

Transformation in der Praxis: Projektarbeit mit der Bundesverwaltung gestalten
Ziel unserer Arbeit mit der Bundesverwaltung ist es, nutzerzentrierte digitale Produkte nach dem neuesten Stand der Technik zu schaffen. Was dabei oft von außen übersehen wird: Verwaltungsmitarbeitende arbeiten häufig unter Bedingungen, die die Entstehung solcher Produkte erschweren. So gehört das Arbeiten an Daueraufgaben („Linienaufgaben“) zur Regel in der Bundesverwaltung. Die Arbeit in Projekten hingegen und das Verständnis für die Besonderheiten von Projektarbeit stellen die Ausnahme dar. Eine Projektarbeit, die iterativ, interdisziplinär und wirkungsorientiert funktioniert, muss innerhalb unserer gemeinsamen Vorhaben erst einmal aufgebaut werden – inklusive der Arbeitsbeziehungen und der Vertrauensbasis, die dafür notwendig sind. Das ist es, was wir Transformationsarbeit nennen: Denn hier findet mit der Entwicklung digitaler Produkte auch ein Wandel von Arbeitskultur statt.
Dabei unterstützen die Mitglieder unseres Transformationsteams in den Projekten mit ihrer Methodenkompetenz. Aber das alleine reicht nicht, denn Transformationsarbeit findet an vielen Stellen statt – über alle Disziplinen der Organisation hinweg! Ob Software Engineer, Designer:in oder Product Manager:in: Wie geht man also vor, wenn man möchte, dass die Zusammenarbeit mit der Verwaltung gelingt?
Wir haben Wissen und Erfahrungen aus verschiedenen Teams und Disziplinen zusammengetragen und daraus Transformations-Hacks (kurz „Trafo-Hacks“) entwickelt – praktische Kniffe für eine erfolgreiche Transformationsarbeit. Die Trafo-Hacks sind eine wachsende Sammlung kleiner Interventionen mit großer Wirkung, die uns intern bei verschiedenen Herausforderungen Hilfe leisten – insbesondere beim Start des Projektes, in der Gestaltung der Zusammenarbeit sowie der Kommunikation mit Stakeholdern.
Einen Einblick in unsere Sammlung der Trafo-Hacks und wie wir gemeinsam mit den Projektpartner:innen die Arbeit gestalten, stellen wir in diesem Blogbeitrag bereit.
Die Trafo-Hacks teilen sich in die folgenden drei Bereiche auf:
Projektstart
#1 Verstehe den Arbeitskontext der Projektpartner:innen und baue auf bestehenden Beziehungen auf
Herausforderung: Zu Beginn eines Projektes ist es oftmals schwer, das Arbeitsumfeld der Projektpartner:innen zu verstehen und die richtigen Stakeholder und Verbündeten für das Gelingen des Vorhabens zu identifizieren.
Trafo-Hack: Durch die Nutzung bestehenden Wissens innerhalb der Organisation entsteht ein tieferes Verständnis des Arbeitskontexts der anderen Partei; es können gegebenenfalls vorhandene Beziehungen und Erfahrungen sichtbar gemacht werden. Dafür ist oft proaktiver Austausch mit bestehenden Projekten und internen Stakeholdern notwendig.
#2 Hole die Projektpartner:innen da ab, wo sie stehen
Herausforderung: In den meisten Projekten treffen zwei unterschiedliche Welten aufeinander. Mangelndes Verständnis des Kontextes von Projektpartner:innen führt zu Reibung, Missverständnissen und verhindert die Arbeit auf Augenhöhe.
Trafo-Hack: Durch das kontinuierliche Reflektieren von Selbstverständnis, Wissensstand und Kontext können Missverständnisse und Überforderung reduziert werden.
Dabei hilft es, schon am Anfang eines Projektes ein tiefes Verständnis der Projektpartner:innen aufzubauen, um sie da abzuholen, wo sie stehen. Die regelmäßige Reflexion mithilfe der folgenden Fragen kann hier unterstützen:
- Was ist der Wissensstand der anderen Partei – z. B. in Bezug auf moderne Produktentwicklung?
