden. Im Rahmen unseres „Lunch & Learn“ sind wir auf den Planungsprozess, unterschiedliche Methoden und Best Practices eingegangen.

Die Veranstaltung bildete dabei nur den Start einer Trainingsreihe. Regelmäßig bieten wir ein offenes Training an, zum Beispiel: „Wie erstelle ich eine Umfrage richtig? Wie plane ich mein Forschungsprojekt? Wie finde ich die richtigen Teilnehmenden?“

Zwei Teammitglieder der User-Research-Subdisziplin sitzen zusammen an einem Tisch und arbeiten beide an ihren Laptops

Research-Hour: Unterstützung mindestens auf Beratungslevel

In der Anfangszeit, als noch nicht alle Teams feste Unterstützung durch ein Mitglied aus dem User-Research-Team hatten, war es dennoch unser Anspruch, diese Teams best­mög­lich zu unterstützen. Dafür haben wir eine wöchentliche Research-Hour angeboten. In diesem Format stand eine feste Ansprechperson mit User-Research-Expertise für alle Fragen rund um Planung, Durchführung, Analyse und Nutzung von Research zur Verfügung.

Standardisierung: Tools und Vorlagen zur Nachnutzung

Die gestiegene Zahl an User Researcher:innen hat dazu beigetragen, die Nutz­en­den­bedürfnisse – zum Beispiel von Bürger:innen, aber auch professionellen Anwender:innen – noch stärker in den Mittelpunkt der Produktentwicklung zu rücken. So wird User-Research zunehmend zum Hebel für bessere Entscheidungen in den Projektteams. Gleichzeitig steigt damit jedoch auch der Bedarf an einheitlichen Prozessen, Standards und einer gut funktionierenden Infrastruktur, um effizient als Team arbeiten zu können. Diesem Bedarf nähern wir uns von unterschiedlichen Richtungen:

  • Aufbauen einer Übersichtsseite im Intranet mit Informationen zu Verantwortlichkeiten, Qualitätsprinzipien, Prozessen und Zugang zu Ressourcen, wie Re­kru­tie­rungs­agenturen, Vorlagen, Sekundärstudien und Best Practices
  • Erstellen von Templates für alle Phasen des Researchprozesses – von Screenern und Datenschutzvorlagen (in Zusammenarbeit mit unserer Legal Counsel) über In­ter­view­leitfäden bis hin zu Richtlinien für die Analyse und Synthese von Research-Erkenntnissen
  • Auswählen von relevanter Soft- und Hardware, etwa Testgeräte, Tools für Accessibility-Tests und Umfragen sowie Software zur Unterstützung von Analyse und Dokumentation von Research-Daten

Der Mehrwert der Standardisierung spiegelt sich bereits in den Umfrageergebnissen wider. Im vergangenen Jahr empfanden drei von fünf Kolleg:innen das Aufsetzen einer Research als aufwendig. Dieses Jahr waren es nur noch rund ein Viertel der Befragten.

Wissensmanagement: Einführung einer zentralen Wissensdatenbank

Eine zentrale Aufgabe von uns User Researcher:innen ist es, die Erkenntnisse aus dem Research sichtbar und anwendbar zu machen.

Um Erkenntnisse sichtbar zu machen, binden wir unsere Kolleg:innen und Pro­jekt­part­ner:innen eng in den Research ein, zum Beispiel bei der Sammlung von zentralen Fragen, Beobachtung von Interviews oder gemeinsamen Analyseworkshops. So erzeugen wir Em­pa­thie für Nutzende und die Erkenntnisse werden erfahrungsgemäß stärker be­rück­sich­tigt.

Aber: Noch immer haben zwei Drittel im Sommer 2024 angegeben, dass Research-Ergebnisse nicht leicht zu finden und zu teilen sind. Damit wir das Wissen auch langfristig verfügbar machen können, haben wir ein dediziertes Tool für Wissensmanagement eingeführt. Das Tool ermöglicht uns, unseren Research mit Stichworten zu ver­schlag­wor­ten, durchsuchbar zu machen und für Kolleg:innen und Projektpartner:innen ansprechend aufzubereiten.

Webseite der Research-Ergebnisse des Forschungsprojekts „Zivilgerichtliches Online-Verfahren“. Links befindet sich ein Navigationsmenü, zentral ein Titelbild mit Laptop und Text zu Mission, Vision und übergreifenden Insights des Projekts.

Überblick über die Research-Ergebnisse aus dem Projekt „Zivilgerichtliches Online-Verfahren“

Wie geht es weiter?

Auch in diesem Jahr planen wir, unsere Arbeit weiter auszubauen und so gemeinsam mit den interdisziplinären Projektteams den Bürger:innen eine Stimme zu verleihen.

Zwei unserer Ziele sollen in den kommenden Monaten besonders viel Aufmerksamkeit bekommen. Hier hat unsere Umfrage gezeigt, dass der Reifegrad immer noch gering ist:

  • Prozesse für inklusiven Research weiter etablieren: 2024 haben wir bereits viel Wis­sen aufbauen und erste Erfahrungen sammeln können. Wir wollen inklusiven Research als Standard in der Projektarbeit verankern und so sicherstellen, dass wir die Stimme aller Bürger:innen und in die Projektteams tragen.
  • Wissen transparent machen und teilen: Wir möchten sicherstellen, dass die kürzlich eingeführte Wissensdatenbank die zentrale Quelle in allen Projekten wird. Ebenso möchten wir weitere Formate entwickeln, um die Ergebnisse aus dem User-Research über die Projektteams hinweg sichtbarer zu machen.

Wo wir hier genau stehen, welche Schritte wir bereits gegangen sind und welche wir für die Zukunft geplant haben, erzählen wir in unserem nächsten Blogbeitrag mit dem The­men­schwer­punkt User-Research.


Porträtfoto der Autorin Anja Alburg

Anja Alburg

ist Senior User Researcherin beim DigitalService. In der Vergangenheit hat sie Unternehmen verschiedener Branchen (Banking, Bildung, e-Commerce) bei der nutzerzentrierten Produkt- und Serviceentwicklung unterstützt und den Aufbau von Researchprozessen und -standards vorangetrieben. Ihren Ausgleich zum Arbeitsalltag findet Anja in der Fotografie, beim Yoga und Reformer Pilates.

Porträtfoto der Autorin Sonja Wilczek

Sonja Wilczek

ist Principal User Researcherin beim DigitalService. Ihre Leidenschaft gilt der nutzendenzentrierten Entwicklung von (digitalen) Services und Produkten, die einen echten Mehrwert stiften. In der Vergangenheit hat sie verschiedene Unternehmen dabei begleitet, das Thema User-Research zu etablieren, zuletzt als User Research Lead bei TIER Mobility. Wenn sie nicht gerade mit den Projektteams über Nutzerbedürfnisse spricht, trifft man sie mit ihren Kindern im Garten oder mit ihrem Partner auf einem Konzert.


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