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Eine Person sitzt an einem schwarzen Schreibtisch in einem modernen Büroraum hält einen Stift in der Hand und redet. Vor der Person steht ein Laptop. Auf dem geöffneten Bildschirm läuft ein Programm. Auf dem Tisch liegen Notizen und ein Handy. Im Hintergrund sind Bürogegenstände zu sehen.

Aus zwei wird eins: Schlanke Erarbeitungsprozesse für Gesetze

41 Checklisten und Arbeitshilfen sollen Verwaltungsmitarbeitende bei der Erstellung neuer Gesetze unterstützen. Die Mehrheit ist sich einig: Das ist zu viel – der Aufwand wächst, die Orientierung fällt schwer.

Dass es auch anders geht, zeigen das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI)­, der Nationale Normenkontrollrat (NKR) und der DigitalService. Gemeinsam haben wir die Methoden und Instrumente für digitaltaugliche Gesetzgebung (Digitalcheck) mit den Anforderungen der Verordnung für ein interoperables Europa zusammengeführt – und aus zwei Prozessen einen gemacht.

Das Ergebnis: ein schlankeres, wirksames Vorgehen, das Bürokratie abbaut und Ver­wal­tungs­mit­ar­beitende bei der Erarbeitung neuer rechtlicher Regelungen spürbar entlastet. In diesem Beitrag zeigen wir, wie wir dabei vorgegangen sind – und warum es sich lohnt, neue Wege zu gehen.

Der Ausgangspunkt: Der Digitalcheck und die Interoperabilitätsverordnung

Der Digitalcheck ist eine methodische Prozessbegleitung für Mitarbeitende der Bun­des­ver­waltung bei der Gesetzgebung. Er unterstützt sie mit Werkzeugen und in­ter­dis­zi­pli­nä­ren Kompetenzen, um digital- und praxistaugliche Regelungen zu erarbeiten. Seit Januar 2023 ist der Digitalcheck, der vom BMI mit dem NKR und dem DigitalService entwickelt wird, verpflichtend (weitere Informationen gibt es auf unserer Digitalcheck Projektseite).

Seit 2024 gilt zusätzlich die Interoperabilitätsverordnung der Europäischen Union (EU). Ihr Ziel ist es, den Menschen in der EU den Zugang zu digitalen Verwaltungsdiensten auch über Landesgrenzen hinweg zu erleichtern. Seit Anfang 2025 ist dafür eine In­ter­ope­ra­bi­li­täts­be­wer­tung verpflichtend. Diese soll sichtbar machen, wo Potenziale liegen öffentliche Diens­te grenzüberschreitend besser nutzbar zu machen – und wo noch Hindernisse be­ste­hen. Zur Unterstützung stellt die Europäische Kommission Verwaltungsmitarbeitenden methodische Leitlinien sowie ein Formular zur Dokumentation bereit. Die ausgearbeiteten Dokumentationen werden anschließend von der EU veröffentlicht (weiterführende In­for­ma­tio­nen bietet die Digitalcheck Webseite des Bundes).

Die Instrumente des Digitalcheck und die In­ter­ope­ra­bi­li­täts­be­wer­tung ergänzen sich: Beide verfolgen das gemeinsame Ziel, die Grundlage für bessere digitale Ver­wal­tungs­lei­stung­en zu schaffen. Dabei adressieren sie beide die frühe Phase des Er­ar­bei­tungs­pro­zesses von Regelungen. Daher haben wir uns auf den Weg gemacht, sie miteinander zu verzahnen.

Mit diesem Vorgehen können in Zukunft auch weitere Arbeitshilfen integriert werden. Wir zeigen wie:

Schritt 1: Expert:innen zusammenbringen

Im ersten Schritt gilt es, Expert:innen mit unterschiedlichen Kompetenzen zu­sam­men­zu­brin­gen. Im besten Fall sind das Expert:innen mit Fachwissen in den Bereichen bessere Rechtsetzung, Projektmanagement, Kollaboration, Design, IT und Recht. Gemeinsam kön­nen Synergien gefunden und gleichzeitig abgebildet werden.

In unserem Fall setzte sich die Gruppe aus 14 Personen zusammen: Vertreter:innen des BMI, die in ihren Referaten für den Digitalcheck und die Interoperabilitätsverordnung verantwortlich sind, Mitglieder des NKR-Sekretariats sowie das Digitalcheck Team des DigitalService. Die Teilnehmenden brachten Fachkenntnisse aus den Bereichen Ver­wal­tungs­wis­sen­schaften, Engineering, UI/UX Design, Service Design, Produktmanagement und Transformation ein. Gemeinsam arbeiteten sie zwei Tage lang intensiv daran, die beiden Arbeitshilfen zu konsolidieren. Wir waren ebenfalls dabei.