- Welches Verständnis muss geschaffen werden, um alle mit auf die Transformationsreise zu nehmen?
- Wie sehen sich die Beteiligten selbst, was treibt sie an?
- Wie ist die Geschichte des Projektes, was ist vor der Zusammenarbeit passiert?
- Wie sieht der Kontext oder das System aus, in dem sich die andere Partei befindet; was passiert um sie herum?
Zusammenarbeit
#3 Definiere und verankere ein gemeinsames Ziel
Herausforderung: Zwischen Projektpartner:innen und Projektteam besteht ein Konflikt, es gibt gegenseitige Schuldzuweisungen. Das gemeinsame Ziel wurde aus den Augen verloren. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit soll etabliert werden.
Trafo-Hack: Durch die Entwicklung von oder Rückbesinnung auf gemeinsame Ziele wird der Blick auf die Zukunft gelenkt und ein „Wir“-Gefühl gefördert. Um in eine festgefahrene Situation neue Impulse hineinzugeben, kann gemeinsam an verschiedenen Fragen gearbeitet werden:
- Was ist unser gemeinsames Ziel in diesem Projekt?
- Welche verborgenen Gemeinsamkeiten haben wir?
- Was kann jeder (an Stärken) zu dem gemeinsamen Ziel beitragen?
- Mit welchem Ziel sind wir jeweils ursprünglich in die Zusammenarbeit gestartet?
Die Rückbesinnung auf die gemeinsame Richtung und der Blick in die Zukunft verbessern die Situation und stellen die Kollaboration auf eine stabilere Basis.

#4 Treffe konkrete Vereinbarungen zur Gestaltung der gemeinsamen Zusammenarbeit
Herausforderung: Die Struktur in der Zusammenarbeit zwischen Projektpartner:innen und Projektteam ist unklar. Es gibt wenig Überblick über Rollen und Verantwortungen.
Trafo-Hack: Durch die Erstellung eines Projekthandbuchs werden konkrete Details zur Zusammenarbeit in einem Dokument festgehalten und für alle zugänglich gemacht.
Das Projekthandbuch beinhaltet Abmachungen zwischen den Parteien zur gemeinsamen Arbeitsweise, Meeting-Formaten, Projektstruktur, Rollenverteilung und vieles mehr. Es sollte keine zukünftigen Wunschvorstellungen beinhalten, sondern lediglich den Ist-Zustand beschreiben. Das hilft langfristig, eine gute Zusammenarbeit zu etablieren, und dient als Hilfestellung für gemeinsame Entscheidungen.
Die Erstellung und Aktualisierung des Dokuments kosten Zeit – lohnt sich aber gerade zu Beginn eines Projektes.
#5 Binde die Projektpartner:innen fest in das Team ein
Herausforderung: In der Zusammenarbeit entsteht keine wirkliche Kollaboration und es wird wenig Verantwortung für das Projekt übernommen.
Trafo-Hack: Durch die Einbindung der Verwaltungsmitarbeitenden als weitere Disziplin entsteht eine klare Zuständigkeit und ein Verantwortungsgefühl.
Durch die entstehende Wertschätzung der Fachexpertise in einer fünften Disziplin entsteht ein neues Gefühl der Zuständigkeit, Verantwortungsübernahme und Kollaboration auf Augenhöhe. Um diesen Ansatz zu verfestigen, können auch Artefakte wie z. B. eine Teamübersicht helfen, die Zusammengehörigkeit zu visualisieren.
#6 Etabliere regelmäßige Arbeitsmeetings
Herausforderung: Hauptverantwortliche in der Zusammenarbeit betreuen mehrere Projekte gleichzeitig. Dadurch resultierende Zeitengpässe erschweren Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung.
