Vom Fellowship ins Kanzleramt: Projekt „Neues Arbeiten“
Wenn Claudia Straub, Personalreferentin des Bundeskanzleramtes, den Kalender öffnet, sieht sie unter anderem folgende Termine: „Retrospektive“, „Kollegiale Beratung“ und „Brainstorming Organisationsentwicklung“. Diese Einträge hat es vor zwei Jahren noch nicht gegeben. Hinter ihnen steckt die Bemühung, mehr Organisations- und Personalentwicklung in das Kanzleramt einziehen zu lassen. Das ist ein direktes Resultat aus dem Fellowship Work4Germany.
Wie der Impuls gekommen ist? Alle Termine sind direkt oder indirekt mit einem vierten verbunden: „Treffen mit Jenni“. Jennifer Rohde hat im Bundeskanzleramt nämlich einen bisher einmaligen Job. In ihrer E-Mail-Signatur steht „Projekt Neues Arbeiten im Bundeskanzleramt“. Fragt man sie selbst, was das bedeutet, dann sagt Jenni: „Ich bin hier eine Art interne Beratungseinheit, oder für den Wiedererkennungswert auch einfach weiterhin Fellow“. Sie war nämlich 2021 Teil der Fellow-Kohorte von Work4Germany und im Bundeskanzleramt für das Projekt „Mitarbeiter:innen-Motivation stärken – für ein starkes ‚Wir‘“ zuständig. „Durch unsere Arbeit im Fellowship ist eine Stelle entstanden, die es zuvor noch nicht gab“, resümiert sie.
Fellowship hat Fans gewonnen
Projektpartnerin war unter anderem Claudia Straub. Beide sprechen heute von einem „Sprung ins kalte Wasser“, wenn sie an das Fellowship zurückdenken. Denn weder hatte Claudia zuvor Projekterfahrung – noch hatte Jenni Berührungspunkte mit der Verwaltung und geschweige denn das Bundeskanzleramt als solches eine:n Work4Germany Fellow. Schon in den regulären sechs Monaten Fellowship sei beiden Seiten klar geworden: Was hier im Bereich Neues Arbeiten angestoßen wird, der „Werkzeugkoffer“ an neuen Methoden, den Jenni mitbringt, der soll dem Bundeskanzleramt auch dauerhaft zur Verfügung stehen. „Ich habe gemerkt: Wir können die neuen Methoden nur etablieren, wenn wir auch strukturelle Herausforderungen angehen“, sagt Claudia heute. Ein paar angenehme Gespräche und konstruktive Überlegungen später war die Projektstelle „Neues Arbeiten“ für Jenni geschaffen. Claudia berichtet auch, dass das Fellowship-Programm mit Jenni „Fans in vielen Abteilungen und den Arbeitsstäben“ gewonnen habe.
Unterstützer:innen für ihre Themen rund um Arbeitsorganisation und Zusammenarbeit sucht sich Jenni dabei im ganzen Haus – bis in die Leitungsebene. „Mich können alle ansprechen. Ich spreche alle an. Möchte alle, die Interesse haben, einbeziehen“, sagt sie. So haben beide ihren initialen Plan auch Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt vorgestellt. Der gab seine Unterstützung. „Die Transparenz, mit der wir unsere Projekte angehen, ist enorm wichtig“, stellt Claudia fest. Schließlich streben sie einen Kulturwandel an, bei dem alle mitkommen sollen. Dabei über Hierarchien hinweg zu denken, hier schon neue Wege zu gehen, das sei ein Novum, das der Bundesbehörde guttue.
Ziel: „Mehr Zufriedenheit“
Gestartet ist Jenni laut eigener Aussage mit folgenden Leitfragen: „Was ist Zufriedenheit für die Mitarbeiter:innen hier im Haus? Was motiviert sie? Und wie können wir sie dabei weiterhin unterstützen?“. Es gehe um Zusammenarbeit und Arbeitsorganisation. Im größeren Sinne aber auch um „mehr Menschlichkeit, also Mitarbeitendenzentrierung“, wie sie sagt. Der erste Weg: eine Befragung im ganzen Haus. Was läuft gut? Wo hakt es? Was können wir besser machen? Aber auch: Welche Erfahrungen und Ideen bringen die Kolleg:innen im Rotationsverfahren aus ihren Stammhäusern und von „draußen“ mit, die auch im Kanzleramt umgesetzt werden können. Und auch hier galt der Ansatz: Alle werden angesprochen und einbezogen, können gleichwertig ihre Meinungen einbringen.
Aufbauend aus den – natürlich vertraulichen – Ergebnissen hat das Projekt Neues Arbeiten erste Maßnahmen entwickelt. So hat Jenni etwa die „kollegiale Beratung für Referatsleitungen“ eingeführt. „Ich habe festgestellt, dass es im Haus insgesamt zu wenig Austausch über die Zusammenarbeit gibt, dass zu wenig über gemeinsame Herausforderungen nachgedacht wird.“ Jetzt gibt es das offene Angebot. Es brauche Zeit – und den Mut, die Offenheit und das Vertrauen der Teilnehmenden – um sie zu etablieren. Der Einsatz lohnt sich – die Runden seien konstruktiv, es gäbe viel gutes Feedback.
