Wie Work4Germany zu einer neuen Digitalkultur in der Bundesverwaltung beiträgt
Work4Germany bringt Expert:innen für Transformation und neue Arbeit aus der Privatwirtschaft mit Mitarbeitenden aus der Bundesverwaltung zusammen. Das Ziel des Fellowships: nicht bei einer Beratung zu New-Work-Methoden für Herausforderungen und Projekte steckenzubleiben – sondern Verwaltungsmitarbeitende langfristig dazu befähigen, neue Methoden für die Gestaltung effizienter, wirksamer und zufriedenstellender Prozesse und Arbeitsweisen zu nutzen. Denn um bei immer schnelleren und komplexeren gesellschaftlichen Veränderungen und gleichzeitig immer weniger personellen Ressourcen wirksame Digitalanwendungen für den Staat zu schaffen, braucht es nicht nur technologische Kenntnisse. Voraussetzung ist eine Digitalkultur, mit der die Bundesverwaltung und ihre Mitarbeitenden Anwendungen nachhaltig und nutzerorientiert aus eigener Kraft schaffen können.
Was bedeutet Digitalkultur?
Sie meint vor allem Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien. Zusätzlich beinhaltet eine Digitalkultur die Gewährleistung des nötigen Freiraums, um diese Kompetenzen nutzbar zu machen. Neben Software- und Daten-Skills und Techniken agilen Arbeitens ermöglicht diese Kultur explizit auch effektives selbstorganisiertes Arbeiten. Eine gelebte Digitalkultur verstehen wir als Grundlage für digitale Transformation, geht aber darüber hinaus: Denn gleichzeitig hilft sie der Verwaltung, insgesamt dem hohen Veränderungsdruck zu begegnen.
Aber wie misst man den Fortschritt, wenn es darum geht, Digitalkultur voranzutreiben? Um das herauszufinden, hat das Work4Germany über das Fellowship 2023/2024 hinweg Fokusgruppen mit Fellows und Partner:innen aus der Bundesverwaltung durchgeführt, um Hypothesen zu Wirkung und Skalierungspotenzialen desFellowships zu diskutieren. Zudem wurde das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) damit beauftragt, eine wissenschaftliche Studie zur Messung der Wirkung von Work4Germany durchzuführen. Beides ermöglichte wichtige Erkenntnisse zu Ergebnissen und für die Weiterentwicklung des Fellowship-Programms.
Das Fellowship schafft digitalen Fortschritt – auf unterschiedliche Art und Weise.
Die Studie zur Wirkung von Work4Germany
Ziel der Studie war es, Erkenntnisse über die langfristige methodische Wirkung von Work4Germany und den Einfluss auf die (Zusammen-)Arbeit in den teilnehmenden Teams und den erweiterten Arbeitskontexten der Partner:innen zu gewinnen. Soll heißen: Wie verändert das Fellowship die Verwaltung in Bezug darauf, New-Work-Aspekte dauerhaft zu integrieren? Einerseits ging es dabei um die Etablierung agiler, nutzerzentrierter, partizipativer und iterativer Arbeitsweisen – andererseits wollten wir wissen, ob sich auch Veränderungen hin zu einer Digitalkultur beobachten lassen. Als arbeitspsychologische Konstrukte, die zur Beschreibung etabliert sind, hat das Fraunhofer IAO folgende identifiziert: psychologisches Empowerment, Teamklima sowie Silodenken und die allgemeine Arbeitszufriedenheit.
- Psychologisches Empowerment wird nach Schermuly et al. (2011)¹ als ein motivierendes Konstrukt definiert, das seine Wurzeln in der Erfahrung von und dem Streben nach Selbstwirksamkeit hat. Es ist durch vier Dimensionen (Subfacetten) gekennzeichnet: Bedeutung, Kompetenz, Selbstbestimmung, Einfluss. Es wird das Gefühl gemessen, Kontrolle, Kompetenz und Sinnhaftigkeit der eigenen beruflichen Rolle zu erleben.
- Teamklima beschreibt nach Brodbeck et al. (2000)² die subjektive Wahrnehmung von organisationalen Gegebenheiten, Grundsätzen und Vorgehensweisen formeller und informeller Art in Teams. Es umfasst sowohl die individuellen Wahrnehmungen über das Arbeitsumfeld als auch die sozial geteilte Wahrnehmung der Teammitglieder. Das Teamklima hat nachweislichen Einfluss auf die Qualität und Quantität von Innovationen eines Teams.
- Silodenken definiert sich durch die extreme Fokussierung auf die eigene Organisationseinheit (z. B. Abteilung), was sinnvolle Kollaboration und Kommunikation innerhalb der Organisation erschwert. Silodenken ist ausgeprägt, wenn z. B. folgende Aussagen zutreffen: „Die Abstimmung mit Kolleg:innen in anderen Organisationseinheiten erlebe ich oft als konfliktbehaftet“; „Arbeitsprozesse werden deutlich umständlicher, wenn sie eine Abstimmung mit Kolleg:innen in anderen Organisationseinheiten erfordern“.