Schritt 2: Visualisierungen erleichtern Austausch

Damit wir gut in den Workshop starten konnten, haben wir uns die beiden Themen schon im Vorfeld gründlich angeschaut – und sie anschließend so aufbereitet, dass sie leicht verständlich sind. Dafür haben wir Visualisierungen erstellt, die zeigen, wie die beiden Prozesse funktionieren und zusammenhängen. Dabei haben wir uns auch gefragt, was das Ziel des Digitalcheck und der Interoperabilitätsbewertung ist.

Die Visualisierungen haben zu Beginn des Workshops geholfen, ein gemeinsames Ver­ständ­nis zu schaffen. Und sie haben direkt erste Überschneidungen und Ge­mein­sam­kei­ten sichtbar gemacht. Auch während der weiteren Arbeit an Details konnten wir immer wieder auf die Visualisierungen zurückgreifen, um den Überblick zu behalten und uns im Prozess zu orientieren.

Grafik mit drei farbkodierten Verfahrensdarstellungen: „Vorgehen Digitalcheck“ (lila), „Synthese beider Vorgehen“ (weiß) und „Vorgehen Interoperabilitätsbewertungen“ (gelb). Jedes Verfahren zeigt in mehreren Kästen die einzelnen Schritte von der Vorprüfung bis zur Dokumentation.

Schritt 3: Parallelen finden

Wie erwartet haben sich direkt zu Beginn des Workshops mit den Visualisierungen erste Parallelen gezeigt: Der Digitalcheck beinhaltet etwa die „Fünf Prinzipien für digitale Gesetzgebung“, mit denen Verwaltungsmitarbeitende Mög­lich­kei­ten und Hindernisse der digitalen Umsetzung identifizieren können. Für die Interoperabilitätsbewertung eignen sich vier Ebenen des europäischen Interoperabilitätsrahmens zur Identifikation der Mög­lich­kei­ten und Hindernisse. Dabei gibt es inhaltliche Überschneidungen. Und auch me­tho­disch lassen sich Prinzipien und Ebenen ähnlich anwenden. Schnell war daher klar: Prinzipien und Ebenen können gleichzeitig geprüft werden.

Darüber hinaus kommen ähnliche Methoden zum Einsatz: Die Beteiligung von um­set­zen­den Akteuren, Visualisierungen oder der Austausch mit Betroffenen. Kleingruppen haben in dem Workshop die jeweiligen Schnittmengen unter die Lupe genommen.

Schritt 4: Fleiß- und Denkarbeit, um den Alltag zu vereinfachen

Was einfach klingt, bedeutet viel Fleiß- und Detailarbeit: Ein neuer Prozess muss alle In­hal­te integrieren und den Anforderungen der Nutzenden, also der Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­ten­den, gerecht werden. Unser Anspruch war dabei aber gleichzeitig: Der Er­ar­bei­tungs­pro­zess muss am Ende dadurch vereinfacht werden.

Dazu war eine akribische Fleiß- und Denkarbeit notwendig, um die jeweiligen Schnitt­stel­len von Digitalcheck und Interoperabilitätsprüfung zusammenzuführen. In dem Workshop haben wir jeden Schritt nochmal detailliert analysiert und verglichen. Hier zeigte sich, wie hilfreich es ist, wenn unterschiedliche Disziplinen zusammenarbeiten: Jurist:innen, De­signer:innen sowie Projektmanager:innen trugen dazu dabei, einen abgesicherten, ver­ständ­lich­en und funktionalen neuen methodischen Prozess zu erarbeiten. Dabei brachten die Jurist:innen die Sichtweise der Rechtsetzungspraxis ein, Service Designer:innen hiel­ten die Anforderungen der Nutzenden hoch und Produktmanager:innen kümmerten sich darum, dass die Anforderungen der verschiedenen Prozesse nicht in Vergessenheit gerieten.

Mehrere Personen sitzen an einem schwarzen Schreibtisch, reden und schauen auf ihre geöffneten Laptops. Im Hintergrund ist eine moderne Büroumgebung mit einer Fensterfront und einer grünen Pflanze.

