Jahresbilanz 2023: Der Digitalcheck ist angekommen
Seit Januar 2023 wenden Legist:innen, die in Bundesministerien Gesetzesentwürfe erarbeiten, den Digitalcheck für neue Regelungen an. Nach einem knappen Jahr wird dessen Wirkung nun immer deutlicher sichtbar: Der Digitalcheck ist in der Praxis angekommen und der Transformationsprozess hin zu einer digitaltauglichen Gesetzgebung erfolgreich angestoßen.
Damit ist die Grundlage dafür gelegt, die digitale Umsetzung von Regelungen in der Breite zu verbessern – mit all den Vorteilen für Effizienz, Nutzerfreundlichkeit und Bürokratieabbau, die dies für Bürger:innen, Unternehmen und die ausführenden Behörden mit sich bringt. Einige besonders positive Entwicklungen aus 2023 möchten wir in diesem Beitrag teilen:
Ernst Bürger, Abteilungsleiter „Digitale Verwaltung; Steuerung OZG” im Bundesministerium des Innern und für Heimat im Interview mit eGovernment
Wir sind positiv gestimmt nach knapp einem Jahr Digitalcheck. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass wir am Anfang eines langen Umdenkens stehen. (…) Ordnet man den Digitalcheck in einen größeren Zusammenhang ein, wird klar, dass er ein wichtiger Baustein der digitalen Transformation in unserem Land ist.
Die Nutzung in Ministerien steigt kontinuierlich an
Der prozentuale Anteil neuer Regelungen, bei denen die Legist:innen den Digitalcheck durchführten, ist im Laufe des Jahres immer weiter angestiegen. Die durchschnittliche jährliche Anwendungsquote bei neuen Gesetzen ist – Stand Mitte November – auf stolze 83 % geklettert: 72 der 87 im Bundeskabinett behandelten Gesetze hatten die digitale Ausführbarkeit berücksichtigt.
Zunehmend wird auch der Effekt der fünf Prinzipien für digitaltaugliche Gesetze in einzelnen Regelungen deutlich: So wurden etwa beim Familienstartzeitgesetz Schriftformerfordernisse gestrichen. Die Kinderzuschlag-Datenabrufverordnung (KiZDAV) wiederum macht bereits vorliegende Daten aus der Beantragung des Kindergelds erneut nutzbar, damit Eltern bei der Beantragung des Kinderzuschlags diese Informationen nicht erneut heraussuchen und eingeben müssen. Auch die Ermöglichung von Automatisierungen im Kreditzweitmarktgesetz bzw. die Definition von Rechtsbegriffen in der Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts sind Beispiele einer digitaltauglichen Gesetzgebung.
Legist beim Digitalcheck Workshop am 17.10.2023
Je tiefer man in die Materie geht, desto mehr merkt man, wie wichtig und vielseitig die Prinzipien sind.
Solche Beispiele einer digitaltauglichen Gesetzgebung sind besonders erfreulich, weil die frühzeitige, strukturierte Berücksichtigung der digitalen Umsetzung für viele Legist:innen mit einem grundlegenden Kulturwandel verbunden ist und wir so sehen, dass dieser Wandel gelingt. Liegt der Fokus oft eher darauf, fachlich und juristisch korrekte Regelungstexte zu formulieren, werden durch den Blick auf die Digitaltauglichkeit Fragen des Vollzugs systematisch Teil der Regelungsarbeit. Nicht zuletzt erweitert sich dadurch auch das Repertoire an Methoden in der Gesetzesvorbereitung. Wir freuen uns sehr, dass wir uns gemeinsam mit Legist:innen auf den Weg gemacht haben, passende Lösungen für diese neuen Anforderungen zu erarbeiten.
Wir bieten Legistinnen und Legisten in vielen unterschiedlichen Formaten Unterstützung bei der Anwendung des Digitalcheck.
Unsere Support-Angebote finden Anklang
Es ist schön zu sehen, dass Angebote rund um den Digitalcheck 2023 sehr gut angenommen wurden: Nicht nur die breite Informationskampagne zur Einführung, die über 500 Teilnehmende in allen (!) Ressorts erreichte. Auch die Support-Formate, die wir seither konzipiert haben und kontinuierlich weiterentwickeln, werden aktiv genutzt und entsprechen den Bedürfnissen der Legist:innen.