Generell ist der strukturierte Austausch unter Kolleg:innen ein wichtiger Aspekt. „Ich habe an einer Stelle einen Termin mit Referatsleiter:innen und einer Gruppenleitung organisiert: Alle in einem Raum, mit Whiteboard und Post-Its, um in einem moderierten Format zu arbeiten. Das war für alle erstmal ungewohnt und hat einige verunsichert.“ Unterstützt durch Methoden des agilen Arbeitens hat die Gruppe gemeinsam eine Problemstellung bearbeitet, über Referatsgrenzen hinweg. Mit Erfolg. „Diese Art des kollektiven Brainstormings hatten wir so noch nie, das hat Spaß gemacht und gute Ergebnisse erzielt“, sagt Claudia dazu. Die Zusammenarbeit im Kanzleramt sei zwar generell gut, die neue Methodik aber ein Gewinn. Und Jenni ergänzt: „Ich wurde danach von einigen Referatsleiter:innen angesprochen, ob ich diese Moderation auch in ihren Teams anbieten kann“. Das zeige ihr, wie wichtig das eigene postive Erleben ist, damit der Ansatz auf Akzeptanz stößt und sich die Wirkung langsam ausbreitet.
Ein anderes Beispiel ist der Onboarding-Tag, den das Projekt Neues Arbeiten als Netzwerkveranstaltung etabliert hat. Neue Kolleg:innen werden zusätzlich zu der Begrüßung durch das Personalreferat durch ein vernetzendes Onboarding-Programm im Haus willkommen geheißen – Stichwort Mitarbeiterzufriedenheit. Weitere Maßnahmen seien regelmäßige Retrospektiven in den Teams sowie Führungskräfteklausuren.
Verständnis braucht – und hat – Jenni dafür, dass nicht alle Ideen, die im Projekt Neues Arbeiten entwickelt werden, ad hoc umsetzbar sind. Zeit ist rar. Sie sei sich bewusst, dass sie die ihr zur Verfügung stehende Zeit von allen Mitarbeitenden so effizient wie möglich nutzen müsse. „Die Kolleg:innen hier beraten vor allem anderen den Bundeskanzler und ChefBK (Wolfgang Schmidt, Chef des Bundeskanzleramts; Anmerkung der Redaktion) in sämtlichen tagesaktuellen und brisanten Politikfeldern. Wenn ich in meinen Formaten darüber sprechen und daran arbeiten möchte, wie wir hier zusammenarbeiten und Zusammenarbeit weiterentwickeln können, stößt das nicht immer auf Verständnis.“ Sie ist sich aber sicher, dass die investierte Zeit der Mitarbeitenden in Themen der Organisationsentwicklung am Ende zu besserer Zusammenarbeit führt – und somit auch zu besseren Ergebnissen.
Für Claudia Straub, die seit vier Jahren im Bundeskanzleramt tätig ist, hat Work4Germany auch persönlich einen positiven Effekt gehabt. So habe sie ihr Skillset erweitert, sich methodisch weiterentwickelt. „Früher habe ich meine Arbeit überhaupt nicht in Projekten gedacht. Das hat sich durch die Zusammenarbeit mit Jenni geändert – und das macht für alle meine Zuständigkeiten einen großen Unterschied. Denn auch die haben sich gemeinsam mit mir weiter entwickelt – hin zu übergeifenderen Projekten“, sagt sie. Sie und Kolleg:innen haben zudem neue Kooperationstools und -wege für sich entdeckt. Das ist effizienter – und macht auch noch Spaß.
Neues Fellowship läuft
Aber Jennifer Rohde und Claudia Straub sind sich auch bewusst, dass es erstmal „eine kleine Saat ist, die wir gesät haben. Es ist der Anfang“. Dies zeigt erste Wirkung und die Saat keimt langsam. Auch, wenn es Herausforderungen und Rückschläge gibt – das gehöre dazu, sind sich beide einig. „Ich merke, dass sich hier etwas in Bewegung gesetzt hat, das wir mit dem Projekt immer weiter gestalten. Das ist ein toller Erfolg“, sagt Jenni. Inzwischen arbeiten im Bundeskanzleramt auch eigene ausgebildete agile Coaches, ganz nach Work4Germany Vorbild. Ein neuer Work4Germany Fellow startete dieses Jahr im Haus das Projekt „Roadmap Datenkompetenz“. Projektpartnerin auf Seiten des Kanzleramtes ist dieses Mal unter anderem Jennifer Rohde – auch Claudia Straub ist wieder Projektpartnerin und das Team des Datenlabors. Beide sind ganz gespannt, welche neuen Termine und Entwicklungen sich durch dieses Fellowship ergeben werden.