Im ersten Schritt haben wir auf Basis der Erkenntnisse der vergangenen Jahrgänge Hypothesen über die Wirkung von Work4Germany aufgestellt. Darauf aufbauend wurde für die Projektpartner:innen und ihre Mitarbeitenden ein Fragebogen entwickelt, der darauf abzielt, die Thesen zu überprüfen. Den Fragebogen haben die Personen zu vier Zeitpunkten zugeschickt bekommen: vor, zu Beginn, während und drei Monate nach dem Fellowship. Ziel war es, eine mögliche Entwicklung während des Fellowships abbilden zu können und seine langfristige Wirkung einschätzen zu können. Die Anzahl der Antworten wurde im Laufe der Befragung geringer; zu jedem Zeitpunkt antwortete mindestens die Hälfte der befragten Personen.
Gleichzeitig wollten wir die Studie nutzen, um unsere Fellows zu ihrer Teilnahme an Work4Germany zu befragen. Hier standen vor allem Fragen im Fokus, die uns bei einem wirkungsvollen Programmdesign in den folgenden Jahren helfen könnten: Mit welcher Erwartungshaltung gehen die Fellows an ihre Tätigkeit in der Verwaltung? Mit welcher Realität werden sie dort konfrontiert? Wie sind sie damit umgegangen? Und welche Skills brauchen die Fellows, um in ihrer Rolle erfolgreich tätig zu sein? Dafür wurde ein eigener Fragebogen erstellt, der den Fellows ebenfalls zu verschiedenen Zeitpunkten während des Fellowshipszugeschickt wurde.
Die Ergebnisse aller Umfragen hat das Fraunhofer IAO schließlich für uns ausgewertet.
Bei der Einordnung und Interpretation der Ergebnisse haben zusätzlich die qualitativen Erkenntnisse aus den durchgeführten Fokusgruppen geholfen.
Fazit der Partner:innen aus der Bundesverwaltung: Die Fellowship-Teilnahme lohnt sich.
Die Resultate der Wirkungsmessung kurz und knapp
Die erhobenen Studiendaten in Bezug auf die vier Kategorien zeigen unterschiedliche Entwicklungen im Verlauf des Fellowships.
Stabile Werte in psychologischem Empowerment und Teamklima: Die Teilnehmenden geben in Bezug auf das Empowerment über alle Messzeitpunkte hinweg einen durchschnittlich hohen Wert in Bezug auf das psychologische Empowerment an. Das bedeutet, dass sie schon vor dem Fellowship eine gute Kontrolle, Kompetenz und Sinnhaftigkeit der eigenen beruflichen Rolle erleben. Auch das Teamklima bleibt während des Fellowships konstant – wobei auch in dieser Kategorie angenommen werden kann, dass sich Teams bei Work4Germany bewerben, bei denen die Werte bereits vor Teilnahme am Fellowship relativ hoch sind.
Abbau von Silodenken: Positive Ergebnisse schlagen sich nieder, was die Wirkung von Work4Germany zum Thema Silodenken während der Teilnahme am Fellowship betrifft. Im Mittelwert aller Teilnehmenden sinkt dieses, was auch die Berichte verschiedener Partner:innen aus dem Jahrgang stützen.
Dr. Albert Kern, Bundesministerium für Gesundheit; Projektpartner 2023
Und dank unseres Fellows ist es gelungen, aus diesen Gleichgesinnten einen effektiven ressortübergreifenden Arbeitskreis aufzubauen.
Positive Entwicklungen der Arbeitszufriedenheit: Ein positiver Einfluss von Work4Germany zeigt sich auch im Bereich Arbeitszufriedenheit. Während die Werte zu Beginn des Fellowships hier noch stark von einer hohen Zufriedenheit bis zu einer niedrigen Zufriedenheit auf der Skala streuen, entwickelt sich die Arbeitszufriedenheit während und nach dem Fellowship durchgehend nach oben. Um generelle Wirkung von W4G auf eine steigende Arbeitszufriedenheit zu bestätigen, müssen jedoch weitere Daten erhoben werden.
Diana Gehlsen, Bettina Giedecke, Karoline Heyde und Jürgen Peters, Deutscher Bundestag (Verwaltung); Projektpartner:innen 2023
Bei der Anwendung neuer Methoden haben wir uns als Team besser kennen- und dabei schätzen gelernt. Wir wollen künftig als Multiplikatoren in die Verwaltung hineinwirken, um auch Anderen den Mehrwert der Methoden näherzubringen.