Trafo-Hack: Durch die Einführung eines dezidierten Arbeitstermins wird der Zusammenarbeit ein klarer Rahmen gegeben, in dem Aufgaben abgearbeitet werden. Der Begriff „Arbeitstermin“ schafft gleichzeitig eine Atmosphäre, die echten Austausch ermöglicht. Er ermöglicht, Arbeitsweisen außerhalb starrer Strukturen zu demonstrieren und gleichzeitig das Fachwissen der anderen Seite noch stärker einzubeziehen. Eine aktive Mitarbeit beider Seiten erleichtert zudem eine schnelle Entscheidungsfindung.
#7 Stärke Vertrauen durch Zusammenarbeit vor Ort
Herausforderung: Es besteht geringes Vertrauen zwischen Projektpartner:innen und Projektteam, ein Austausch auf Augenhöhe ist nicht möglich; ein Teamgefühl kommt nicht auf.
Trafo-Hack: Projektteam und -partner:innen arbeiten jeweils einmal pro Woche im Büro der anderen Partei. Durch die intensivierte (analoge) Zusammenarbeit wird ein übergreifendes Teamgefühl gefördert.
Dieser Ansatz birgt Mehraufwand, aber er ermöglicht einen Überblick über die Herausforderungen, ein gesteigertes Alignment und kurzfristige Absprachen. Die Zusammenarbeit wird strukturierter. Das führt zu Wertschätzung, Vertrauen und gegenseitiger Empathie.
#8 Fördere Beziehung durch informelle Interaktionen im Alltag
Herausforderung: Zwischen Projektpartner:innen und Projektteam besteht keine wirkliche Beziehungsebene. Der Austausch ist sehr inhaltlich getrieben und es mangelt an einer guten Diskussions- und Streitkultur.
Trafo-Hack: Durch das Schaffen von Zeit und Raum für informelle Elemente im alltäglichen Arbeiten wird die Beziehung zwischen den Parteien gestärkt.
Es hilft, Raum für Informelles in den Meetings auch und vor allem abseits konkreter Methoden zu schaffen. Das können kleine Dinge sein wie:
- Leute langsam im Meeting ankommen lassen
- Small Talk führen (auch mal private Fragen stellen)
- Auf gemeinsame Interessen eingehen
- Snacks und Getränke bei Meetings bereitstellen
- Auch gemeinsame Abend-/Mittagessen sind ein guter Moment, die Sachebene zu verlassen

#9 Reflektiere die eigenen Muster und mache sie sichtbar
Herausforderung: In der Zusammenarbeit bestehen eingefahrene (destruktive) Handlungsmuster, die sich stetig wiederholen.
Trafo-Hack: Durch eine Reflexion der eigenen Muster und Handlungsweisen können neue Lösungswege in der Zusammenarbeit gefunden werden. Diese kann je nach Bedarf intern im Projektteam oder gemeinsam mit den Projektpartner:innen durchgeführt werden. In der Übung werden bestehende Muster gesammelt, visualisiert und beschrieben.
Fragen können sein:
- Welche Muster in unserer Zusammenarbeit hast Du in den letzten Monaten beobachtet?
- Welche positive oder negative Auswirkungen hatten sie?
Die aufkommenden Muster werden vorgestellt und diskutiert. Sie können im Weiteren dafür genutzt werden, ein gemeinsames Ziel für die Zukunft zu entwickeln, statt sich auf die Vergangenheit zu fokussieren.
Kommunikation
#10 Strukturiere die gemeinsamen Kommunikationskanäle
Herausforderung: Es gibt keine klare Struktur in der Kommunikation mit den Projektpartner:innen und keinen gemeinsamen Ort, an dem diese festgehalten wird.
Trafo-Hack: Durch eine klare Strukturierung der Kommunikationskanäle (intern wie extern) wird der Bedarf an Meetings reduziert und die Zusammenarbeit verbessert.
Um die Kommunikation zu verbessern, werden Bedarfe bezüglich der Kommunikation zwischen Projektpartner:innen und Projektteam gesammelt und darauf basierend ein gemeinsamer Ansatz entwickelt.