Betreuung von über 60 Support-Anfragen, von kleineren administrativen Rückfragen bis zu gemeinsamen Workshops mit den zuständigen Vollzugsbehörden
Begleitung von zwei ausgewählten Regelungsvorhaben durch eine interdisziplinäre Taskforce aus Software-Entwicklung, Design und Produktmanagement
Integration des Digitalcheck in bestehende Schulungsangebote zur Gesetzgebung bei der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV)
Weitere neun Workshops mit 161 Legist:innen
Regelmäßige offene und niedrigschwellige Online-Sprechstunden
Informationsangebote in den Ressorts verbessert
Das Feedback der Teilnehmenden und die lange Warteliste für die nächsten Termine zeigen uns, dass insbesondere die Workshops hilfreich sind. Dabei spielen wir den Digitalcheck gemeinsam und anhand eines konkreten Praxisbeispiels durch und wenden Methoden zur Erarbeitung digitaltauglicher Regelungen wie Visualisierungen an.
Legistin im Digitalcheck Workshop am 25.7.2023
Aktuell ist der Digitalcheck natürlich erstmal aufgrund des Mehraufwands eine Belastung. Aber es muss für uns alle automatisch im Denken sein, so über Regelungen nachzudenken.
Neue Methoden werden angenommen
Ein weiteres Highlight: Auch der Einsatz von Visualisierungen nimmt stetig zu. Im dritten Quartal des Jahres 2023 hatten bereits 30 % aller Regelungsvorhaben mit Digitalbezug eine Visualisierung erarbeitet und genutzt. Damit lassen sich komplexe Vorgänge praxisorientiert durchdenken und gleichzeitig anderen Stakeholdern anschaulich vermitteln. Visualisierungen bieten also ein besonderes Potenzial, um die Digitaltauglichkeit von Regelungen sicherzustellen. In seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf zur Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrecht (NKR-Nr. 6652) griff der Nationale Normenkontrollrat (NKR) die eingereichte Prozessvisualisierung sogar konkret auf.
Aus dem NKR-Jahresbericht 2023 auf Seite 41
Insbesondere durch die Visualisierung des Vollzugsprozesses kann die Digital- und damit auch die Praxistauglichkeit eines Regelungsvorhabens bei seiner Erstellung sichergestellt werden.
Aus dem NKR-Jahresbericht 2023 auf Seite 39
Aus Sicht des NKR ist zu begrüßen, dass nach den ersten zwei Quartalen mit einem Anteil von 10 bis 15 % im 3. Quartal bereits für fast 30 % aller Regelungsvorhaben mit Digitalbezug eine Prozessvisualisierung vorgelegt wurde.
Positive Resonanz auf die nutzerzentrierte Entwicklung
2023 hat auch gezeigt: Die Methodik der Zusammenarbeit trägt die erhofften Früchte. Denn entscheidend für den Erfolg des Digitalcheck ist seine schrittweise, an den Bedürfnissen der Nutzenden orientierte Entwicklung. Sie wird unter Federführung des Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) umgesetzt und von einer interministeriellen Arbeitsgruppe begleitet, der auch der NKR angehört. Eine große Rolle spielen dabei die Daten aus der konkreten Anwendung, damit wir nicht an den realen Bedürfnissen vorbei entwickeln. Seit der Einführung haben wir drei weitere Versionen des Digitalcheck veröffentlicht und darin beispielsweise Kontextfelder für Erläuterungen eingeführt und die methodische Anleitung zur Visualisierung verbessert.
Die im August vom Bundeskabinett beschlossenen „Eckpunkte zum Digitalcheck“ haben nicht nur dessen Verbindlichkeit unterstrichen, sondern auch das iterative, nutzerzentrierte Vorgehen politisch verankert – ein Meilenstein für die Umsetzung politischer Vorhaben.
Stephanie Kaiser, CPO des DigitalService, im Interview mit eGovernment
Nach einem knappen Jahr sehen wir sehr deutlich den Mehrwert der iterativen und nutzerzentrierten Vorgehensweise. Das ist in diesem Kontext ja ein wirklich neuer Ansatz.
Die Vorteile dieses Ansatzes werden auch im weiteren Umfeld erkannt: Mehrere Bundesländer möchten sich für ihre eigenen „Digitalchecks“ an der Herangehensweise auf Bundesebene orientieren. Mit vier Bundesländern sind wir dazu bereits im direkten Austausch.