Schritt 5: Ein neuer Entwurf

Auch wenn die einzelnen Schritte und Arbeitsergebnisse noch weiter ausgearbeitet werden müssen, stand nach den zwei Tagen fest: Es ist sinnvoll, die Prüfung auf In­ter­operabilität in den Digitalcheck zu integrieren.

Das Ergebnis ist ein neuer, erster Entwurf für einen gemeinsamen Arbeitsprozess. Dieser berücksichtigt sowohl die Anforderungen an digitale Gesetzgebung als auch an In­ter­ope­ra­bi­li­tät. Der entwickelte Ablaufplan und die ersten Entwürfe für die einzelnen Ar­beits­schrit­te fließen jetzt in die Weiterentwicklung des Digitalcheck ein. Die Prototypen werden gemeinsam mit Mitarbeitenden aus der Verwaltung getestet und nach und nach auf der Webseite erarbeiten.digitalcheck.bund.de veröffentlicht.

Als Nächstes fassen wir die fünf Prinzipien für digitale Gesetze und die vier Ebenen der Interoperabilität zusammen. Auf dieser Grundlage entstehen weitere Werkzeuge und Methoden. Ziel ist nicht nur ein Arbeitsprozess, der beide Anforderungen erfüllt, sondern auch eine gemeinsame Dokumentation.

Konsolidierung ist notwendig

Wie bei guten Verwaltungsservices gilt auch in der Gesetzgebung: Erst den Prozess überdenken, dann digitalisieren und ergänzen. Dabei sollten stets das Ergebnis und der methodische Weg im Mittelpunkt stehen.

Aktuell ist klar: 41 Checklisten und Arbeitshilfen überfordern – eine Konsolidierung ist not­wen­dig. Genau deshalb führen wir Digitalcheck und Interoperabilitätsbewertung zu­sam­men und dokumentieren unser Vorgehen transparent. Unser Ansatz zeigt: In der Er­ar­bei­tung von Gesetzgebung steckt noch viel ungenutztes Potenzial. Bestehende Checklisten und Arbeitshilfen weisen viele Parallelen auf – eine Vereinfachung und Zusammenführung könnte Mitarbeitende spürbar entlasten, die Anwendung erleichtern und steigern sowie das Verständnis verbessern. Der Fokus der Verwaltungsmitarbeitenden könnte sich da­durch verschieben: Weg von reiner Kontrolle, hin zu frühzeitigen, praktischen Hilfestellungen.

Wir freuen uns darauf, unsere Erfahrungen auch in weiteren Vorhaben einzubringen. Für einen tieferen Austausch stehen wir unter digitalcheck@digitalservice.bund.de zur Verfügung.


Porträtfoto der Autorin Tabea Grünewald

Tabea Grünewald

ist seit Januar 2024 Referentin für EU-Angelegenheiten und Internationales im Bundesministerium des Innern und für Heimat. Sie engagiert sich dafür, dass die internationale und europäische Dimension bei Projekten der Verwaltungsdigitalisierung von Anfang an mitgedacht wird. Zuvor arbeitete Tabea im Leitungsstab des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik. In ihrer Freizeit setzt sie sich für Inklusion und soziale Teilhabe ein und ist häufig in der Boulderhalle anzutreffen.

Porträtfoto der Autorin Lena Mohr

Lena Mohr

ist seit März 2023 Service Designerin beim DigitalService. Zuvor hat sie bereits mehrere Jahre als freiberufliche UX Designerin für Start-ups und Digitalagenturen gearbeitet. Als Tech4Germany Fellow 2022 machte sie erste Schritte ins Verwaltungsumfeld und war von Motivation und Engagement der Ministeriumsmitarbeitenden nachhaltig beeindruckt. Über das Fellowship fand sie auch den Weg zum DigitalService. Wenn Lena nicht damit beschäftigt ist, neue Prozesse für eine digitaltaugliche Gesetzgebung mitzugestalten, schreibt und illustriert sie Kindergeschichten, in denen es vor allem um Vielfalt und Gleichberechtigung geht.

Porträtfoto des Autors Benedikt Liebig

Benedikt Liebig

ist Product Manager beim DigitalService. Er war Fellow der Tech4Germany Kohorte 2020. Seitdem unterstützt er die digitalen Vorhaben der Verwaltung – mit einer iterativen, datengetriebenen und human-zentrischen Sichtweise. Er schafft Räume, in denen Verwaltung, Design, IT und Recht als Team interdisziplinär und mit Spaß an einem Service arbeiten. Privat ist Bene viel mit seinem Rennrad unterwegs und engagiert sich für einen klimaresistenten Wald.


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