- Die Meetings können stärker strukturiert und von den Projektpartner:innen gewünschte Tools eingeführt werden, um auf Gewohnheiten der Projektpartner:innen einzugehen.
- Die Kommunikationskanäle können auf die Nutzung mit wenigen relevanten Mitgliedern des Projektteams beschränkt werden. Das gibt gleichzeitig dem Team mehr Raum, an der Umsetzung zu arbeiten.
#11 Schaffe eine gemeinsame sprachliche Grundlage
Herausforderung: In der Zusammenarbeit zwischen Projektpartner:innen und Projektteam entstehen Missverständnisse, Unklarheiten und Verwirrung aufgrund einer fehlenden gemeinsamen sprachlichen Grundlage.
Trafo-Hack: Mithilfe einer Reflexion und der Sichtbarmachung unterschiedlicher sprachlicher Terminologien wird eine gemeinsame Basis für die Kommunikation geschaffen.
Viele Begriffe aus der Produktentwicklungswelt sind in anderen Arbeitskontexten unbekannt – darunter auch Verwaltung. Zu Beginn eines Projektes ist es daher hilfreich, von Projektpartner:innen und Projektteam genutzte Terminologien intern zu reflektieren, zu analysieren und gegebenenfalls zu übersetzen. Darauf basierend können in einer gemeinsamen Arbeitssession sprachliche Unterschiede benannt werden, um sich auf eine Regelung zu einigen. Die Nutzung von sprachlichen Begriffen aus dem jeweils anderen Kontext hilft, sich auf diesen einzulassen und Expertise zu gewinnen.
#12 Nutze einfache Visualisierungen als Gesprächsgrundlage
Herausforderung: Die Komplexität des Vorhabens scheint unüberschaubar und es sind keine einfachen Lösungen in Sicht. Das sorgt für Verunsicherung.
Trafo-Hack: Durch die Übersetzung der Komplexität im Projekt in einfach verständliche Grafiken wird eine Gesprächsgrundlage für die Zusammenarbeit geschaffen.
Im Kontext der Verwaltungsdigitalisierung ist die Nutzendenlandschaft oft hochkomplex. Viele Stakeholder haben eigene, meist unübersichtliche Software-Ökosysteme aufgebaut. Um zu vereinheitlichen und Schnittstellen zu schaffen, hilft es, Prozessvisualisierungen für die Landschaft zu schaffen. Anhand dieser lassen sich Schnittstellen und Herausforderungen diskutieren und Szenarien und Ideen greifbar machen.
#13 Ermögliche einen offenen Umgang mit allen Emotionen, auch negativen
Herausforderung: Es gibt große Vorbehalte in der Zusammenarbeit, starke Fokussierung auf Barrieren und dadurch eine ausgeprägte Negativität.
Trafo-Hack: Bewusst auch negative Emotionen einzuladen, um eine bessere Grundlage für mehr Verständnis untereinander zu schaffen.
Um sich nicht nur auf einer technischen Ebene zu begegnen, kann – wenn nötig auch im Rahmen bestehender Formate – Raum gegeben werden, Sorgen und Zweifel zu äußern. Diese zu kennen, hilft dabei, Handlungsmuster besser zu verstehen. Auch das Gefühl, gemeinsam an einer Herausforderung zu arbeiten, kann so gestärkt und Lösungsansätze besser sichtbar gemacht werden.
#14 Experimentiere mit verschiedenen Kommunikationsformen
Herausforderung: In Meetings entsteht das Gefühl, dass Mitarbeitende nicht offen sprechen können. Diese Situation belastet die Zusammenarbeit.
Lösung: Verschiedene Kommunikationskanäle (Telefon, Videocall, persönlich) können einen großen Unterschied für die Zusammenarbeit machen. In einem neuen Setting können mitunter wertvollere Gespräche geführt werden. Es lohnt sich, verschiedene Kommunikationskanäle zu testen, um einen passenden für jede Person zu finden. Die emotionale Sicherheit spielt dabei eine entscheidende Rolle.
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