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Über die Schuler einer Mitarbeiterin blickend ist auf einem großen Bildschirm sowie auf einem Laptop-Bildschirm die Nutzeroberfläche des sich im Pilotbetrieb befindenden Rechtsinformationssystems zu sehen

Eine Million Dokumente mi­griert: Neues Rechtsin­for­ma­tions­sys­tem im Pilotbetrieb

Der 20. November 2023 stellt einen Meilenstein in der Entwicklung des „Neuen Rechts­informationssystems (NeuRIS)“ dar: Der Pilotbetrieb der neuen Dokumentationsumgebung hat im Bundesgerichtshof in Karlsruhe (BGH) begonnen, die ersten Dokumentationsein­hei­ten wurden erfolgreich abgegeben. Dieses Projektupdate gibt Hintergrundinforma­tio­nen dazu, welche Vorarbeiten für den Pilotbetrieb geleistet werden mussten, welche ersten Erkenntnisse es gibt und wie das Projekt NeuRIS insgesamt weitergeht.

Einordnung: Infos zu NeuRIS

Das Projekt „Neues Rechtsinformationssystem (NeuRIS)“ setzt der DigitalService seit April 2022 in Kooperation mit dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) und dem Bundes­amt für Justiz (BfJ) um. Ziel ist es, ein Rechtsinformationsportal für die Allgemeinheit auf­zubauen, das die bestehenden Portale ablöst und den Ansprüchen von Zivilgesell­schaft, Wissenschaft, Legal-Tech-Unternehmen sowie Verlagen etc. besser gerecht wird. Um dies zu ermöglichen, erneuert und modernisiert das NeuRIS Team zunächst die bundesei­gene Erfassungsumgebung und Datenhaltung (kurz RIS für Rechtsinformationssystem). Dadurch soll den Dokumentationsstellen des Bundesverfassungsgerichts, der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des Bundespatentgerichts sowie der Normendokumenta­tion ermöglicht werden, Rechtsinformationen effizient bereitzustellen. Genau diese neue Dokumentationsumgebung für den Bereich der Rechtsprechung ist jetzt im Pilotbetrieb. Über ihre Entwicklung haben wir im letzten NeuRIS Update berichtet.

Parallelbetrieb als Herausforderung

Grundvoraussetzung für den Pilotbetrieb war, dass Daten aus dem Altsystem bereits in die neue Datenumgebung migriert sind. Dies ist notwendig, da neue Rechtsprechung sich oft auf bestehende Dokumente bezieht (Jurist:innen sprechen etwa von vor- oder nachgehenden Entscheidungen).

Diesen großen Schritt hat das Migrations-Team des DigitalService in den vergangenen Monaten erfolgreich bewältigt: Über eine Million Rechtsprechungsdokumente (z. B. Gerichtsurteile) wurden vom alten System in das neue System „RIS“ überführt.

Bei der Umsetzung der Migration hat das Team zahlreiche Herausforderungen bewältigt, die zum Beispiel durch den Wechsel der Datenhaltungstechnologie und die veränderten Ablagestrukturen entstanden sind. Konkret bedeutet das, dass manchmal Daten zu berei­ni­gen sind, bevor sie migriert werden. Ein Beispiel: In Datensätzen taucht „0000-00-00“ als Wert für ein Datum auf. Aus technischer Sicht ist das kein Datum, hat aber eine fach­liche Bedeutung: Es steht für ein unbekanntes oder vormals nicht erfasstes Entschei­dungs­datum. Im neuen System soll die Abbildung technisch sauber und verständlicher erfolgen.

Gleichzeitig stellt sich das Team der Herausforderung eines Parallelbetriebs. Das alte System läuft nämlich noch weiter und wird durch andere Dokumentationsstellen mit Daten bestückt. Änderungen in bestehenden Dokumenten im Altsystem sind weiterhin möglich. Damit NeuRIS aber stets mit allen aktuellen Daten bestückt ist, muss ein täglicher Abgleich von der alten Datenbank mit der NeuRIS Datenbank durchgeführt werden. Änderungen und Neuanlagen aus dem Altsystem werden in NeuRIS übernommen. Wir nennen diesen Vorgang Delta-Migration.

Bundesgerichtshof nimmt am Pilotbetrieb teil

Auf Grundlage dieser Daten ist es nun möglich, neue Rechtsprechungsdokumente in NeuRIS einzupflegen. Die Dokumen­tationsstelle des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe (BGH) hat sich bereit erklärt, dies im Live-Betrieb auszuprobieren. Die Doku­men­ta­tionsstelle macht sich schrittweise mit dem System vertraut und erweitert die Arbeit um weitere Fallgruppen. Schrittweise werden so täglich immer mehr Dokumen­ta­tions­einheiten abgegeben. Das Projektteam des DigitalService erhält so wertvolles Feedback dazu, was schon gut funktioniert und an welchen Stellen noch Optimierungs­be­darf herrscht. Über die Art und Organisation der Zusammenarbeit (Co-Creation) mit dem BGH haben wir im Blogbeitrag „Co-Creation: Wie wir mit dem Bundesgerichtshof zusammenarbeiten“ berichtet.