Neue Arbeitsweisen werden verinnerlicht: Am besten schneiden die Ergebnisse aus dem Bereich New-Work-Arbeitsweisen ab – der größten Kompetenz des Work4Germany Fellowships. Diese werden von Teilnehmer:innen auch drei Monate nach Work4Germany häufiger verwendet, als vor der Teilnahme am Fellowship. Unsere Hypothese hier war im Voraus: „Work4Germany ermöglicht das Kennenlernen, Erleben und Anwenden agiler, nutzerzentrierter, partizipativer und iterativer Arbeitsweisen. Außerdem werden diese Arbeitsweisen verinnerlicht und zukünftig eigenständig in Projekten angewendet.“ Fraunhofer bestätigt uns diese Hypothese. Die Forscher fassen zusammen: „NachWork4Germany sind agile, iterative, nutzerzentrierte und partizipative Arbeitsweisen verinnerlicht und werden in zukünftigen Projekten eigenständig angewendet.“
Work4Germany fördert die nachhaltige Anwendung von agilen, nutzerzentrierten, iterativen und partizipativen Arbeitsweisen.
Zusätzliche Resultate stellen Erwartungen der teilnehmenden Fellows an Work4Germany dar. Diese vermuteten vor Beginn des Fellowships oft, dass methodische Kenntnisse und kommunikative Fähigkeiten die größte Rolle in ihrer alltäglichen Arbeit mit der Verwaltung spielen würden. Tatsächlich waren es am Ende Persönlichkeitsmerkmale wie Geduld und Resilienz, die am wichtigsten für die Teilnahme waren.
Die Erkenntnisse für die weitere Fellowship-Ausrichtung
Wir sind besonders stolz auf die Ergebnisse aus den Auswertungen, die zeigen, dass Work4Germany neue Wege der (Zusammen-)Arbeit nachhaltig in die Verwaltung bringt und positive Veränderung in den unterschiedlichen Kontexten bewirkt. Ob man hier bereits von einem Kulturwandel sprechen kann? Das bleibt zu diskutieren. In jedem Fall sorgt das Fellowship dafür, dass neue Digitalkompetenzen über die Fellows in die Verwaltung getragen werden und auch nach Beendigung des Fellowships bei Partner:innen und Teams bleiben. Work4Germany hat mit dieser Etablierung also Strahlkraft über die direkten Tandempartner:innen hinaus.
In Zukunft sollten die Fellows auch in Rollen über Methodenbotschafter:innen hinaus wirken, um stärker zu Teamklima und Empowerment unter den teilnehmenden Teams und darüber hinaus beizutragen. Dafür braucht es also mehr als die Vermittlung von Methoden neuer Arbeit, sondern das Anstoßen von Reflexionen und arbeitspsychologischen Prozessen, die im geschäftigen Alltag sonst keinen Raum finden.
Auf Seiten der Fellows nehmen wir mit, dass weitere Kommunikationsarbeit geleistet werden muss, um die Teilnehmenden optimal auf das Fellowship vorzubereiten – und sie für anhaltende Ergebnisse mit weiteren Fellowship-Anpassungen durch ihren Einsatz zu begleiten. Das gilt für die Vermittlung von Verwaltungswissen sowie das Management der Erwartungen an sich und die eigene Arbeit im Rahmen von Work4Germany.
So viel zu den direkten Ableitungen aus der Studie des Fraunhofer IAO. Die Zusammenarbeit mit Teilnehmenden im Rahmen der Fokusgruppen hilft uns zudem dabei, zusätzliche Einordnungen zu treffen. Wie groß die Wirkung der Fellows ist, hängt beispielsweise stark davon ab, wo und bei wem Projekte und Herausforderungen aufgehängt sind. Die Einbindung der Leitungsebene ist entscheidend, um den notwendigen Rückenwind für das Vorantreiben von Veränderung in Projekten und Prozessen zu haben.
Um Veränderung in Verwaltungsstrukturen zu bewirken, braucht es Ausdauer. Umso wichtiger ist es, dass jeder noch so kleine Schritt für einen bleibenden Wandel hin zu einer gesamtheitlichen Digitalkultur sorgt: Und wir freuen uns darauf, bei Work4Germany weiterhin an diesem wichtigen Kontext für ein digitales Deutschland zu arbeiten.
Das nächste Fellowship startet im September 2024. Auf dem Laufenden bleiben? Über den LinkedIn-Kanal von Work4Germany teilen wir aktuelle Updates zum Fellowship.
Wer an einer Teilnahme als Fellow oder Partner:in aus der Verwaltung interessiert ist, kann sich in unsere Listen (Fellows/Bundesbehörden) eintragen.
¹: Meyer, Bertolt & Schermuly, Carsten & Schermuly, R. (2011). The psychological empowerment of vice- principals, its antecedents, and its effects on job satisfaction and burn-out. In: International Journal of Educational Management, Vol. 25 No. 3, pp: 252-264.
²: Brodbeck, F. C., Anderson, N., & West, M. A. (2000). Das Teamklima-Inventar: Handanweisung und Validierung der deutschsprachigen Version [The Team Climate Inventory: Manual and validation of the German version].Heidelberg: Hogrefe.