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Eine Person sitzt an einem Schreibtisch und zeigt auf einen Bildschirm. Auf dem Bildschirm wird eine Tabelle mit Zahlen angezeigt, die von „Konservatives Szenario“ bis zu „Optimistisches Szenario“ reicht und für jedes dieser Szenarien Nutzungsraten, wie Gesamtersparnise angibt. Die Person zeigt auf das Szenario „Mittleres Szenario“ mit einer „Gesamtersparnis pro Jahr (2023)“ von -800.000 Euro.

Zählen was zählt: Warum wir uns die Digitalrendite anschauen sollten

Dieser Blogbeitrag ist ursprünglich als ein Standpunkt im Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI am 3. Juni 2025 erschienen.

Innerhalb von vier Jahren, in den Haushaltsjahren 2019, 2021, 2023 und 2024, hat die Bundesregierung 16,6 Milliarden Euro für die Digitalisierung ihrer Verwaltung aus­ge­ge­ben. Doch welchen konkreten Mehrwert haben die damit finanzierten Maßnahmen tatsächlich geschaffen?

Öffentliche Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen arbeiten intensiv daran, ihre Organisationen, Infrastrukturen, Prozesse und Dienstleistungen digital zu transformieren. Dabei fehlt jedoch häufig ein geeigneter Werkzeugkasten, um die zugrunde liegenden Wert­schöpf­ungs­mechanismen systematisch zu identifizieren und zu priorisieren. Statt­des­sen wird der Erfolg meist anhand wenig aussagekräftiger Metriken wie Kosten, Zeit­auf­wand oder dem Entwicklungsstand vorab definierter Ergebnisse – etwa Software-Features oder Reifegrade – gemessen. Inwieweit der Einsatz von Zeit und Geld tatsäch­lich zu Ergebnissen führt, die einen relevanten Mehrwert für Verwaltungsmitarbei­ten­de, Bür­ger:in­nen, Unternehmen und die Gesellschaft schaffen, bleibt in der Steuerung bislang weitgehend unberücksichtigt. Das führt unter anderem dazu, dass die Zufriedenheit der Bürger:innen bei digitalen staatlichen Dienstleistungen laut OZG Dashboard bei 1,9 von 5 Sternen liegt – wäre das die Online-Bewertung einer Gaststätte, würden wir diese nur im äußersten Notfall besuchen.

Digitalrendite: Wenn der Mehrwert die Kosten übersteigt

Braucht es mehr Geld, um diesen unzufriedenstellenden Wert zu verbessern? Schauen wir ins Ausland, sehen wir, dass dort das Gegenteil der Fall ist: Im Namen von Kos­ten­er­spar­nis, Effizienz und Bürokratieabbau werden ganze Digitalisierungs- und Trans­for­ma­tionsteams aufgelöst oder gekündigt. Auch aus verschiedenen Bundesländern hören wir, dass dort die Kürzung der Haushaltsposten für Verwaltungsdigitalisierung bevorsteht. Statt weiterhin auf die Kostenseite Digitalisierung und Transformation zu blicken, möchten wir als DigitalService den Nutzen in den Fokus rücken. Digitale Transformation erfordert kurzfristig hohe Investitionen und nimmt umfassend Zeit in Anspruch. Mittel- und lang­fris­tig entsteht durch gut digitalisierte und transformierte öffentliche Dienstleistungen jedoch ein Mehrwert, der diesen Aufwand rechtfertigt. Diesen Mehrwert nennen wir Digitalrendite.

Unter Digitalrendite verstehen wir den messbaren Mehrwert, der die ursprünglichen In­ves­ti­tio­nen digitaler Vorhaben übersteigt. Wertschöpfung durch öffentliche digitale Trans­for­mation kann dabei entlang der Produktion, der Erfahrung mit und der Einbettung von öffentlichen Dienstleistungen verstanden werden. Öffentlicher Mehrwert oder im Eng­li­schen „public value“ entsteht in der Umwandlung von Inputs zu Outputs, die zu Outcomes und einem übergeordneten Impact führen. Für das, was im Englischen geläufig ist, fehlen im Deutschen bisher die entsprechenden Begriffe. Inputs beschreiben die investierten Res­sourcen, Outputs die unmittelbar sichtbaren Ergebnisse einer oder mehrerer Maß­nah­men, Outcomes den Nutzen dieser Ergebnisse und Impact die langfristige Wirkung. Die Digitalrendite beschreibt dabei vor allem den spür- und messbaren Nutzen für Bür­ger:in­nen bzw. Unternehmen, die Verwaltung und die Gesellschaft als Ganzes.