Eingebettet ins Ökosystem der besseren und digitalen Rechtsetzung
Entscheidend für einen nachhaltigen Erfolg einer digitaltauglichen Gesetzgebung war es aus unserer Sicht zudem, von Anfang an alle relevanten Initiativen und Stakeholder im Ökosystem in den Blick zu nehmen, um Schnittstellen aktiv zu gestalten und Synergien strategisch zu nutzen. Dazu sind wir insbesondere Teil des GovLabDE-Vorhabens zur Digitalisierung der Rechtsetzung, dessen gemeinsame Federführung beim Bundeskanzleramt, Bundesjustizministerium und Bundesinnenministerium liegt. Ebenso waren wir im Laufe des Jahres mit allen relevanten Initiativen und Akteuren innerhalb der Bundesregierung im direkten Austausch, etwa mit:
- Wichtigen Vorhaben für eine bessere Rechtsetzung wie dem Zentrum für Legistik oder dem Praxis-Check
- Maßnahmen für eine digitale Rechtsetzung wie die E-Gesetzgebung und das Projekt „Neues Rechtsinformationssystem“ (NeuRIS)
- zentrale Bausteine der Verwaltungsdigitalisierung wie das Föderalen Informationsmanagement (FIM)
Diese systematische Vernetzung wollen wir auch im kommenden Jahr fortsetzen, um die Ausrichtung auf eine gemeinsame Zielstellung zu ermöglichen.
Regelmäßig haben wir den Digitalcheck auf Veranstaltungen vorgestellt und den Austausch mit dem jeweiligen Publikum gesucht – wie hier bei der re:publica 2023.
Auch international besteht großes Interesse an einem Austausch zum deutschen Ansatz für eine digitaltaugliche Gesetzgebung. Deshalb haben wir unser Vorgehen und unsere Erfahrungen in bilateralen Formaten mit einzelnen Ländern wie Dänemark und Großbritannien oder zuletzt im EU-Kontext vorgestellt. Besonders positives Feedback gab es für die ganzheitliche Herangehensweise, das schrittweise Einführen von Visualisierung und den Einsatz einer interdisziplinären Taskforce für die individuelle Regelungsbegleitung.
Der deutsche Ansatz zu einer digitaltauglichen Gesetzgebung ist effektiv oder sehr effektiv.
Diese Aussage bejahten 93 % der Teilnehmenden eines Webinars zu digitaltauglicher Gesetzgebung auf EU-Ebene, bei dem der Digitalcheck vorgestellt wurde. Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist hier abrufbar.
Unsere Ziele für 2024
Die erfolgreiche Einführung des Digitalcheck zeigt, dass eine digitaltaugliche Gesetzgebung ein grundlegender Baustein für den digitalen Staat ist.
Im kommenden Jahr wird es darum gehen, die Wirkung schrittweise zu skalieren – qualitativ, indem wir die Wirksamkeit der Werkzeuge und Unterstützungsangebote weiter erhöhen, und quantitativ mit Blick auf eine noch breitere Anwendung.
Dazu setzen wir an den beiden bereits identifizierten Fokusthemen an:
- Wir begleiten konkrete Regelungsvorhaben mit Spezialist:innen aus den Bereichen Software-Entwicklung, Design und Produktmanagement. So können wir direkt bei der Gestaltung von digitaltauglichen Regelungen unterstützen und zugleich wichtige Erkenntnisse über praxistaugliche Lösungsansätze sammeln.
- Wir unterstützen Legist:innen immer besser beim Erstellen von Visualisierungen mit einfachen digitalen Werkzeugen. Wir arbeiten aktuell bereits an ersten technischen Prototypen.
Nach dem schnellen Start mit der Beta-Version Anfang 2023 und den positiven empirischen Erfahrungen, die wir im Laufe des Jahres gesammelt haben, sind wir nun umso motivierter: Mit einer digitaltauglichen Gesetzgebung haben wir einen wichtigen Hebel für die digitale Transformation in der Hand, und wir sind auf dem richtigen Weg. Unsere Methoden, Angebote und Werkzeuge dafür sind jetzt in den Ministerien angekommen – im kommenden Jahr werden wir sie weiter ausbauen und optimieren, damit das Potenzial einer digitaltauglichen Gesetzgebung für einen proaktiven, digitalen Staat noch weiter ausgeschöpft werden kann.
In unseren bisherigen Blogbeiträgen gibt es weitere Informationen zur Genese und zu den Inhalten des Digitalcheck.