Bereits im November hat der Pilotbetrieb so erste Früchte getragen. Ein Tagebuch über den NeuRIS Betrieb, das die Mitarbeitenden pflegen, half in den ersten Tagen des Pi­lot­betriebs dabei, kleine und größere Probleme zu entdecken. Unser Team konnte sie darauf­hin beheben. Oft ging es um kleine Verbesserungen, denn Effizienz ist ein wesent­licher Faktor für die Mitarbeitenden in den Dokumentationsstellen. Jeder eingesparte Klick hilft dort sofort. Durch unseren Ansatz der kontinuierlichen Entwicklung sind Verbesserungen für unsere Nutzenden manchmal schnell verfügbar. Diese moderne Produktentwicklung, die nicht mehr klassischen Releasezyklen folgt, wissen unsere Projektpartner:innen sehr zu schätzen.

In der Kommunikation mit den Dokumentationsstellen setzen wir auf schnelle und unkomplizierte Feedbackkanäle wie E-Mails, Online-Formulare für tägliches Feedback zur Nutzung, klassische Fehlertickets sowie direkte Kontakte zu unseren Nutzenden.

Übrigens: Alle Dokumente, die jetzt über den Pilotbetrieb in das neue System eingepflegt werden, sind auch im Altsystem verfügbar. Damit stehen sie nicht nur den von uns eng betreuten Pilot-Mitarbeitenden zur Verfügung, sondern sind auch öffentlich im Recher­che­portal des Bundes und dem Bürgerportal (www.rechtsprechung-im-internet.de) abrufbar. So fällt für die Dokumentationsstelle im BGH keine Doppelarbeit an.

Um die Datenkonsistenz zu gewährleisten, dürfen Änderungen nur in einem der Systeme vorgenommen werden. Daher erfassen die Dokumentar:innen des BGH nur neue Doku­men­te in NeuRIS und nehmen Änderungen nur im alten System vor. Über die Delta-Migration werden diese Änderungen aber bis zum nächsten Tag wieder in NeuRIS eingepflegt.

Autor Jörg steht mit zwei Kolleginnen aus seinem Team vor dem „Bundessozialgericht“

Nächste Schritte: Anzahl der Nutzenden erweitern

Nach den ersten positiven Erfahrungen mit dem Live-Betrieb möchten wir die Anzahl der Bearbeitungen in NeuRIS stetig erhöhen. Und natürlich soll es nicht bei einer Doku­men­tationsstelle bleiben, die mit NeuRIS arbeitet. Aktuell sind wir mit den Dokumentations­stellen des Bundesverwaltungsgesichts in Leipzig und des Bundessozialgerichts in Kassel im Austausch, um sie mit in den Pilotbetrieb aufzunehmen. In verschiedenen Meetings und Workshops erarbeiten wir gemeinsam, was die Dokumentationsstellen benötigen, um bald ebenfalls mit NeuRIS arbeiten zu können.

Kontinuierlich arbeiten wir daran, neue Features für NeuRIS zu integrieren. Dazu gehören leistungsfähige Suchfunktionen, mit denen Dokumentar:innen Daten in der Erfassungs­umgebung unkompliziert finden können. Dafür entwickeln wir eine Infrastruktur und setzen moderne Technologien ein, die es ermöglichen, Daten auf verschiedenen Wegen finden zu können. Die Technologie für diesen Suchmechanismus wird auch eine Grund­lage für die Suche im zukünftigen Rechtsinformationsportal für die Allgemeinheit werden.

Hier im Blog berichten wir weiter über Updates aus der Zusammenarbeit mit (neuen) Dokumentationsstellen und über neue Funktionalitäten von NeuRIS.


Portrait Foto des Autors Jörg Ihlefeld

Jörg Ihlefeld

ist Principal Product Manager beim DigitalService. Zuvor war er viele Jahre als Project Manager und Berater bei IBM tätig und bringt aus dieser Zeit wertvolle Erfahrung in der Entwicklung komplexer Anwendungen mit. Jörg brennt dafür, agile Organisationen aufzubauen, motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und so effiziente Arbeitsweisen zu ermöglichen. Privat gilt seine Leidenschaft allem, was auf dem Wasser stattfindet: Windsurfen, Segeln und Stand-Up-Paddling.


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