Für Bürger:innen kann dieser Mehrwert die einfache, kurze und kohärente Erledigung staat­lich­er Dienstleistungen bedeuten sowie das Erreichen ihres darunterliegenden Ziels (z. B. die Möglichkeit, sich digital sicher und effizient auszuweisen, nicht die erfolgreiche „Beantragung eines Personalausweises“). Für die Verwaltung kann der Mehrwert eine rei­bungs­lo­se und effiziente Bearbeitung und daraus folgend Effizienzgewinne und frei wer­den­de Kapazitäten darstellen. Auf gesellschaftlicher Ebene können effiziente In­ter­ak­tio­nen mit dem Staat die Stärkung des Vertrauens in den Staat und seine Prozesse er­mög­lich­en. Die Wertschöpfungsketten haben wir in folgender Tabelle illustriert:

Grafik eines Wirkungsmodells digitaler öffentlicher Dienstleistungen mit fünf Spalten: Input, Process, Output, Outcome und Impact. Es zeigt Beiträge und Wirkungen auf drei Ebenen – Bürger:innen, Verwaltung und Gesellschaft – und veranschaulicht, wie Ressourcen und Prozesse zu Effekten wie Effizienz, Vertrauen und demokratischer Teilhabe führen.

Was Bürger:innen und Unternehmen hilft, entlastet auch die Verwaltung

Unter diesen Indikatoren sind organisationale Effizienzgewinne, also Kosten- und Zeit­er­spar­nis­se, gut erfassbar. Sie sind im Hinblick auf Pensionierungswelle, Fach­kräf­te­mangel und knappe Budgets in der Verwaltung besonders relevant, können aber auf Seite der Bürger:innen und Unternehmensseite auch volkswirtschaftliche Effekte beschreiben.

Das zeigt auch unsere Erfahrung beim DigitalService: Aufbauend auf den guten in­ter­nat­io­na­len Erfolgsbeispielen, konnten wir in den letzten fünf Jahren anhand unserer Projekte zeigen, dass sich Verwaltungsressourcen (Inputs) durch agile und nutzendenzentrierte Pro­zes­se effektiver als bisher in öffentliche Dienstleistungen (Outputs) transformieren las­sen, mit denen Bürger:innen leichter zu ihrem Ziel kommen (Outcome). Diese Ver­bes­se­rung möchten wir nun anfangen zu beziffern.

Im ersten Schritt haben wir im Kontext unserer Arbeit zur Digitalisierung der Justiz mit dem Fallbeispiel der Online-Dienste zur Beratungshilfe begonnen, die analogen und di­gi­ta­len Erfüllungsaufwände zu vergleichen. Dabei können wir nachvollziehbar aufzeigen, wie sich die anfangs getätigten Kosten in zurückhaltenden Szenarien nach gut fünf Jahren und bei optimistischen Annahmen bereits nach weniger als zwei Jahren amortisieren. Da­nach spart der Staat effektiv Geld. Die Einsparungen sind möglich, weil wir auf die Eins-zu-Eins-Übersetzung analoger zu digitaler Abläufe verzichten und stattdessen die Op­ti­mie­rung der Abläufe im Sinne der Nutzenden priorisieren. Wir reduzieren also feh­ler­haf­te, unvollständige oder aussichtslose Anträge. Die dadurch eingesparte Be­ar­bei­tungs­zeit auf Verwaltungsseite können wir ableiten und monetär beziffern.

Die Digitalrendite ist mehr als die Einsparung von Verwaltungskosten

Diese Art der Berechnung ist nur der erste Schritt, denn die Digitalrendite beschreibt mehr als finanzielle Einsparungen auf Verwaltungsseite. Sie beschreibt auch den Mehr­wert für Bürger:innen, Unternehmen und Gesellschaft. Das wird in unserem Beispiel be­son­ders sichtbar: Das Einsparungspotential auf Verwaltungsseite entsteht dort, wo Pro­zesse für Bürger:innen verbessert werden. Das heißt, Effizienz ist nicht der Hebel, son­dern ein Ergebnis guter digitaler Transformation im Sinne ihrer Nutzenden. Rufe nach Stel­len­streichungen und Einsparungen sind nicht zielführend. Im Gegenteil: Die durch digitale Transformation frei werdenden Kapazitäten werden dringend benötigt, um den ohnehin be­vor­stehenden Personalmangel im öffentlichen Sektor aufzufangen und den Krisen un­se­rer Zeit zu begegnen, deren Beantwortung sich nicht automatisieren lässt.

Von der Digitalrendite profitieren Staat, Bürger:innen und Unternehmen. Und das hilft, das Vertrauen in den Staat wieder zu stärken.


Portrait Foto des Autors Joshua Pacheco

Joshua Pacheco

koordiniert die strategische Wissensarbeit und die politische Kommunikation des DigitalService des Bundes. Zuvor forschte er an der University of Edinburgh zu Public Value Creation. Bis 2022 leitete er das Fellowship-Programm Tech4Germany und verantwortete im CityLAB Berlin die Zusammenarbeit mit der Landes- und Kommunalverwaltung sowie die Entwicklung des Methodenhandbuchs „Öffentliches Gestalten“.


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